Seit vorgestern ist der Entwurf des Wahlprogramms der FDP online. Unter der Überschrift “Der Patient im Mittelpunkt” (Männer, auf euch kommt es an!) gibt es ein Kapitel zur Gesundheitspolitik. 4 von 82 Seiten. Die FDP folgt darin gesundheitspolitisch ihrer alten Tradition als Klientelpartei. Gut, für die Fast-Drei-Prozent-Partei ist das vielleicht die einzige Chance, wieder in den Bundestag zu kommen.

Der erste Abschnitt heißt “Mehr Wettbewerb zwischen den Krankenkassen”. Dabei geht es nur um die gesetzliche Krankenversicherung, obwohl es ausgerechnet hier wirklich Wettbewerb gibt. Aber „gesetzliche“ Krankenversicherung ist für die FDP vermutlich schon vom Wort her gleichbedeutend mit Staatsmedizin und Wettbewerbsferne. Der Wettbewerb in der PKV wird kurz im nächsten Abschnitt “Freie Wahl der Krankenversicherung” angesprochen, dessen zentraler Punkt die Verteidigung der PKV ist. Immerhin: Die FDP sieht Reformbedarf bei der Mitnahme der Altersrückstellungen beim Versicherungswechsel. Die wettbewerbsfeindliche Geiselnahme der PKV-Versicherten durch die Altersrückstellungen kritisiert selbst die Monopolkommission in ihrem Sondergutachten “Stand und Perspektiven des Wettbewerbs im deutschen Krankenversicherungssystem“ vom 7. März 2017. Da konnte die FDP wohl nicht ganz daran vorbei. Weiter fordert die FDP für diejenigen, die sich jung und gesund die Solidarität in der GKV sparten und alt und krank die Prämien in der PKV nicht mehr zahlen können oder wollen: “Es muss aber auch Rückwege aus der PKV in die GKV geben”. Dafür dürfen dann die anderen aufkommen.

Es folgt ein Abschnitt “Abschaffung der Budgetierung”. Der zielt wieder auf die GKV. Fragt sich, was die Arbeitgeber dazu sagen, denn das wird ganz sicher beitragswirksam. Aber bei der Finanzierung der GKV gibt es ja im Vergleich zur früher paritätischen Finanzierung durch Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite derzeit eine Schieflage zuungunsten der Arbeitnehmer, damit Beitragssteigerungen vor allem die Arbeitnehmer treffen. Das will die FDP nicht antasten. Insofern tragen die Arbeitgeber die Aufhebung der Budgetierung vielleicht als Solidarbeitrag zur FDP mit.

Es folgen zwei kurze Abschnitte zur Pflege, dann erwartungsgemäß einer zur Förderung der Apotheken (wer auch immer das bezahlen soll), mit etwas Eiertanz zum Apotheken-Versandhandel, dann noch ein Abschnitt zum Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung, einschließlich der Forderung, § 217 StGB mit der Strafandrohung bei geschäftsmäßiger Förderung der Selbsttötung wieder abzuschaffen. Ein schwieriges Thema, bei dem „Freiheit“ nicht einfach allein durch die Abschaffung einer Strafrechtsnorm zu gewinnen ist.

Den Abschluss des gesundheitspolitischen Kapitels bildet die Forderung nach kontrollierter Freigabe des Cannabiskonsums. Warum das im Abschnitt Gesundheitspolitik steht, sei dahingestellt. Aber wer weiß, wenn von den FDP-Gesundheitspolitikern einer mal was raucht, muss es nicht schaden.

In einem anderen Kapitel spricht die FDP unter der Überschrift „E-Health“ das wichtige Thema Digitalisierung im Gesundheitswesen an, und, warum auch immer hier, die wohnortnahe Versorgung, die unverzichtbare Rolle der Ärzte und in einem Halbsatz auch den demografischen Wandel.

Alles andere, was gesundheitspolitisch ansteht, fehlt. Kein Wort zur Prävention, der Flüchtlingsversorgung, der Gesundheitsforschung, zu Patientenrechten, natürlich nicht zum ÖGD oder irgendwelchen Public Health-Themen. Der Entwurf des Wahlprogramms ist noch zu sehr auf Mövenpick-Partei-Niveau. Bitte nachbessern, da geht auch auf liberaler Basis noch was!

