Im Moment wird viel über Filterblasen und Echokammern durch selektive Informationen im Internet diskutiert, über das postfaktische Zeitalter, in dem wir angeblich leben, über motivated reasoning und cultural cognition, über schnelles und langsames Denken und gar nicht Denken. Es geht dabei stets darum, warum wir uns manchmal (und die Andern sich dauernd) auch augenscheinlichen Fakten verweigern und wir so standhaft gegen alle kritische Einwände unsere Meinungen verteidigen. Die gerade genannten Dinge spielen dabei sicher eine große Rolle.

Mir kam dazu ein Gedanke, den ich hier einmal zur Diskussion stellen will. Es gibt dazu meines Wissens keine Empirie, es ist also nur eine spekulative These. Einer alten soziologischen Erzählung zufolge sind wir seit langem nicht mehr in traditionalen Gesellschaften zuhause, in denen uns durch Religion und Abstammung weitgehend vorgegeben wurde, wie wir zu leben haben. Stattdessen haben die westlichen Gesellschaften einen Prozess der Individualisierung durchlaufen. Wir können viel mehr als früher selbst darüber entscheiden, wie wir leben, was wir arbeiten, wen wir heiraten usw. – eine in vieler Hinsicht befreiende Entwicklung. Wie der Anfang letzten Jahres verstorbene Ulrich Beck schon 1986 in seinem Buch „Risikogesellschaft“ festgestellt hat, hat diese Entwicklung aber auch ihre Kehrseiten, z.B. die mit der Individualisierung verbundenen Entscheidungszwänge und das Risiko des selbst zu verantwortenden Scheiterns.

Daran anschließend: Kann es sein, dass das auch eine Teilerklärung für die gegenwärtig diskutierte faktenimmune Rechthaberei allerorten ist? Wir müssen von früh bis spät – und immer unter Unsicherheit – entscheiden: in welche Kita wir unsere Kinder schicken sollen, wie wir aus Studiengängen, unter deren Namen wir uns kaum etwas vorstellen können, den richtigen auswählen, welche Lebensversicherung die richtige ist, welcher der luxuriösen Kaffeevollautomaten für uns am besten passt oder was überhaupt das richtige Geschäft dafür ist, ob beim Auto die Motorvariante X oder Y mehr bringt oder wir doch lieber auf das Auto ganz verzichten sollten, wegen dem Klimawandel. Wir entscheiden ständig. Müssen wir daher vielleicht auch rechthaberischer werden, weil wir es uns gar nicht leisten können, dass unsere Entscheidungen und damit unser selbstbestimmter Lebensweg ständig infrage gestellt werden, von Anderen oder von uns selbst? Trainieren wir mit dem Entscheiden auch das Anführen von Gründen für unsere Entscheidung gegen kritische Einwände? Womöglich umso mehr, je unsicherer die Zeiten werden?

Wie gesagt, das ist erst einmal nur eine spekulative These, die ich natürlich im Verlauf der Diskussion hier hartnäckig verteidigen werde, da ich mich entschieden habe, sie zur Diskussion zu stellen.

Kommentare (38)

  1. #1 rolak
    20. November 2016

    Trainieren wir mit dem Entscheiden?

    Wenn das Entscheiden, wie gerne propagiert und häufig beobachtet¹ mittels des ach so gesunden Menschenverstandes erledigt wird, also auf Basis einer wenn überhaupt dann kaum bekannten, kumulativen DatenBasis mit einem unbewußten, hochkomplexen ad-hoc-Entscheidungs-Regelwerk, dann wird es nicht nur seltsame Attraktoren wie ModeErscheinungen und obskure politische Stimmungslagen geben. Es bedarf zum Stützen einer bei nachträglicher, rationaler Bewertung (euphemistisch) nicht so toller, aber nur unter gefühltem Gesichtsverlust zurücknehmbarer PartialEntscheidungen ein gerüttelt Maß an Selbstrechtfertigung.

    Das ist auch nur spekulativ, wäre aber ein 1A AutoimmunisierungsTraining. Und der imho einzige Unterschied zu den weitgreifenden Regulativa der ‘tradtionellen Gesellschaft’ ist die Größe der sich bildenden Gruppierungen konformen Weltbildes, von deutlich über Familie über die Zeit reduziert auf deutlich unter Familie. Und allein durch die Erhöhung der InteraktionsKomplexitat wird das Ganze deutlich chaotischer, mithin schlechter prognostizierbar.

