Nationalistischer Populismus hat zurzeit Konjunktur: America first, türkische Ehre, Polen den Polen. Wer seine Interessen auf Kosten anderer durchzusetzen bereit ist, muss austesten, wie weit er gehen kann. Und wer vom Anderen das Schlimmste befürchtet, muss versuchen, ihm dieses Schlimmste selbst zum Albtraum zu machen. Das wurde im Kalten Krieg zur hohen Kunst der Abschreckung „kultiviert“: dem anderen nur Optionen lassen, die den eigenen Vorteil sichern, auch wenn man gemeinsam mehr verliert als man gemeinsam gewinnen können. Das Gefangenendilemma ist eines der einfacheren Spiele, die dabei gespielt werden. Dem anderen zu misstrauen, bzw. ihm alles Fiese zuzutrauen, ist dafür konstitutiv. Ein Modell wie die deutsch-französische Freundschaft könnte so nicht funktionieren, so wie vieles in der Politik weltweit pragmatisch kooperationsbasiert läuft und nicht einem Misstrauenskalkül folgt.
Aber im Augenblick scheinen die Verrückten dieser Erde wieder vermehrt Gefallen an den „Ich schau mal, wie weit ich gegen dich komme“-Spielchen zu finden. Das Leben der eigenen Bürger gehört dabei manchmal zum Spieleinsatz, wie die Frisurenkings Kim und Trump gerade vorgeführt haben. Mit vergleichsweise kleinem Risiko für die eigene Bevölkerung hat Putin in der Ukraine und in Syrien dem Westen gezeigt, dass sich mit Rücksichtslosigkeit und Verzicht auf kooperative Lösungen manches erreichen lässt, Polen probiert sogar innerhalb der Solidargemeinschaft EU aus, wie oft man den Partnern den Stinkefinger zeigen kann, und Erdogan bespielt multiinstrumental gleich mehrere Bühnen gleichzeitig: Deutschen Abgeordneten verweigert er den Besuch bei deutschen Soldaten in der Türkei, an der Grenze zu Syrien marschieren seine Soldaten auf, um die syrischen Kurden einzuschüchtern oder – wenn die USA nicht klar reagieren – auch zu bekämpfen und er zeigt, dass sein Willkür-Arm bis nach Spanien reicht, indem er dort unter fadenscheinigen Gründen den deutschen Schriftsteller Dogan Akhanli verhaften lässt.
Die neue Kultur des Misstrauens kommt nicht aus dem Nichts, vielmehr werden wir Zeuge, wie die zu sehr neoliberal organisierte Globalisierung ihren kooperativen Rahmen zersetzt und das Ressentiment als emotionale Grundstimmung an die Stelle der Hoffnung und der Zuversicht tritt. Vertrauenskapital („Kredit“) geht verloren, ein ökonomisch wie menschlicher Werteverlust. Und ein Werteverlust, der nachhaltig ist. Verlorenes Vertrauen kehrt nicht ohne Weiteres zurück, der Andere könnte ja …
Zum Weiterlesen sei einmal mehr hier im Blog auf zwei gute Bücher hingewiesen:
• Julian Nida-Rümelin: Die Optimierungsfalle. München 2011.
• Frank Schirrmacher: Ego. Das Spiel des Lebens. München 2013.
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