Kommentare (30)

  1. #1 Robroy
    2. April 2017

    Ihr könntet euch wenigstens bemühen, den Namen der Partei richtig zu schreiben.

    • #2 Joseph Kuhn
      2. April 2017

      “den Namen der Partei richtig zu schreiben”

      O wie peinlich. Ist korrigiert. Absicht war es nicht. Der pluralis majestatis wäre nicht nötig gewesen.

  2. #3 RPGNo1
    2. April 2017

    Wenn ich die hier skizzierten Vorstellungen der FDA zu Gesundheit betrachte, dann fällt mir momentan nur eines ein: Chance vertan.
    Die FDP scheint aus den ihren Chaosjahren in der Regierung 2009 – 2013 und dem darauf folgendem Absturz nichts gelernt zu haben. Wohin sie reine Klientelpoltik gebracht hat, kann kann gut an der Ära Westerwelle/Rösler erkennen, nämlich ins Nirvana.
    Schade, denn ich bin der Meinung, dass eine bürgerlich-liberale bis sozial-liberale Partei in Tradition von Heuss, Scheel, Baum, Genscher in den Bundestag gehört.

  3. #4 Mars
    2. April 2017

    bei 3% machts bei 3 buchstaben kaum unterschied
    – tausche ein F gegen ein P

    und Cannabis steht da, weil es gesundheitlich eine gute wirkung auf manche symptome von MS und div. krebsarten hat, besonder in der schmerzbehandlung.
    es gibt sogar gute ergebnisse mit den nicht ‘high’ machenden bestandteilen und einige patienten schätzen dies
    ob das die FDP so meint ???
    solange kinder (und die meisten erwachsenen) noch nicht richtig vor tabak und alkohol geschütz werden ist das eine sehr scheinheilige debatte.

    du selbst bist ja oben im Blog mit einem ‘gesundheitsfördernden’ glas wein zu sehen
    also wenn man schon im glashaus sitzt …..
    nix für ungut

    • #5 Joseph Kuhn
      2. April 2017

      @ Mars:

      “tausche ein F gegen ein P”

      Oder besser ein P gegen ein D? Ist schon erledigt. Weiß auch nicht, was da in mich gefahren war. Geraucht habe ich nichts, auch sonst keine psychotropischen Substanzen. Freud würde vielleicht sagen, da drängte die SPD aus dem Unbewussten nach oben, sie versucht ja im Moment mit allen Mitteln Aufmerksamkeit zu erregen.

      “Cannabis steht da, weil es gesundheitlich eine gute wirkung auf manche symptome von MS und div. krebsarten hat, besonder in der schmerzbehandlung”

      In dem Kontext wäre der Abschnitt im Gesundheitskapitel völlig richtig verortet. Ich wollte aber auch die Position der FDP zur Liberalisierung des Cannabiskonsums gar nicht kommentieren, habe mich eben nur gewundert, warum das im Gesundheitskapitel steht. Vermutlich, weil man die potentiellen Steuereinnahmen für die Suchtprävention verwenden will. Ihr Hinweis auf die Probleme beim Schutz von Heranwachsenden vor Tabak und Alkohol ist völlig richtig, beide Stichwörter fehlen übrigens im Wahlprogramm.

      “wenn man schon im glashaus sitzt”

      Aus dem Glashaus heraus kann man ganz gut beobachten.

  4. #6 Ludger
    2. April 2017

    Zehn mal FPD, ein mal FDP. Starkbier nicht vertragen?

    • #7 Joseph Kuhn
      2. April 2017

      @ Ludger:

      😉

      Immerhin: Es gibt eine FPD. Die “Freiheitliche Partei Deutschlands”, wie Wikipedia weiß, “eine deutsche Kleinpartei mit Landesverbänden in Sachsen und Sachsen-Anhalt”. Das weiß ich nun auch.

  5. #8 Ludger
    2. April 2017

    Joseph Kuhn:
    “§ 217 StGB mit der Strafandrohung bei geschäftsmäßiger Förderung der Selbsttötung wieder abzuschaffen. Ein schwieriges Thema, bei dem „Freiheit“ nicht einfach allein durch die Abschaffung einer Strafrechtsnorm zu gewinnen ist.”

