Eine lange, aber wichtige Vorbemerkung, 28.3./31.3.2017:
Dieser Beitrag wurde gegenüber seiner Erstfassung vom 24.3.2017 überarbeitet, weil ich die ICD-Kategorie „Hypothermie“ nicht berücksichtigt hatte. Asche auf mein Haupt. Umgangssprachlich könnte man annehmen, dass die Kategorie „Erfrierungen“ in der medizinischen Statistik alle Menschen umfasst, die aufgrund von Unterkühlung behandelt werden mussten oder daran gestorben, also erfroren sind. Das hatte ich naiverweise auch angenommen und gar nicht mehr nach anderen ICD-Codes gesucht. In der medizinischen Terminologie unterscheidet man aber lokale Kälteschäden, die „Erfrierungen“ (T33-35), und Kälteschäden des ganzen Körpers, die „Hypothermien“ (T68). Die T68-Fälle sind dabei die weitaus größere Gruppe. Es gibt daneben noch eine Reihe anderer ICD-Ziffern für Kälteschäden, z.B. sonstige Schäden durch niedrige Temperatur (T69), Hypothermie nach Anästhesie (T88.5) oder Hypothermien, die nicht in Verbindung mit niedrigen Umgebungstemperaturen stehen (R68.0), die aber thematisch und von den Fallzahlen her hier keine Rolle spielen. Gegenüber der Ursprungsversion wurde der Artikel um die Daten der T68-Fälle ergänzt. Das ist beim eventuellen Nachlesen der ersten 70 Kommentare zu berücksichtigen.
Deutschland ist ein reiches Land. Dass Menschen aus materieller Not im Winter erfrieren müssen, sollte hierzulande nicht vorkommen. Es kommt aber vor. Die Todesursachenstatistik erfasst Erfrierungen unter der ICD-Diagnosegruppe T33-35 und Hypothermien (Unterkühlungen) unter T68, gibt aber über die parallele Klassifikation nach äußeren Ursachen nur rudimentär Auskunft über die Art der äußeren Einwirkung. 16 der 20 Sterbefälle infolge von Erfrierungen im Jahr 2015 sind dort unter der Rubrik „Exposition gegenüber Naturkräften“ subsummiert, ebenso wie 59 der 125 Sterbefälle infolge von Hypothermie. Ein Teil davon sind Obdachlose, die im Freien oder in Abrisshäusern übernachten und erfrieren, darüber sagt die Statistik jedoch nichts aus.
Die Krankenhausstatistik verzeichnete im gleichen Jahr 155 Fälle, die stationär aufgrund einer Erfrierung behandelt werden mussten und 1.256 Fälle mit Hypothermie. Interessant ist wenn man den Trend der Erfrierungen als Indexdarstellung abbildet. Die Kurven der Krankenhausfälle und der Sterbefälle infolge von Erfrierungen verlaufen nahezu parallel. Dass man es mit einer „spurios correlation“ zu tun hat, ist nicht ausgeschlossen, aber eher unwahrscheinlich. Wie mögen wohl die beiden Gipfel 2010 und 2012 zu erklären sein? Gab es da besonders kalte Wintertage? Gibt es andere Erklärungen?
Auch die Kurven bei den Hypothermiefällen verlaufen übrigens parallel, die Zunahmen 2010 und (deutlich schwächer) 2012 zeigen sich auch hier, außerdem ein Tief 2003, das es bei den Erfrierungen nicht gibt:
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