    Das wiederum führt beim agentenorientierten Menschenverstand zur Neigung zu obskuren Kausalketten aka VT-InfektionsRisiko, was wiederum… ad lib

    _____
    ¹ Zirkelschluß- und confirmation-bias-Risiko, schick, ne?

  2. #2 Alisier
    20. November 2016

    Ich würde eine leicht abweichende Sichtweise vorschlagen:
    Wir müssen uns oft gar nicht entscheiden, aber wir sehen uns immer und überall gezwungen, uns zu entscheiden. Es würde aus meiner Sicht schon helfen, wenn wir manchen Entscheidungshelfern oder -hilfen beizeiten den inneren Vogel zeigen.
    Es ist schlichtweg oft relativ egal, wie wir uns entscheiden: dass es ein Problem darstellt, wird oft lediglich von außen an uns herangetragen.
    Wenn wir freilich unser Hirn mit sinn- und nutzlosen “Fakten” vollmüllen, die überflüssige Entscheidungen möglich machen sollen, bleibt kaum noch Zeit und Platz, uns mit wirklich wichtigen Fakten zu beschäftigen.
    Die Entscheidung müsste also viel früher fallen: ist das etwas, mit dem ich mich jetzt wirklich beschäftigen sollte, oder kann das weg?
    Menschen, die ihre Kapazitäten mit Entscheidungen wie der über die richtige Motorisierung auslasten, tun mir zudem nicht wirklich leid. Sie sind, wie viele andere auch, Konsumtrottel, respektive wurden dazu gemacht.
    Religion ist unwichtig, aber das Leben hängt davon ab, ob ich den richtigen Rasierapparat kaufe…..na toll. Dafür hats also die Aufklärung gegeben.
    Vielleicht könnten wir einfach mal aufräumen, und nicht wie der letzte Messie Pseudofakten horten.
    Velleicht fällt es uns dann auch leichter, uns wirklich wichtigen Entscheidungen zuzuwenden.
    Und dieses Aufräumen ermöglicht es uns dann vielleicht, kritische Einwände sogar zu begrüßen, weil wir sie als Möglichkeit sehen, weiteren Müll zu entsorgen.

  3. #3 Alisier
    20. November 2016

    Nachtrag:
    Das Gefühl ständig entscheiden zu müssen macht vor allem wahnsinnig, und könnte in der Tat zu einer gedanklichen Starr- und Sturheit führen, um wenigstens etwas zu haben, and dem man sich festhalten kann.
    ich vermute allerdings, dass es den meisten Schlicht an Möglichkeiten fehlt, sich aus Denk- und Gesinnungsfallen zu befreien.
    Vielleicht könnte man Seminare zu dem Thema anbieten, die aber vorausichtlich nicht besucht würden, weil ja alle sich für ausreichend kompetent halten….

  4. #4 Markus
    20. November 2016

    Ich glaube nicht, dass die ständige Entscheiderei zu Faktenimmunität führt. Weil alle wahnsinnig schwierigen Entscheidungen wie die richtige Trinkflasche oder der beste Kaffee-Automat werden ja eben genau nicht aus dem Bauch heraus getroffen. Zumindest in meinem Umfeld ist es genau andersherum: selbst der Kauf profaner Dinge wird zu einem wochen- bis monatelangen Prozess hochstilisiert. Man diskutiert mit Freunden, liest das Internet bzw. die halbe Stadtbücherei und informiert sich, wo es überhaupt nur möglich ist. Immer mit dem Ziel, die beste Option zu identifizieren, mit der man dann die ultimative Zufriedenheit und Glückseeligkeit erlangt.

  5. #5 Lemmy
    20. November 2016

    @ Joseph Kuhn
    Nur eine Verständnisfrage zu der These:
    Spielt die Qualität (Wichtigkeit, Folgenhaftigkeit) der häufig zu treffenden Entscheidungen keine Rolle in der erst mal spekulativen These? Oder anders – machen Entscheidungen bzgl des Luxuskaffeeautomaten genauso rechthaberisch wie Entscheidungen wie die bzgl. der Kita für das Kind?