    Die juristische Begründung kann man bei “Fischer im Recht” nachlesen ( https://www.zeit.de/gesellschaft/2017-02/sterbehilfe-vom-leben-und-vom-tod-fischer-im-recht/seite-2 )

    Fischer:
    “Bestraft (bis drei Jahre Freiheitsstrafe) wird, wer einer sterbewilligen Person “geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt”, sich selbst zu töten. Das ist nicht etwa eine “aktive Sterbehilfe” im genannten Sinn, sondern die bloße Beihilfe zur Selbsttötung, die in Deutschland seit 140 Jahren straffrei war. Die Behauptung der Gesetzesinitiatoren, hier solle irgendetwas “klargestellt” werden, war daher schlicht gelogen: Tatsächlich wurde ein weiter Bereich vorher straflosen Verhaltens als kriminell definiert.”

    So etwas passiert, wenn den moralisierenden Ideologen ein liberales Korrektiv fehlt.

  6. #9 anderer Michael
    2. April 2017

    Der Herr BGH- Richter möge bitte die vielen unerledigten Verfahren abarbeiten. Als Dienstherr, sofern er einen hat, würde ich ihm ein Nebenbeschäftigungsverbot erteilen, sofern man den überpriviligierten deutschen Richtern ein solches erteilen darf.

  7. #10 Joseph Kuhn
    2. April 2017

    @ Ludger:

    “So etwas passiert, wenn den moralisierenden Ideologen ein liberales Korrektiv fehlt.”

    Ich bin für Selbstbestimmung am Lebensende, aber ich halte die Idee einer “herausgeforderten Autonomie”, siehe unsere oben auch schon verlinkte Diskussion aus dem letzten Jahr, nach wie vor für sinnvoll. Nicht jeder, der sagt, ich will sterben, will es aus freien Stücken auch wirklich. Rund rund um den “Freitod” und das “freie Sterben” gibt es eben auch viel Ideologie, die als Korrektiv moralische Reflexion und empirische Forschung gut vertragen kann. “Freiheit” ist manchmal voraussetzungsreicher, als die Eigenverantwortungs-FDP meint.

    Und ob man das “geschäftsmäßige” in § 217 StGB so einfach abbürsten kann wie der forsche Herr Fischer, weiß ich nicht, auch wenn ich verstehe, dass Ärzte hier zu Unrecht schnell in eine ungute Situation kommen können.

  8. #11 Eike
    2. April 2017

    Okay, dass sie die FDP nicht mögen, ist nun deutlich geworden. Jetzt können sie sich mit ihren journalistischen Fähigkeiten beschäftigen.

    Die FDP ist die einzige Partei, die keiner kruden Ideologie verfallen ist, sondern Freiheit und Selbstverwirklichung der Menschen in den Fokus stellt.

  9. #12 Ludger
    2. April 2017
  10. #13 Hobbes
    2. April 2017

    Ich finde es ja interessant wie medial Jahrelang auf die FDP eingedroschen wurde. Das sich die “Mövenpickpartei” immer noch hält ist da einer der Punkte. Das Rösler rassistisch angegriffen wurde hatte keinen gestört. Und wenn alle Parteien angestellte als “Schleckerfrauen” in sexistischer Weise als reine Opfer instrumentalisieren, ist die herzlose FDP die Böse weil die da nicht mitmachen will. Das man eine ein Jahr unter Verschluss gehaltene Geschichte mit Brüderle rauskramt, die so traumatisierend für die Frau gewesen seien muss, dass sie problemlos ein Jahr weiter mit ihm eng zusammen arbeiten konnte war auch kein Zufall. Vorrausgegangene Altersdiskriminierung stört auch nicht wenn es nur die richtigen trifft.

    Zur Erinnerung bei der Mövenpickaffäre handelte es sich um eine offen angegebene Parteispende und ein im Wahlprogramm festgelegtes Versprechen, welches dann umgesetzt wurde. Mövenpick hatte an alle Parteien außer der Linkspartei gespendet und selbst mehrere Regionalverbände der Linkspartei hatten die Mehrwertsteuersenkung im Parteiprogramm. Die CSU hatte während der ganzen Zeit mehr Druck auf die Senkung hin ausgeübt als die FDP. Aber ein Skandal war es medial nur bei der FDP. Ich glaube die Behandlung der FDP und die der ehemaligen Bundespräsidenten haben massiv zum Vertrauensverlust der Presse beigetragen. (Zur Erinerung: Köhler trat zurück weil er meinte dem Amt wird kein Respekt (hauptsächlich von den Medien) mehr entgegen gebracht. Er wurde von vielen Zeitungen dann als extrem Dünnhäutig dagestellt. Wieviel Respekt sein Nachfolger dann genießen durfte dürfte wohl noch jeder wissen).
    Gesundheitspolitik ist übrigens ein Feld wo ich mit der FDP nicht übereinstimme (auch wenn ich die Zusatzbeiträgmöglichkeit und die Abschaffung der 10€ Quartalsgebühr begrüße).

