Im Alltag schreiben wir die Vergangenheit oft einfach fort, sonst könnten wir nicht leben. Ich verlasse mich z.B. darauf, dass die Sonne morgen wieder aufgeht, wie sie das die letzten Jahre auch recht zuverlässig getan hat, und ebenso wird wohl auch morgen der Kaffee von der Kanne in die Tasse fließen und nicht etwa schwerelos zur Decke steigen. In dem Fall sind es Naturgesetze, die die Erwartung, wie es weitergeht, als berechtigte Erwartung stabilisieren. Dass auf Regen wieder Sonnenschein folgt oder sinkende Aktienkurse irgendwann wieder steigen, ist auch durch Regelmäßigkeiten geprägt, wenn auch nicht ganz so deterministischen. Manchmal kann man es in Formeln fassen, manchmal bleibt es bei der Erfahrung.
Andererseits weiß jeder, dass die Dinge sich auch grundsätzlich ändern können. Vielzitiert ist das Beispiel mit dem Truthahn, der sich, nur weil ihn der Bauer das Jahr über fürsorglich gefüttert hat, zu Unrecht darauf verlässt, dass das immer so weitergeht. Kurz vor Weihnachten nimmt die Geschichte für den Truthahn eine üble Wendung. Aber welchen Trends soll man nun vertrauen und welchen nicht? Hinter welchen Regelmäßigkeiten lassen sich „Gesetze“ erkennen, hinter welchen nicht?
Wenn man sich die Umfragewerte für Donald Trump und Hillary Clinton ansieht, zeigt sich ein scheinbar recht verlässliches Auf und Ab und sie kamen sich immer wieder sehr nahe (in den Umfragewerten natürlich nur). Im Moment hat Clinton wieder hohe Werte, weil Trump mit seinen Umkleidekabinensprüchen überzogen hat, aber, sehen wir genau hin, kippt ihr Höhenflug nicht schon wieder? Beginnen die Werte Trumps nicht schon wieder zu steigen?
Darf man das Auf und Ab der Vergangenheit also fortschreiben und wird es am Ende, wenn die Zeit für den Trump-Recovery-Trend reicht, doch noch knapp? Oder geht es dem Truthahn jetzt endgültig an den Kragen? Wie heißt es so schön: Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen.
Lektüreempfehlungen:
1. Nassim Nicholas Taleb: Der Schwarze Schwan. Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse. München 2008.
2. Nate Silver: Die Berechnung der Zukunft. Warum die meisten Prognosen falsch sind und manche trotzdem zutreffen. München 2013.
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