    • #6 Joseph Kuhn
      20. November 2016

      @ Lemmy:

      Gute Frage. Meine Bauchentscheidungsfaktenfreieantwort aus dem schnellen Denken heraus: Ja. Vielleicht müssen wir zu oft über die richtige Trinkflasche entscheiden, um ultimativ zufrieden und glückselig zu sein (um den Kommentar von Markus gleich mitaufzugreifen), darüber beraten wir uns, wägen ab, suchen nach Rat bei der Stiftung Warentest oder bei der Oma – und dann fehlt uns die Kraft, auch noch die wirklich wichtigen Dinge etwas offener anzugehen? Wo ist meine Echokammer zu dieser Frage?

  6. #7 rolak
    20. November 2016

    Wo?

    Ach da müßte es eigentlich ausreichend im Angebot geben, Joseph, es ist doch von so vielen Menschen zu hören, daß sie eine Konkrete losgeworden seien bzw meinen eine unbekannte Befürchtete loswerden zu müssen.
    Andere haben andere Probleme mit ihrer Blase.

    • #8 Joseph Kuhn
      20. November 2016

      “Andere haben andere Probleme mit ihrer Blase.”

      Filterblasensteine?

    • #9 rolak
      21. November 2016

      steine?

      In vielen Formen, Joseph, einige zwacken auf Dauer ziemlich, über andere stolpert man beim Navigieren durch die KomplettRealität.

  7. #10 Chris
    21. November 2016

    Das könnte tatsächlich sein, das wir zu Helden unserer Selbstverwaltung werden (wenn
    sie funktioniert) und daher latentes Oberwasser geniessen.

    Daher fallen Ratschläge, wie ich neulich lesen durfte, die kritisch empfahlen, selber zu denken, als sogenanntes Expertenwissen unreflektiert anzunehmen, möglicherweise auf wenig fruchtbarem Boden, weil die Selbstorganisation des eigenen Lebens schon allerhand Kapazität belegt und so als Beweis dafür herhält, das dieser Rat ja schon erfüllt sei.
    Das die Selbstorganisation aber noch etwas anderes sei, als eine ganze Gesellschaft zu organisieren, das wird einem eher nicht so schnell in den Sinn kommen. Auch scheint das Missverständnis zu bestehen, dass, wenn sich jeder selbstorganisiert, die Geselslchaft dann von alleine reibungslos funktioniert.

  8. #11 MartinB
    21. November 2016

    @Joseph
    Guter Gedanke. Ich denke, was insbesondere hinzukommt ist, dass wir häufig auf der Basis unzureichender Fakten entscheiden müssen (das Problem kennt vermutlich jeder, der schon mal anhand von Online-Bewertungen irgendwas ausgesucht hat…). Und natürlich die Tatsache, dass wir unsere Entscheidungen auch ständig rechtfertigen müssen (Gerade bei Eltern: Aber warum hast du denn dein Kind nicht in den Waldorf-Kindergarten gegeben/es nicht zur musikalischen Früherziehung geschickt/ihm nicht schon im Mutterleib Mozart vorgespielt…?)

    Wobei meiner Ansicht nach ein großer Teil der Entscheidungen (auch bei Menschen, die sich für sehr rationale Entscheider halten) doch aus dem Bauch heraus getroffen wird und die Fakten dann nur dazu dienen, die eigentlich schon getroffene Entscheidung zu rationalisieren.

  9. #12 Szu
    CH
    21. November 2016

    Entscheidung ist Bewegung. Frage nach der Motivation (Beweger) das Ideal. Rechthaberei ist Stillstand.

  10. #13 david
    21. November 2016

    die erklärung ist womöglich neu, das weiß ich nicht, aber das phänomen nicht; dazu gibt es auch genug literatur (und auch empirie). google nach post-decision dissonanc, self-justification, conflict escalation

    • #14 Joseph Kuhn
      21. November 2016

      @ david: Siehe die Links im ersten Absatz des Blogbeitrags. Die Frage war nicht, ob, warum und wie Menschen ihre Entscheidungen rechtfertigen, sondern ob sie es heute vermehrt und vehementer tun als früher, weil sie ständig entscheiden müssen.

  11. #15 Withold Ch.
    21. November 2016

    Gewiss, der erwähnte “Prozess der Individualisierung” ist das eine.