    Meiner Meinung nach haben wir den Mist der international an der Rechten Front wächst im wesentlichen den Linken Moralkriegern zu verdanken. Zum einen wurde einfach so oft hilfe Wölfe geschrien das es einem niemanden mehr glaubt sobald wirklich einer da ist. Zum Anderen haben die vom rechten Rand einfach die Strategien übernommen, dass wenn man nur lange laut genug lügt, immer genug hängen bleibt was scherer schädigt, als der Lügner zu sein.

    Wenn die gefahr vom rechten Rand nicht so real wäre könnte man sich ja freuen, dass die die Geister die sie riefen nicht mehr los werden. Klar offen angegebene Parteispenden sind natürlich ein viel größerer Skandal als z.B. verdeckte Spenden aus Moskau. Was stört schon mediale Verantwortung wenn man sich in Häme gegenüber seinem Lieblingsgegner geben kann. Da reicht dann der erste Googlelink als Quelle auch wenn in diesem nichts konkretes drinsteht.

  11. #14 Joseph Kuhn
    2. April 2017

    @ Eike, @ Hobbes:

    “Die FDP ist die einzige Partei, die keiner kruden Ideologie verfallen ist, sondern Freiheit und Selbstverwirklichung der Menschen in den Fokus stellt.”

    Wenn dem so wäre, siehe auch den Kommentar von RPGNo1 oben, wäre das nur zu begrüßen. Ich bin ja schließlich nicht mit dem Klammerbeutel gepudert, als dass ich gegen Freiheit wäre. Aber ich verstehe darunter eben nicht Freiheit für die einen und “Eigenverantwortung” für die anderen. An dem Punkt verweise ich regelmäßig auf das schöne Buch “Freiheit gehört nicht nur den Reichen. Plädoyer für einen zeitgemäßen Liberalismus” von Lisa Herzog.

    Ich will aber gar nicht so viel über die FDP insgesamt diskutieren. Alle Parteien sind in gewisser Weise “einseitig”, deswegen sind es ja Parteien. Mir ist halt eine gesundheitspolitische Positionierung, die so stark darauf ausgerichtet ist, die GKV zu schleifen, die PKV zu schützen und den Apotheken nicht zu nahe zu treten, zu wenig. Die FPD FDP* als liberale Partei könnte sich doch mehr für Patientenrechte, Health Literacy, die Begrenzung des Einflusses der Pharmaindustrie auf die Wissenschaft und die Ärzte, die weitere Regulierung der Tabak- und Alkoholindustrie usw. einsetzen – statt die Bürger/innen bei solchen Themen “eigenverantwortlich” allein zu lassen.

    * Ups. Ich leide vermutlich an Parteibuchstabenlegasthenie.

  12. #15 michael
    2. April 2017

    > Das Rösler rassistisch angegriffen wurde hatte keinen gestört.

    Doch, den Herrn Döring hat es zum Beispiel gestört.

  13. #16 ralph
    2. April 2017

    Ein von jedem bezahlbares, damit halbwegs gerechtes und effizientes Gesundheitssystem dürfte eine der größten Herausforderungen moderner Gesellschaften mit wachsendem Altersschnitt sein. In den 70ger Jahren versuchte Singapur den wissenschaftlichen Ansatz. Man nahm weltweit verschiedene Gesundheitsysteme vergleichbarer Länder unter die Lupe um zu schauen welche Möglichkeiten der Finanzierung es gibt und welche davon sich im Sinne von Gesundheit Zufriedenheit und natürlich Bezahlbarkeit für Bevölkerung bewährt haben. Was dabei herausgekommen ist fasst folgendes Diskussionspapier von Verena Finkenstädt (2013) zusammen:
    https://goo.gl/1k9SuI

    Zitat des Schlussatze daraus:
    “Die Eigenverantwortung für den Krankheitsfall wird gestärkt und eine übermäßige Inanspruchnahme von
    Gesundheitsleistungen („moral hazard“) vermieden”

    Das ist selbstverständlich nichts für uns, denn so etwas wie “moral hazard” gibt es ja in Deutschland gar nicht. Nichtmal einen deutschen Begriff gibt’s dafür. Ausserdem: 69% Privat finanziert, das geht ja gar nicht!

