Vor kurzem hatten wir hier auf Gesundheits-Check schon einmal darüber diskutiert, was die Einführung der Bürgerversicherung für den Arbeitsmarkt bedeutet. Anlass war eine Studie des Berliner IGES-Instituts im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans Böckler-Stiftung, nach der 42.500 Menschen direkt bei der privaten Krankenversicherung (PKV) beschäftigt sind, zusammen mit dem der PKV zuzurechnenden Personal der Versicherungsagenturen geht es um 68.000 Beschäftigte. Das kann man mit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vergleichen und je nachdem, was man da genau vergleicht, erscheint die GKV effizienter oder die PKV, was bei einem Ende der PKV einen Beschäftigungsabbau bedeuten würde oder eben nicht. Interessant wäre dabei übrigens auch, wenn man bei der GKV anteilig noch das Personal der Kassenärztlichen Vereinigungen einrechnen würde und bei der PKV das der Beihilfestellen, oder die privat von den Versicherten für die Abrechnungssteinzeit mit Papierformularen und Rechnungskopien aufgebrachte Zeit. Aber das Grundproblem ist auch so schon klar: Vergleiche zwischen PKV und GKV haben es in sich. Spätestens wenn es, wie jetzt im Vorfeld der Bundestagswahl, wieder um das Thema Bürgerversicherung geht, wird dabei scharf geschossen. Die erste IGES-Studie hat übrigens durchaus auch Gefallen bei der PKV gefunden.
… und noch eine Studie
IGES hat dann, diesmal im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung, noch eine Abschätzung der Folgen der Bürgerversicherung für die öffentlichen Haushalte nachgelegt. Diese wurde von der PKV heftig kritisiert – IGES kam zum Ergebnis, dass die öffentlichen Haushalte langfristig ohne PKV besser fahren. Gefährlich, wenn da die Finanzminister auf dumme Gedanken kommen …
… und noch eine
Jetzt hat das WifOR-Institut aus Darmstadt die Beschäftigungs- und Wertschöpfungseffekte der PKV als Finanzier von Leistungen untersucht. Demnach sorgt das Geld der PKV direkt oder vermittelt für 589.170 Erwerbstätige in Deutschland, allein die Mehrausgaben gegenüber der GKV würden 303.048 Erwerbstätige schaffen. Diese Zahlen wirken wie Honig für Arbeitsmarktpolitiker – und so sind sie wohl auch gedacht: Auftraggeber der Studie ist die PKV. Darüber, dass das Geld der PKV aus Versichertenbeiträgen aufgebracht wird und somit, ginge es nicht zur PKV, eben für andere Konsumausgaben zur Verfügung stünde, oder dass die segensreichen Mehrausgaben aus Arbeitgebersicht sogar als unnötige Lohnkosten betrachtet werden könnten, könnte man natürlich auch reden, aber das stört das schöne Bild dann schon wieder.
Aus den vorliegenden Publikationen sind die genauen Rechenwege nicht nachvollziehbar und ich würde sie vermutlich auch nicht ohne Weiteres verstehen, aber ich bin sicher, in die Rechnung gehen viele Annahmen und Gewichtungen ein, die einen großen Spielraum für alternative Ergebnisse eröffnen. Die ausgewiesene Genauigkeit mag als ungerundetes Resultat durchgehen, das findet man auch andernorts oft, aber sie suggeriert natürlich auch eine Exaktheit und Verlässlichkeit der Berechnungen, die man wohl ohne nähere Einsicht in das Rechenwerk als trügerisch bezeichnen darf.
… und dann?
Ich bin gespannt, wann jemand den Weg des Geldes der PKV noch etwas weiter durch den Wirtschaftskreislauf verfolgt und zum Ergebnis kommt, dass wir alle von der PKV finanziert werden. Gut, das war jetzt etwas polemisch. Aber der Streit der Studien, beauftragt von einflussreichen und interessierten Playern, wird sicher weitergehen. Es geht um einen Milliardenmarkt, um Einkommen, um Gewinne, um Arbeitsplätze – und damit auch um die Deutungshoheit über die Welt der Zahlen. Das muss nicht zum Schluss führen, dass man keiner Statistik trauen soll: Im Zusammenspiel der verschiedenen Studien und der Kritik daran schärft sich mit etwas Glück trotzdem das Bild der Sache selbst – Mitdenken ist dazu allerdings nötig.
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