    Das andere kann aus den herrschenden ökonomischen Verhältnissen gefolgert werden, die einen möglichst unbehinderten Markt und wenig regulierten Wettbewerb bedingen.

    Das führt dazu, dass uns zB die Autofirma nicht nur ein “adäquates” Fortbewegungsmittel liefert, sondern auch noch eine Erzählung dazu, eine überhöhenden Mythos.

    In Wirklichkeit aber ein Puzzleteil unter vielen, um unser Selbstbild als erfolgreicher Konsument zu vervollständigen. Eine Anleitung zum “Dasein im Design”.

    Würde das Leben jedoch mehr durch “Planwirtschaft” bestimmt, würde das Kollektiv von der Last des sich ständig Entscheiden Müssens befreit, das Individuum vom Zwang des vorteilssuchenden Abwägens enthoben.

    Dazu würde die aktuelle politische Strömung passen, welche die Sehnsucht nach, oder die Bereitschaft zu, oder das Inkaufnehmen von autoritären Führerfiguren in einem beängstigenden Ausmass eher zu begünstigen als zu verhindern scheint.

    Komischerweise liefert die “digitale Revolution” für beide “Möglichkeiten des Miteinanders” die perfekten Mittel zur totalen Beherrschung (Big Brother).

    Und für das Individuum nicht nur die Befreiung von einem Dasein “im Schweisse seines Angesichts”, sondern auch die Erlösung von der unaufhörlichen, anstrengenden Pflicht des Denkens und kritischer Reflektion.

    Die im Titel zur Diskussion gestellte Pflicht oder Freiheit zu “ständigem Entscheiden” und der daraus abgeleiteten Diagnose der “Rechthaberei” könnten aber auch als Anzeichen von beginnender Verwirrung endzeitlichen, globalen Ausmasses gedeutet werden.

    Alle wüssten zwar, wie es weiter gehen sollte, aber keiner weiss, was auf uns wartet.

  12. #16 Lemmy
    21. November 2016

    Ich spekuliere jetzt auch mal “bauchentscheidungsfaktenfrei”: Es gibt Menschen, die mehr Entscheidungen treffen müssen (dürfen) als andere – die Entscheidungsfreiheit, bzw. Entscheidungsnotwendigkeit ist ist umso höher, je höher die Teilhabe einer Person an den gesellschaftlichen Möglichkeiten ist. (Beispiel aus dem Konsumbereich: Die einen haben die Entscheidungsfreiheit zwischen Aldi und Lidl, die anderen haben die Entscheidungsfreiheit zwischen Aldi und Lidl und Bioladen und Galeria Kaufhof und dem Feinkostlädchen in einer Nische der grünen Ladenstraße).
    Auf der Basis zweier Spekulationen (meiner und der, dass je mehr Entscheidungen jemand trifft, desto rechthaberischer ist er, komme ich zu dem Schluss: Je höher die Teilhabe einer Person an den gesellschaftlichen Möglichkeiten ist, desto rechthaberischer ist diese Person.
    Mein blödes Bauchgefühl sagt mir aber jetzt, dass das Quatsch ist.

  13. #17 rolak
    21. November 2016

    [MartinB:] ..die Fakten dann nur dazu dienen, die eigentlich schon getroffene Entscheidung zu rationalisieren

    Das Tolle an solchen posthumen Begründungen ist, daß es in vielen [auch direkt erlebten] Fällen schon ausreicht, wenn die angeführten Unterstützungen sich nur so anfühlen, als wären es rechtfertigende Fakten. Häufig sind solche wackelig unterstützten Wackler daran erkennbar, daß auf konkretisierende Nachfrage ein ‘Du willst mir das madig machen, ne?’ oder ‘Da bist Du einfach nicht aufgeschlossen genug für!’ oder dergleichen in den Raum gestellt wird.

  14. #18 lindita
    21. November 2016

    Ich weiss von mir, sobald ich etwas verantworten muss, werd ich rechthaberisch gegenüber denen, die keine Konsequenzen zu veratworten haben, aber frei sind Entscheidungen zu treffen. Und da auf meiner Stirn steht “bist nicht zufrieden? – hier geht’s lang” , dann geht es nicht anders als engstirnig etwas durchzusetzen.