    Aber für alle, die nicht mit der ideologischen Brille unterwegs sind und die an dem Thema interessiert sind, lohnt sich ein unvoreingenommener entspannter Blick darauf.

    • #17 Joseph Kuhn
      2. April 2017

      @ ralph:

      “Ein von jedem bezahlbares, damit halbwegs gerechtes und effizientes Gesundheitssystem dürfte eine der größten Herausforderungen moderner Gesellschaften mit wachsendem Altersschnitt sein.”

      Das sehe ich auch so.

      “eine übermäßige Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen („moral hazard“) vermieden”

      Kennen Sie eine Studie, die für Deutschland “moral hazard”-Effekte bei der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen durch die Patienten zuverlässig abschätzt? Das Problem sehe ich eher auf der Seite der Ärzte und der Pharmaindustrie, Stichwort IGEL-Leistungen, Homöopathie, Mengenausweitung, nutzlose Medikamente usw. – und die Instrumente dagegen, z.B. Budgetierung, Nutzenbewertung usw., sind nicht gerade die Steckenpferde der FDP.

      “Singapur”

      Ein interessantes, ganz anderes Modell. Und Sie würden vorschlagen, das Gesundheitswesen in Deutschland umzukrempeln und dieses System zu übernehmen? Auch das Sozialgefüge Singapurs sonst, mit seiner ridigen Moral?

      “69% Privat finanziert”

      Das ist jetzt witzig, weil sie die GKV offensichtlich automatisch als “staatlich” interpretieren. Der Anteil der Öffentlichen Haushalte an den Gesundheitsausgaben in Deutschland beträgt 18 %. Der Rest sind eigentlich private Ausgaben, refinanziert über die GKV, die PKV, die Unfallversicherungsträger, Selbstzahlungen etc.

      Die PKV, vielleicht haben Sie es im Finkenstädt-Papier gelesen, spielt in Singapur übrigens so gut wie keine Rolle.

  14. #18 ralph
    2. April 2017

    “GKV offensichtlich automatisch als “staatlich” interpretieren. ”
    Jetzt, nachdem Sie mich darauf hingewiesen haben…
    Es ist ein Zwangsbeitrag der sich ähnlich wie die Steuer berechnet und er ist völlig unabhängig davon wieviel davon ich benötige.
    Wo ist also der fundamentale Unterschied?

    “moral-hazard”
    Singapur ist eine grossangelegte Studie. Die Gesundheitskosten sind deutlich niedriger, auch wenn man die Alterstruktur berücksichtig. Leider liegt es in der Natur des Menschen, Dinge die den Einzelnen nichts, oder wenig kosten zu verschwenden. Man merkt es an vielen Stellen dramatisch, darüber müssen wir glaube ich nicht ausschweifend diskutieren.

    “Die PKV, vielleicht haben Sie es im Finkenstädt-Papier gelesen, spielt in Singapur übrigens so gut wie keine Rolle.”
    Das zeigt ja gerade, wie gut das System dort die Bedürfnisse der Menschen abdeckt.

    “Und Sie würden vorschlagen, das Gesundheitswesen in Deutschland umzukrempeln und dieses System zu übernehmen? Auch das Sozialgefüge Singapurs sonst, mit seiner ridigen Moral?”
    Glauben Sie rigides Moralvorstellungen seien Vorraussetzung um die Eigenverantwortung zu stärken? Interessant…

    Im Ernst, man muss sich halt nüchtern anschauen was anderswo besser funktioniert und was davon in Deutschland langfristig machbar ist, nur so zur Orientierung.

    • #19 Joseph Kuhn
      2. April 2017

      @ ralph:

      “Wo ist also der fundamentale Unterschied?”

      Großbritannien hat ein staatliches Gesundheitswesen, wir nicht. Hierzulande sind niedergelassene Ärzte und viele andere Therapeuten mehr oder weniger freie Berufe. Die Krankenhäuser haben ein ausgesprochen vielfältiges Leistungsangebot. Die Apotheken verkaufen neben dem, was die Kassen erstatten, alles Mögliche. Soweit die GKV die Kosten erstattet, gibt es diverse Regularien, im niedergelassenen Bereich strenger als im stationären Bereich. Dabei versuchen die Kassen im Rahmen dessen, was das SGB erlaubt, ihre Leistungskataloge zu differenzieren. Die private Krankenversicherung regelt die Kostenerstattung über Tarife, die ebenfalls schablonisiert sind.

