Auch wenn er nicht ausschließen könne, so Prof. v. Kries, dass an der Homöopathie irgendetwas dran sei, sei die Evidenz nicht überzeugend. Man sei in der Wissenschaft natürlich nie sicher vor Überraschungen. Eine aus meiner Sicht unnötig vorsichtige Positionierung, wohl auch der Rücksicht auf Frau Dr. Kruse geschuldet – beide sind über das Dr. v. Haunersche Kinderspital verbunden. Aber gut, damit stand das Thema Evidenz im Raum.
Die von Dr. v. Ammon behauptete Evidenz glaubte Dr. Schreiner mit dem „Viele Menschen profitieren von der Homöopathie, also wirkt sie“-Argument unterstützen zu müssen. Er habe in den letzten Jahren über 46.000 Patienten behandelt, viele davon homöopathisch. Auch die Uniklinik überweise ihm immer wieder Patienten, mit denen sie nicht weiterkäme. Ich verstehe zwar nicht, auf welch geheimnisvollem Weg Nachfrage Wirksamkeit verbürgt, aber das Publikum hatte damit kein Problem: wieder lautstarker Beifall. Man möchte meinen, zumindest das Wirkprinzip „wissenschaftlicher“ Diskussionen in der Homöopathie sei damit evident: kein Argument drin, aber es wirkt doch.
Dann ein klassisches Eigentor: Hatte Dr. v. Ammon gerade noch behauptet, dass es eine hervorragende wissenschaftliche Studienlage zugunsten der Homöopathie gäbe, kam Dr. Schreiner mit dem alten Hut, Homöopathie sei ganz individuell auf den einzelnen Patienten zugeschnitten, das könne man nicht mit RCTs abbilden. Wieder Beifall aus dem Publikum. Diese These ist erstens schlicht falsch, natürlich kann man eine individuelle Medikation durch RCTs abbilden, zweitens, Dr. Bartens ließ sich das nicht entgehen, widersprach Dr. Schreiner damit seinem Kompagnon Dr. v. Ammon. Nur das Publikum interessierte sich nicht für diesen Widerspruch. Man ist zwar ganz begierig darauf, dass Studien die Wirksamkeit der Homöopathie nachweisen, aber zugleich auch absolut überzeugt davon, dass Studien der Homöopathie gar nicht gerecht werden können. Homöopathische Dialektik vermutlich.
Die Arena
Spätestens an dem Punkt hätte man aufhören können, denn ohne Auflösung dieses Widerspruchs kann man über die wissenschaftliche Evidenzbasis der Homöopathie nicht mehr vernünftig weiterdiskutieren. Aber es ging weiter, in einem zunehmend aggressiven Klima, mehr Arena als Hörsaal. Dr. Bartens konnte nur noch unter lautstarken Protestrufen aus dem Publikum sprechen, die Moderation griff nicht ein.
Der nächste Tiefpunkt kam verkehrsbedingt mit einer dreiviertel Stunde Verspätung: Prof. Hahn. Für ihn war ein längerer Folienvortrag vorgesehen. Seine Rolle hatte er offenkundig so verstanden, dass er den Homöopathen eine Strategieberatung zu geben habe, wie sie sich gegen die etablierte Wissenschaft und gegen die Skeptiker (sie wurden explizit erwähnt) durchsetzen können. Er betonte, nie homöopathisch gearbeitet zu haben – ein Narrativ zur Suggestion persönlicher Glaubwürdigkeit, die man z.B. auch von Prof. Grieshaber kennt, der stets betont hat, er sei Nichtraucher, als ob er damit kein Tabaklobbyist mehr sein könne.
Prof. Hahn forderte, bessere Homöopathie-Studien zu machen, obwohl sie eigentlich schon ein sehr gutes Niveau hätten. Die existierenden Metaanalysen kritisierte er in bekannter Weise, dass die meisten nur deswegen negativ für die Homöopathie ausgingen, weil sie fast alle positiven Studien ausschlössen. Dass es für den Ausschluss gute Gründe gibt, ging unter. Dafür stellte er die leicht verschwörungstheoretische These in den Raum, die Homöopathie leide unter einem Quasi-Publikationsverbot, Forscher, die sich mit Homöopathie beschäftigten, würden ausgegrenzt. Dr. v. Ammon verwies zum Beleg auf eine vom Lancet angeblich „mangels Interesse“ abgelehnte erstklassige Studie. Wie das mit der doch immer wieder betonten großen Anzahl publizierter positiver Homöopathiestudien zusammenpasst – egal.
Die eigentlich berechtigte Frage, ob Pseudowissenschaft nicht zurecht aus dem Wissenschaftsbetrieb auszugrenzen sei, schließlich forscht man an den Hochschulen auch nicht affirmativ darüber, wie Astrologie funktioniert, hätte man zu dem Zeitpunkt wohl nur noch mit dem Risiko stellen können, aus dem Publikum mit Flaschen beworfen zu werden. Aber den Lobbyberatungs-Vortrag von Prof. Hahn konnten Prof. v. Kries und Dr. Bartens dennoch nicht schlucken: Was dieser Vortrag denn solle, dass die Ergebnisse von Metaanalysen davon abhingen, welche Studien man einschlösse und welche nicht, sei schließlich nichts Neues. Das Publikum tobt und poltert
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