Die Physiker haben es vergleichsweise gut. Wenn bei ihnen etwas unklar ist, lassen sich oft auf der Basis gut begründeter Theorien Beobachtungssätze formulieren, die man experimentell testen kann. Das schützt nicht immer vor Irrläufern und Irrtümern, aber gemessen daran, auf welch schwankendem Boden sich die medizinische Forschung bzw. die Gesundheitswissenschaften insgesamt fortbewegen müssen, hat die Physik ein wirklich tragfähiges Fundament.
In den Gesundheitswissenschaften fehlen in der Regel sowohl die gut bewährten Basistheorien als auch der strenge Zusammenhang von Theorie und Beobachtungssätzen. Die Vermutung, dass eine bestimmte Intervention wirkt, ist nur selten deduktiv mit mathematischer Genauigkeit aus gut gesicherten, quasi gesetzesartigen Theorien abzuleiten und auch nicht so einfach in einem „Experimentum crucis“ empirisch zu prüfen.
Dementsprechend unsicher ist oft die empirische Evidenz. Bei vielen Themen gibt es viele Studien mit etwas unterschiedlichen oder sogar widersprüchlichen Befunden, manchmal infizieren auch Interessenkonflikte die Studienlage und die Glaubwürdigkeit der Befunde. Letzteres ist vor allem der Fall, wenn es um Geld oder die Weltanschauung oder beides geht. Man denke nur an den aktuellen Streit um Glyphosat.
In der evidenzbasierten Medizin spielt die Cochrane Collaboration eine wichtige Rolle, um im Falle vieler Studien mit heterogenen Befunden die Evidenz aus dem empirischen Rauschen herauszufiltern und für die klinische Praxis aufzubereiten. Weltweit arbeiten Cochrane-Gruppen nach einem konsentierten Regelwerk an Übersichtsarbeiten, die Cochrane-Zentren sind außerdem in der methodischen Fortbildung von Fachleuten engagiert.
Das deutsche Cochrane-Zentrum in Freiburg war über viele Jahre prekär finanziert, eine unhaltbare Situation in Zeiten, in denen „sauberes Wissen“ immer wichtiger wird und gleichzeitig schon allein die pure Menge an Publikationen in der Medizin es einzelnen Personen nahezu unmöglich macht, selbst im eigenen Fachgebiet immer den Überblick zu behalten.
Jetzt endlich erhält Cochrane Deutschland eine institutionelle Förderung durch das Bundesgesundheitsministerium: „Um eine dauerhafte Sicherung der wichtigen Arbeiten von Cochrane zu gewährleisten, wurde am 26. Oktober 2017 die unabhängige und gemeinnützige Cochrane Deutschland Stiftung in Freiburg gegründet.“ Spät, aber immerhin. Möge es ein gutes Omen für ein stärkeres Engagement des Gesundheitsministeriums in diesem Feld sein.
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