Nebenan bei den Skeptikern war der Propagandafilm „Vaxxed“ über den angeblichen Zusammenhang zwischen Impfungen und Autismus bereits im Februar Gegenstand eines kritischen Kommentars. Hier gibt es in Form eines Gastbeitrags von Dipl.-Biol. Heike Thiesemann-Reith, Chefredakteurin www.impfbrief.de, eine Nachlese mit vielen Quellen zum Thema:
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„Aufrüttelnd“ oder gezielte Falschinformation?
Heike Thiesemann-Reith
Seit 3. April 2017 ist der US-amerikanische Film „Vaxxed“ in Deutschland zu sehen. Dank erheblicher Widerstände auch von Vereinigungen von Menschen, die mit Autismus leben, wird er jedoch nur in wenigen Kinos gezeigt. Warum dieser Widerstand mehr als berechtigt ist, zeigt eine ausführliche Analyse des online-Magazins www.impfbrief.de. Hier eine Kurzfassung:
Der Film enthält die akzeptable Aussage, Autismus habe in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen. Es leben heute deutlich mehr Menschen mit der Diagnose „Autismus-Spektrum-Störung“ als vor 30 Jahren (z.B. Elsabbagh et al. Autism Res. 2012 Jun; 5(3): 160–179). Allerdings behauptet er im weiteren Verlauf unrichtiger Weise, 2032 würden jedes zweite Kind und 80% der Jungen mit Autismus leben. Eine solche Extrapolation der bisherigen Zunahme in die Zukunft ist nicht seriös, da wesentliche Faktoren sich zukünftig gar nicht oder nicht im selben Maße auswirken wie in der Vergangenheit (z.B. Wechsel der Diagnosekriterien oder engere Beobachtung von Geschwisterkinder autistischer Kinder wegen der inzwischen bekannten genetischen Ursachen).
Der Film greift die vielfach widerlegte These auf, dass Masern-Mumps-Röteln (MMR)-Impfstoff Autismus auslöse. Die ursprüngliche Studie mit 12 Kindern von Wakefield et al. wurde zurückgezogen; zahlreiche Studien mit hundertausenden Probanden aus verschiedensten Ländern haben keinen Zusammenhang zwischen MMR-Impfung und Autismus gefunden, z.B.:
• Fombonne und Chakrabarti (Pediatrics. 2001 Oct;108(4):E58)
• Smeeth et al. (Lancet. 2004 Sep 11-17;364(9438):963-9)
• Fombonne et al. (Pediatrics. 2006 Jul;118(1):e139-50)
• Baird et al. (Arch Dis Child. 2008 Oct;93(10):832-7)
• Mrozek-Budzyn et al. (Pediatr Infect Dis J. 2010 May;29(5):397-400)
• Demicheli et al. (Cochrane Database Syst Rev. 2012 Feb 15;(2):CD004407)
• Adverse effects of vaccines (2012), siehe Institute of Medicine oder Impfbrief Oktober 2011
• Taylor et al. (Vaccine. 2014 Jun 17;32(29):3623-9)
• Honda et al. J (Child Psychol Psychiatry. 2005 Jun;46(6):572-9)
• Madsen et al.( N Engl J Med. 2002 Nov 7;347(19):1477-82)
• Jain et al. (JAMA. 2015 Apr 21;313(15):1534-40. doi: 10.1001/jama.2015.3077) und JAMA. 2016 Jan 12;315(2):202-4. doi: 10.1001/jama.2015.17065)
• Aktuellste Übersicht dazu siehe Bulletin zur Arzneimittelsicherheit 1/2017.
Der Film behauptet unrichtiger Weise, es gäbe keine Impfstudien zum Thema, die Geimpfte und Ungeimpfte vergleichen. Tatsächlich gibt es mehrere solcher Studien z.B. Honda et al. J (Child Psychol Psychiatry. 2005 Jun;46(6):572-9).
Der Film behauptet unrichtiger Weise, die CDC hätten Daten vernichtet. Tatsächlich sind alle Daten bei den CDC vollständig vorhanden und öffentlich einsehbar.
Der Film behauptet unrichtiger Weise, die „vollständigen“ CDC-Daten würden beweisen, dass MMR-Impfstoff Autismus auslöst. Eine Analyse der „vollständigen Daten“, insbesondere zu afroamerikanischen Jungs durch den im Film erscheinenden Brian Hooker erwies sich als methodisch falsch. Zudem hatte er Interessenskonflikte nicht offengelegt.
Der Film greift den widerlegten Mythos auf, Kinder würden gesünder leben, wenn sie später MMR-geimpft würden. Masern sind u.a. mit dem Risiko behaftet, dass etwa 1 bis 3 von 3.000 Erkrankten direkt oder nach einigen Jahren (Hirnzerfall/“SSPE“) stirbt. Späte Impfung erhöht das Erkrankungsrisiko individuell und bevölkerungsweit (fehlende Herdenimmunität)).
Fazit:
Der Film enthält zahlreiche nachweislich falsche Aussagen. Insgesamt spricht er Gefühle stärker an als das logische Denken, denn er enthält zu einem erheblichen Anteil zunehmend emotionaler werdende Erzählungen von betroffenen Eltern, oft gekoppelt mit Bildern schreiender und sich schlagender Kinder. Zudem stützt sich der Film in weiten Teilen auf Gespräche zwischen B. Hooker und W. Thompson, die ohne Wissen des Letzteren aufgezeichnet und ohne sein Wissen und Einwilligung ins Internet gestellt wurden (Thompson 2014). Es handelt sich nicht um eine seriöse Dokumentation.
Mehr zum wirklichen Leben mit Autismus finden Interessierte beim Selbsthilfeverband Autismus Deutschland e.V., mehr zu den wirklichen Risiken und Nutzen von Impfungen z.B. bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung oder bei der STIKO.
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