    Die Banken bieten Packete an, etwas platzt, Menschen Verantworten – Banken nicht.

    Teppichreiniger wird zum Himmel gepreist. Da zahlst du was, es gibt keine Wirkung. Wer verantwortet?

    Mit der Zeit fühlt man für alles und jedes eine Verantwortung. Du kannst mir ja viel erzählen, aber übernimmst auch die Verantwortung, wenn etwas bei mir nicht klappt, nein? Dann bleib mir fern mit deiner Meinung.

    Und erst dann kommt der Zwang die beste Entscheidung zu treffen, weil Mitleid kriegst du nicht mehr, du bist selbst für dein Leben verantwortlich.

  15. […] ständiges Entscheiden rechthaberisch? Gesundheits-Check am 20. November […]

  16. #20 DH
    21. November 2016

    Vielleicht haben wir auch bei Entscheidungen ein Verteilungsproblem.
    Die Freiheit über die eigenen Arbeitsbedingungen auch nur mitentscheiden zu können , gilt für immer weniger Leute , defacto , nicht formell.
    Wegen sozialer Schwäche der Einen , aber auch wegen des immer höheren Drucks im Mittelstand , was miteinander zusammenhängt.
    Und andere spüren keinerlei Konsequenzen mehr aus ihren Entscheidungen und Haltungen , indita hat das zurecht angesprochen.

    Und “Individualisierung”?
    Florian Schröder , Kabarettist , hat das mal in etwa so ausgedrückt:
    Individuell sein , das heißt heute , entscheiden zu können , ob du bei starbucks die Kaffeegröße “venti”oder ” grande” wählen darfst.

  17. #21 user unknown
    https://demystifikation.wordpress.com/2016/11/22/vorsicht-vor-ismen/
    23. November 2016

    Etwas entscheiden und sich rechtfertigen sind zwei nur schwach miteinander verbundene Prozesse. Ich entscheide mich auch ständig aber ich muss mich nicht dafür rechtfertigen.

    Wenn ich aufgefordert werde, mich zu rechtfertigen, kann ich das oft zurückweisen. Wem bin ich denn Rechenschaft schuldig?

    Wenn ich jmd. Rechenschaft schuldig bin, kann ich sagen, dass ich mich so entschieden habe, aber auch hätte anders entscheiden können.

    Rechthaberisch bin ich, wenn ich etwas besser weiß, und ein anderer das nicht einsehen will.

  18. #22 Robert
    23. November 2016

    kurze Anmerkung zu ständigen Entscheidungen.
    Wenn ich die Wahl zwischen Butter oder Margarine als Entscheidung ansehe, dann findet hier eine Inflation bei dem Begriff “Entscheidung” statt.
    Ein Richter muss auch jeden Tag entscheiden, das hat dann Auswirkungen auf Andere und auf auf ihn selbst. Mich würde interessieren, ob Richter oder Lehrer rechthaberischer sind als der Durchschnitt.

    • #23 Joseph Kuhn
      23. November 2016

      @ Robert:

      “Wahl zwischen Butter oder Margarine … Inflation bei dem Begriff “Entscheidung”

      Hier soll es um die Frage gehen, ob die Inflation der Entscheidungen Folgen hat. Nehmen Sie statt Butter oder Margarine die Studienwahl, die richige Krankenversicherung oder größere Geldanlagen. Dann wird es lebenswichtiger.

      “Ein Richter muss auch jeden Tag entscheiden …”

      Entscheidet er im Gerichtssaal auch wie wir im Alltag oft unter großer Unsicherheit? Oder wird er vom Recht geleitet, kann daher seine Urteile meist gut durch das Recht begründen und muss daher gar nicht “rechthaberisch” werden? Ich weiß es nicht.

