In der aktuellen Ausgabe von „Gesundheit und Gesellschaft“ ist ein Interview mit Reinhard Busse, Professor für Management im Gesundheitswesen an der TU Berlin, in dem er dafür plädiert, die Zahl der Krankenhäuser in Deutschland drastisch zu verringern. Hintergrund ist die Stellungnahme der Leopoldina „Zum Verhältnis von Medizin und Ökonomie im deutschen Gesundheitssystem“, die schon im letzten Oktober veröffentlicht wurde und sich ebenfalls für weniger Krankenhäuser aussprach. Reinhard Busse war Mitautor der Stellungnahme.
Im Jahr 2015 gab es 1.956 Krankenhäuser in Deutschland. In den vergangenen 25 Jahren ist die Zahl der Krankenhäuser um ca. 20 % gesunken, aber im internationalen Vergleich gibt es hierzulande noch immer viele Krankenhäuser. Bei der OECD sind online internationale Vergleichsdaten zur Zahl der Allgemeinen Krankenhäuser verfügbar. 2015 gab es in Deutschland 1.619 Allgemeine Krankenhäuser (hier werden die „sonstigen Krankenhäuser“, vor allem psychiatrische Kliniken, nicht mitgezählt). Die Tabelle zeigt die Zahl dieser Allgemeinen Krankenhäuser je 1 Mio. Einwohner/innen im Ländervergleich für das Jahr 2013. Deutschland liegt in der Spitzengruppe.
Deutschland liegt in der Spitzengruppe. Aber ist das gleichbedeutend mit einer qualitativen Spitzenversorgung? Ein Vorteil bei einer großen Zahl an Krankenhäusern ist zweifellos, dass die Wegezeiten kurz sind. Je nachdem, wie das Rettungswesen ausgebaut ist, können kurze Wege Leben retten. Auf der anderen Seite verteilen sich so auch Fälle, die durch Spezialisten behandelt werden müssen oder einen besonderen apparativen Aufwand benötigen, auf viele Häuser, die das oft nicht gewährleisten können. Und wer möchte beispielsweise, dass sein frühgeborenes Kind in einer Klinik ohne Routine in der Intensivpflege versorgt wird, oder ein hirnchirurgischer Eingriff von einem Arzt vorgenommen wird, der das alle zwei Monate einmal macht. Mit dem medizinischen Fortschritt nehmen die Einsatzfelder zu, bei denen eine spezialisierte Versorgung Standard sein sollte.
In der Leopoldina-Stellungnahme wird das thematisiert und Reinhard Busse wiederholt das jetzt noch einmal. Er sagt, eigentlich würden 300 bis 400 Krankenhäuser in Deutschland reichen. Die Zahl wurde aus der Krankenhausdichte Dänemarks abgeleitet. Er plausibilisiert die Zahl am Beispiel der Herzinfarktversorgung: „Für eine optimale Versorgung der täglich 600 Fälle sollte Tag und Nacht die technische und personelle Ausstattung stimmen. Damit das Vorhalten dieses Apparats wirtschaftlich Sinn macht, bräuchte es je Klinik zwei Fälle pro Tag.“ Ergibt nach Adam Riese 300 Krankenhäuser. Die aktuelle Struktur sei zwar bequem für die Angehörigen, weil wohnortnah, aber schlecht für die Versorgungsqualität. Reinhard Busse schlägt vor, die eigentlichen Krankenhausleistungen zu zentralisieren, dort die Liegedauern zu verkürzen und die pflegerische Nachbetreuung dann wohnortnah in Gesundheitszentren vorzunehmen.
Ob die Rechnung wohl aufginge?
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