      Was speziell die GKV-Beiträge angeht: Sie sehen sie als “Zwangsbeitrag der sich ähnlich wie die Steuer berechnet und er ist völlig unabhängig davon wieviel davon ich benötige”. Das ist richtig – und im Sinne des Solidarprinzips gewollt. Aber ist es denn bei den Prämien der PKV so völlig anders? Ich bin privat versichert, ich muss meine Prämie zahlen, unabhängig davon, wieviel ich benötige und ich kann nicht einmal das Versicherungsunternehmen wechseln, ohne ordentlich draufzuzahlen. Das moniert die FDP ja zurecht.

      “Leider liegt es in der Natur des Menschen, Dinge die den Einzelnen nichts, oder wenig kosten zu verschwenden. Man merkt es an vielen Stellen dramatisch, darüber müssen wir glaube ich nicht ausschweifend diskutieren.”

      Doch, darüber muss man diskutieren, wenn man von moral hazard bei der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen spricht. Es liegt nicht in meiner Natur, mich operieren zu lassen oder ein Herzmittel einzunehmen, nur weil es nichts kostet. Deswegen die Frage, ob Sie eine Studie kennen, die moral hazard-Effekte bei den Versicherten verlässlich abschätzt. Die Praxisgebühr wurde seinerzeit genau mit dem moral hazard-Argument begründet, die FDP hat zurecht ihre Abschaffung gefordert. Ansonsten habe ich nicht übersehen, dass Sie dem Thema, was die Anbieterseite betrifft, stillschweigend aus dem Weg gegangen sind 😉

      “Glauben Sie rigides Moralvorstellungen …”

      Ich glaube, dass in Singapur über die rigiden Moralvorstellungen vieles quasisozialistisch harmonisiert wird, da wird “Eigenverantwortung” als Herrschaftsform so gelebt, wie sie von manchen Leuten auch hierzulande verstanden wird: die Menschen sollen sich am Riemen reißen und nicht so anspruchsvoll sein. Autonomie, sozial verantwortungsvolle Autonomie, ist das nur bedingt, da könnten wir doch einer Meinung sein?

      “man muss sich halt nüchtern anschauen was anderswo besser funktioniert und was davon in Deutschland langfristig machbar ist”

      Da sind wir einer Meinung. Ich sehen unser Gesundheitssystem bestimmt nicht als der Weisheit letzter Schluss an, warne nur davor, es aus Lust und Laune schlecht zu reden und pauschal “mehr privat” zu fordern. Man kann statt nach Singapur genauso gut einen Blick in die USA werfen, wenn man sehen will, wie “mehr privat” auch ausgehen kann.

  15. #20 ralph
    2. April 2017

    Ich wiederhole: In Singapur kostet die Gesundheitsversorgung nur die Hälfte, verglichen mit Deutschland. Die gestärkte Eigenverantwortung sollte dazu führen dass die Kosten nicht explodieren. Das ist der Fall. Insofern ist es eine grossangelegte Studie. Die genau das nahelegt.
    Haben Sie Studien dass die Leute dort ungesünder sind, weniger lang leben, unzufriedener mit dem Gesundheitssystem sind als hier?

    “Das Problem sehe ich eher auf der Seite der Ärzte und der Pharmaindustrie, Stichwort IGEL-Leistungen, Homöopathie, Mengenausweitung, nutzlose Medikamente usw. ”
    Na klar, aber das sind doch Folgeerscheinungen eines insgesamt inkonsistenten Systems. Mehr Eigenverantwortung ist indirekt auch mit mehr Transparenz und Interesse anKostenontrolle durch die Patienten verbunden.

    Ihre These, die Singapurer hätten weniger “verantwortungsvolle Autonomie” bei der Wahl ihrer Behandlung, sollten Sie erstmal belegen.

    • #21 Joseph Kuhn
      2. April 2017

      @ ralph:

      “In Singapur kostet die Gesundheitsversorgung nur die Hälfte, verglichen mit Deutschland.”