      “Lehrer”

      Eine andere völlig Sachlage: Der Lehrer hat bekanntlich immer recht. Er weiß es nicht besser. (Sorry, liebe Lehrer und Lehrerinnen, ihr habt einen harten Job, aber …)

  19. #24 Lemmy
    24. November 2016

    @ Josef Kuhn
    Viele Entscheidungen trifft man ja nur, wenn man viele Alternativen hat, bzw. die Alternativen, die man hat, auch wahrnimmt.
    Finden Sie, das z. B. Pegida-Prolls nicht rechtaberisch oder doch rechthaberisch sind, obwohl bzw. weil sie nicht besonders viele Alternativen sehen (im weltanschaulichen Sinn nur nationalistisch oder rotgrünversifft) oder kaum Alternativen haben (im wirtschaftlichen Sinn – also nur Lidl oder Aldi).
    Und wenn man dafür arbeiten würde, dass die mehr Alternativen (mehr Entscheidungsmöglichkeiten) hätten und wahrnehmen könnten, würden die dadurch rechhaberisch(er)?

    Oder sind die wie die Lehrer: “Eine andere völlig Sachlage: Der Lehrer hat bekanntlich immer recht. Er weiß es nicht besser.”

  20. #25 Laie
    24. November 2016

    Kann Schwarmintelligenz fürs richtige Entscheiden helfen? 🙂

  21. #26 Robert
    24. November 2016

    Kuhn,
    ….Infaltion der Entscheidungen und ihre Folgen
    soll das heißen, das wir überfordert wären. Oder soll das heißen, dass wir leichtfertiger , weil schneller entscheiden müssen.
    Vielleicht ist das, was wir Alltagsstress nennen, dieses ständige “Auf der Hut sein” damit gemeint.

    Laie,
    wer dem Mainstream hinterherläuft macht nicht viel falsch aber auch nicht viel richtig.

  22. #27 Ursula
    24. November 2016

    @Robert

    wer dem Mainstream hinterherläuft…

    Vielleicht habe ich ja bei dir Glück, aber ich hätte gerne erklärt, was du als Mainstream wahrnimmst. Derzeit habe ich den Eindruck die Anzahl der “AntiMainstreamler” (Selbstdefintion derer, die gegen den Mainstream wettern) ist rasant gestiegen, so dass der AntiMainstream selbst zum Mainstream geworden ist.
    Zweite Frage: Bist du wirklich ständig “auf der Hut”? Wenn ja warum und wovor? Ich kann mich da wirklich nicht einfühlen!

  23. #28 tomtoo
    24. November 2016

    @joseph
    Zu deiner Eingangsfrage:
    Würde das dann nicht auch implizieren das ältere(überalterung und so) Gesellschaften eher zum rechthabiegerem Sein neigen ? Hatten die Menschen in ihrem Sein, ja öfters zu entscheiden ?

    • #29 Joseph Kuhn
      25. November 2016

      @ tomtoo:

      Es könnte aber auch sein, dass Dein Argument die gleiche Stringenz hat wie die These, Ältere neigen zu Adipositas, weil sie im Laufe ihres Lebens mehr Zeit hatten, zu essen.

  24. #30 Laie
    24. November 2016

    @Robert
    Ja, das kann stimmen. Man muss sich ja nicht den Mainstream-Schwarm aussuchen. Hier im Forum gibt es auch immer wieder interessante Ideengeber! 🙂

  25. #31 Robert
    24. November 2016

    Ursula,
    du hast Recht, mainstream ist nur ein Schlagwort.
    Ich meine, wenn sich jemand teure Sneakers kauft, weil die Clique die auch hat. Wenn jemand über Donald Trump wettert, obwohl er gar nichts über ihn weiß. Nur weil es gerade” in” ist gegen Donald Trump zu sein.
    Damit meine ich Leute, die sich keine eigene Meinung gebildet haben, sondern das meinen, was gerade die anderen meinen.
    Da eckst du nicht an, du bist nur Fisch, der mit allen mitschwimmt.
    Das Gegenteil ist einer, der sich eigene Gedanken macht und die auch vertritt, auch wenn es ihm Nachteile bringt.
    In der Mode sind das Trendsetter, in der Politik nennt man sie Querdenker.

  26. #32 Robert
    24. November 2016

    Nachtrag zu “auf der Hut sein”.
    Das ist keine Paranoia. Wenn du übereilt einen Handyvertrag unterschreibst und nicht das Kleingedruckte gelesen hast. Dann ärgerst du dich hinterher und bist wachsam. Du glaubst nicht mehr, was der Mensch von der Telefongesellschaft dir erzählt.
    Du gehst in den Supermarkt und denkst, das ist aber günstig und kaufst die Packung. Zu Hause stellst du fest, dass die Packung nicht mehr 60 Erkältungskapseln enthält , sondern nur noch 40. Jetzt hast du die Wahl dich zu ärgern oder du nimmst dir vor, nächstes Mal genauer hinzuschauen.
    Wer sich da nicht ärgert, der hat ein sonniges Gemüt.

