Eigentlich nicht. Seit ich mir im Juni auf der Seite der AfD Bayern die gesundheitspolitischen Einträge dort angesehen habe, sind gerade mal zwei dazu gekommen. Ein Eintrag vom 7.6.2016 wendet sich gegen Anträge der GRÜNEN und LINKEN im Bundestag zur Neuregelung des Krankenversicherungsschutzes für Asylbewerber, ein Eintrag vom 5.8.2016 greift das Thema noch einmal auf und sieht die gesetzliche Krankenversicherung zusammenbrechen.
Beide Einträge haben bundespolitische Fragen zum Thema, landespolitisch hat die AfD Bayern ersichtlich nach wie vor nichts zu bieten. Der zweite Eintrag lohnt dabei trotzdem einen zweiten Blick, auch wenn er schon eine Weile zurückliegt. Es ist eine Pressemitteilung mit einem Statement von Alice Weidel, der frischgekürten Spitzenkandidatin der AfD Baden-Württemberg für den Bundestagswahlkampf 2017.
Alice Weidel hat bei dem Anfang 2015 verstorbenen Gesundheitsökonomen Peter Oberender studiert, der für eine stärkere marktwirtschaftliche Orientierung im Gesundheitswesen eintrat, die paritätische Finanzierung der Krankenversicherung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer kritisierte (d.h. den Arbeitgeberbeitrag abschaffen wollte) und zuletzt durch degoutante Äußerungen zum Organhandel in den Medien war: man solle es Menschen mit Geldsorgen doch nicht verbieten, ihre Organe zu verkaufen.
Alice Weidel wird in dem Eintrag bei der AfD Bayern wie folgt zitiert:
„Alle Asylbewerber, also auch geduldete Personen, werden in Deutschland gesetzlich krankenversichert. Bei über einer Million Menschen – Familienachzug nicht mitgezählt – klingt die Aussage aus Politik und Krankenkassen, das werde keine Auswirkungen auf die Beiträge haben, wie ein schlechter Scherz.“
Das „n“ im Familiennachzug fehlt im Original, ich habe das so stehen lassen, damit es nicht noch heißt, ich stelle das Statement falsch dar. Richtig ist natürlich, dass die Krankenversorgung der Asylbewerber Geld kostet, genauso wie ihre Unterkunft und ihre Verpflegung. Wenn man das nicht aufbringen will, soll man das offen sagen. Alice Weidel sagt das nicht so offen, aber sie zielt mit ihrem Statement darauf ab, die Neiddiskussion nach unten zu befeuern. Haben uns früher die Ausländer die Arbeitsplätze weggenommen, danach die Frauen, sind es jetzt unsere Krankenkassenbeiträge.
Die Ökonomin Alice Weidel weiß, wovon sie spricht, sie spricht aber nicht davon, was sie weiß:
1. Asylbewerber sind nicht einfach „gesetzlich krankenversichert“. Sie erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Diese Leistungen sind in den ersten 15 Monaten eingeschränkt (§§ 4 und 6 AsylbLG) und werden häufig noch über Sonderberechtigungsscheine abgewickelt, danach entspricht der Leistungsumfang dem in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 AsylbLG) und wird für alle über die Krankenkassen organisiert. Die Kosten werden den Krankenkassen zunächst durch die Kommunen und die Länder erstattet, nach den 15 Monaten durch den Bund. Die pauschalen Beiträge des Bundes decken die Kosten nicht – ähnlich wie übrigens bei den Hartz-4-Empfängern. Daher bekommen die Krankenkassen jetzt zusätzlich Geld aus dem Gesundheitsfonds (siehe unten).
2. Alice Weidel spricht von „über einer Million Menschen“, plus Familiennachzug. Da wird es jedem erst mal Angst und Bang. Das ist die Absicht. Dem Statistischen Bundesamt zufolge bezogen Ende 2015 975.000 Menschen Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Das spiegelt die einmalige Situation des Jahres 2015 wider. 2014 waren es 363.000 Fälle und in Zukunft werden es auch wieder weniger als eine Million sein. Auch erhielten nicht alle 975.000 Regelleistungsbezieher Leistungen im Krankheitsfall: 339.512 Personen bezogen 2015 „besondere Leistungen“ nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, in dieser Gruppe sind diejenigen enthalten, die Leistungen im Krankheitsfall benötigt haben. Die Leistungssumme für die „besonderen Leistungen“ insgesamt betrug 2015 ca. eine Mrd. Euro.
3. Die Überschrift des Statements von Alice Weidel behauptet: „Krankenkassen brechen bereits jetzt zusammen“. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums betrugen die Finanzreserven der gesetzlichen Krankenversicherung zum Jahreswechsel 2015/2016 immer noch 24,5 Mrd. Euro, davon lagen ca. 10 Mrd. Euro in der Liquiditätsrerserve des Gesundheitsfonds. Das wird nicht so bleiben, aber es bricht im Moment auch nichts zusammen.
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