      Das mag sein, wobei, gestatten Sie mir die Anmerkung, es nicht darum geht, per se Kosten zu sparen, sondern den Nutzen, den man haben will, möglichst kosteneffizient zu erwirtschaften. Man müsste also auch das Output des Gesundheitssystems dort und hier vergleichen. Vielleicht wirtschaftet Singapur tatsächlich besser, dann gilt, was Sie oben schon gesagt haben: man sollte sehen, ob man daraus für die Situation hier lernen kann. Das könnte man z.B. genauso mit Zypern machen – auch dort haben die Gesundheitsausgaben einen wesentlich niedrigeren Anteil am BIP als bei uns.

      “Haben Sie Studien dass die Leute dort ungesünder sind, weniger lang leben”

      Wozu, dass die Lebenserwartung in Singapur höher ist als in Deutschland, ist unstrittig. Ob die Lebenserwartung in Singapur allerdings ein Maß für die Qualität der Gesundheitsversorgung ist, weiß ich nicht. Fachleute gehen davon aus, dass die Lebensbedingungen und der Lebensstil den weitaus größeren Einfluss darauf haben. Das wird in Singapur nicht anders sein als hierzulande.

      “dass die Kosten nicht explodieren. Das ist der Fall.”

      Nein, das ist nicht der Fall. Der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP in Deutschland ist seit Jahren mehr oder weniger gleich.

      “Ihre These, die Singapurer hätten weniger “verantwortungsvolle Autonomie” bei der Wahl ihrer Behandlung, sollten Sie erstmal belegen.”

      https://www.singapur-reisefuehrer.at/verbote-in-singapur.html

  16. #22 Lemmie
    3. April 2017

    #18
    “Leider liegt es in der Natur des Menschen, Dinge die den Einzelnen nichts, oder wenig kosten zu verschwenden. Man merkt es an vielen Stellen dramatisch, darüber müssen wir glaube ich nicht ausschweifend diskutieren.”

    Was für ein abgründiges, absurdes, unrealistisches und verächtliches Statement in einer Diskussion über aktuelle Gesundheitspolitik! An wie vielen Stellen ‘merkt man denn das dramatisch’? Was ist eine „übermäßige“ Inanspruchnahme z.B. von Sehhilfe oder Zahnbehandlung? Designerfassungen oder Diamanten im Zahn? Reg dich bloß ab, das gibts nicht auf Kasse und das fordert auch keiner.
    Aber Brille und Zahnersatz als Kassenleistung zu fordern bedeutet meiner Meinung nach echt nicht, einem moral hazard zu provozieren.

    #1
    “Schade, denn ich bin der Meinung, dass eine bürgerlich-liberale bis sozial-liberale Partei in Tradition von Heuss, Scheel, Baum, Genscher in den Bundestag gehört.”

    Im Sinne von Pluralismus stimme ich dem zu. Aber was hat eine bürgerlich-liberale bis sozial-liberale Partei mit der marktliberalen FDP zu tun, außer dass sie ein paar bürgerlich-/sozialliberale Leichen, die wahrscheinlich im Grab routieren, im Keller hat? Was Sozial-Liberales kommt aus der Ecke wohl ever never nie mehr.

    Das Gesundheitsprogramm entspricht mit seinem Schwerpunkt “PKV entlasten und GKV belasten” voll und ganz den Wünschen der FDP-Klientel und das mit dem Canabis reizt vielleicht noch ein paar “erwachsen” gewordene Alt 68er, denen die Grünen inzwischen zu links sind (Ich weiß, das ist unfaßbar, aber es soll tatsächlich solche geben, denen die Grünen immer noch zu links sind).
    Mögliche FDP-Wähler wären dann noch die, die die Schnauze voll von der Großen Koalition haben, denen die Grünen zu heuchlerisch sind, und die in der Die Linke nur das linke Pendant zur rechten Afd im Spektrum sehen und die trotzdem ihre Stimme abgeben wollen aber keine Lust haben Wahlprogramme zu lesen.

  17. #23 rolak
    3. April 2017

    FPDeutschlands

    FP<Nation> schien mir recht wahrscheinlich, Joseph, auch weil die Ö-Variante schon bekannt war. Doch schon der erste Schuß ins Blaue landete weit hinter Italien; B, K(=Ö), L (Historie), M, R, S, und V fanden sich noch, unerwartet wenige…

    im Grab routieren

    Ein Sarg mit IP-Adresse, Lemmie?