  27. #33 Robert
    24. November 2016

    Laie,
    interessante Ideen,
    deswegen beteilige ich mich an den verschiedensten Blogs.
    Man lernt hier in kurzer Zeit mehr als aus 20 Büchern.

  28. #34 Laie
    24. November 2016

    @Robert,
    ja, die Dynamik eines lebendigen Forums ist spannender als Bücher zu lesen. Vorteilig kann sein auf Erfahrung anderer zurückgreifen zu können – sowas geht auch nur mit Kommunikation.

    Anm:(Natürlich kommt es wieder auf das jeweilige Buch/Forum usw, das man gerade nicht liest, das die Zeit zu investieren besser gewesen wäre, als seine Zeit mit Forumsteilnehmern zu verwenden, kann auch vorkommen.)

  29. #35 Robert
    25. November 2016

    Laie,
    am besten man macht beides.
    Von den “Fachleuten” kann man am meisten lernen. Man kann seine Rhetorik verbessern, man lernt mit Rechthabern umzugehen und man sieht auch seine eigenen Grenzen.
    Die Sichtweise von weiblichen Teilnehmern erweitert den Horizont.
    Ich weiß jetzt nicht was dein Fachgebiet ist, Naturwissenschaften oder Geisteswissenschaften.
    Ein guter Kompromiss aus beiden ist das Buch von Douglas R. Hofstadter, der in den 80 Jahren für das Buch “Gödel, Escher, Bach” den Pulitzer Preis bekommen hat. Wenn du dieses Buch gelesen hast, kann dir niemand mehr etwas vormachen. weder in Philosophie noch in Physik.
    Schau mal im Internet nach!

  30. #36 Robert
    26. November 2016

    Kuhn,
    …..hat die Inflation der Entscheidungen Folgen?
    Ja, hat sie, im positiven Sinne. Entscheiden müssen schafft Selbstvertrauen.
    Wer Selbstvertrauen hat, lässt sich so schnell nichts mehr vormachen.
    Das kann rechthaberisch wirken, zum Rechthaber/in
    ist da aber noch ein großer Abstand.
    “rechthaberisch werden” als Charaktereigenschaft, das wäre überzogen.

  31. #37 Primergy
    28. November 2016

    Faktenimmune Rechthaberei und Verschwörungstheorien gab es auch früher (vgl. Lenin, Hitler et al.). Insofern zieht die Hypothese, dass unsere Zeit grundsätzlich irgendwie ‘komisch’ ist und erklärungsbedürftig ist, bei mir (noch) nicht.

    Das weiter gedacht, kann man aber auch dem Internet nicht die Schuld dafür geben, schließlich konnte man früher auch schon Menschen für krude Ideen begeistern.

    Daher überspitze ich mal und schiebe die Schuld unserem “Bildungs”system zu. Jeder bekommt Wissen eingetrichtert, aber nicht die wissenschaftstheoretischen Überlegungen, was ‘Wissen’ eigentlich ist.
    Die Unis sind überschwemmt mit Studiengängen, die mit Wissenschaft nur noch begrenzt etwas zu tun haben und spucken Studenten aus, die zwar Wissen haben, aber keine Bildung. Und Bildung verstehe ich als Fähigkeit, sich selbst zu reflektieren und die Beschränktheit seiner Erkenntnis anzuerkennen. Aber wenn in manchen Fächern die Abschlussarbeit die erste wissenschaftliche Arbeit ist – wann und wo sollen denn die Menschen noch die Basics in Reflexion und Argumentation lernen, wenn nicht mal mehr an der Uni?

    Sehr viele Menschen haben jetzt Zugang zu unendlich viel Wissen, aber keine Ahnung, was sie damit anfangen sollen. Wie sagte Nietzsche angeblich mal:

    “Dass Jedermann lesen lernen darf, verdirbt auf die Dauer nicht allein das Schreiben, sondern auch das Denken.”

  32. #38 Laie
    5. Dezember 2016