  18. #24 RPGNo1
    3. April 2017

    @Lemmie

    Im Sinne von Pluralismus stimme ich dem zu. Aber was hat eine bürgerlich-liberale bis sozial-liberale Partei mit der marktliberalen FDP zu tun, außer dass sie ein paar bürgerlich-/sozialliberale Leichen, die wahrscheinlich im Grab routieren, im Keller hat? Was Sozial-Liberales kommt aus der Ecke wohl ever never nie mehr.

    Deswegen habe ich meine Aussage mit dem Hinweis auf große Köpfe der FDP ergänzt. Nach dem Wahl-Debakel 2013 hatte die Partei die Chance gehabt, sich auf diese Wurzeln zurückzubesinnen, ihre Klientelpolitik und den reinen Marktliberalismus der Westerwelle-Ära abzustreifen und frisch durchzustarten. Momentan sehe ich davon leider nichts, außer dass Herr Lindner der Partei ein neues poppig buntes Logo verpasst hat.

  19. #25 Ishmael
    3. April 2017

    Es müßte doch “…Finanzierung durch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer…” heißen, oder? Sonst wäre Ihre Sprache ja genau so ausgrenzend wie die der FDP.

  20. #26 ralph
    3. April 2017

    @Joseph Kuhn #21
    “Man müsste also auch das Output des Gesundheitssystems dort und hier vergleichen. Vielleicht wirtschaftet Singapur tatsächlich besser, dann gilt, was Sie oben schon gesagt haben: man sollte sehen, ob man daraus für die Situation hier lernen kann.”
    Genau das wollte ich anregen, denn hier sind Sie der Experte.

    Mit den nicht explodierenden Kosten meinte ich Singapur. Dass sie in Deutschland – verglichen mit dem Bip – nicht explodieren ist erfreulich und spricht für die Gesundheitspolitik mit den der vergangenen Jahre??

  21. #27 ralph
    3. April 2017

    @Lemmie

    “Leider liegt es in der Natur des Menschen, Dinge die den Einzelnen nichts, oder wenig kosten zu verschwenden. Man merkt es an vielen Stellen dramatisch, darüber müssen wir glaube ich nicht ausschweifend diskutieren.”

    An wie vielen Stellen ‘merkt man denn das dramatisch’?

    Es ist dermassen offensichtlich, dass ich glaubte mir Beispiele ersparen zu können.
    Erdathmosphäre, stabiles Klima, Trinkwasser, Biodiversität, Artenvielfalt, Regenwälder…
    Genügt das als kleine Anregung?

    “Aber Brille und Zahnersatz als Kassenleistung zu fordern bedeutet meiner Meinung nach echt nicht, einem moral hazard zu provozieren.”
    Ganz genau. Und darum brauchen wir ein effizienteres System.

  22. #28 ralph
    3. April 2017

    Nachtrag zu den im Vergleich zum BIP (noch) nicht explodierenden Kosten im deutschen Gesundheitssystem.
    Momentan sind die geburtenstarken Jahrgänge im vollen Saft, zahlen Steuern und Beiträge. Die Frage ist ja wie nachhaltig unser Gesunheitssystem angelegt ist, wenn die in Rente gehen und mit fortschreitendem Alter das System logischerweise mehr in Anspruch nehmen müssen.

  23. #29 RF2
    3. April 2017

    XXXX

    Edit: Kommentar gelöscht. Rene F., so lange Sie ausländerfeindliche Kommentare schreiben, fliegen Sie raus, auch wenn Sie die Sperre erst mal mit neuen Daten umgehen. Wir können das beliebig lange spielen. JK

  24. #30 Hans-Werner Bertelsen
    6. April 2017

    An die ausgeuferten GKV-Beiträge traut sich niemand heran. Dabei war eine Senkung der Lohnnebenkosten mal ein erstrebenswertes Ziel. Die Beiträge zur GKV und zur PKV sollten nur ambulante Behandlungen abdecken. Die Klinikkosten sollte man durch Steuern finanzieren. Das hätte auch Vorteile für Hygiene und Arbeitsbedingungen. Banker sollten umgeschult werden. Der Name für das Umstrukturierungs-Programm könnte lauten: “Manschettenknöpfe zu Bettpfannen”. Wenn die Partei mutig ist, bekommt sie damit über 40%.