Die gesetzliche Krankenversicherung ist eine Solidargemeinschaft der Versicherten. Sie soll ihr Geld daher sinnvoll und sparsam ausgeben. In § 2 SGB V heißt es: „Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, dass die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.“ In die gleiche Richtung geht § 12 SGB V: „Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.“ Als konkretisierende Bestimmung heißt es weiter in § 2 SGB: „Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.” Mit solchen Formulierungen hat die evidenzbasierte Medizin vor Jahren Einzug ins Sozialversicherungsrecht gehalten.

Klar, die Kassen geben trotzdem auch Geld für unnötige Dinge aus und im Falle der „besonderen Therapierichtungen“ ist das sogar ausdrücklich im SGB V vorgesehen. Gute Lobbyarbeit zahlt sich eben aus. Auf der anderen Seite übernehmen die Krankenkassen manches nicht, was sinnvoll wäre, die Brillen sind eines der bekannteren Beispiele.

Die privaten Krankenkassen gehen großzügiger mit Geld der Versicherten um. Sie wollen ja ihren Versicherten mehr bieten als AOK-Kassensozialismus und zudem der „Innovationsmotor“ des Versicherungsmarktes sein. Leider ist das mit Innovationen so eine Sache, neu und ungeprüft ist schließlich nicht immer gut. Die Ärzte wiederum sind auch Unternehmer. Und Menschen wie wir alle. Zwar geloben sie nach der kürzlich neu gefassten Genfer Deklaration des Weltärztebundes, dem Hippokratischen Eid, „mein Leben in den Dienst der Menschlichkeit zu stellen“ und „Die Gesundheit und das Wohlbefinden meines Patienten wird oberstes Gebot meines Handelns sein“, aber natürlich nicht umsonst, Ärzte müssen ja auch von was leben. Von Geld genauer. Das ist auch in Ordnung. Problematisch kann es werden, wenn Ärzte mit den sogenannten „Individuellen Gesundheitsleistungen“, kurz IGeL, zusätzlich Geld verdienen wollen. Diese Leistungen werden von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen. Im Gegenteil, mit dem IGeL-Monitor stellen sie Informationen zur Evidenzbasis der Angebote ins Netz. Meist fällt die Bewertung nicht gut aus.

Jetzt hat die Ärztezeitung zusammen mit einem Verbund privatärztlichen Verrechnungsstellen Ärzte zu eben diesen IGeL-Angeboten befragt. Eine etwas seltsame Umfrage: Nur 16 % der teilnehmenden Ärzte waren aus dem ländlichen Raum, nur 29 % weiblich (und 5 % ohne hielten ihr Geschlecht geheim), also sicher nicht repräsentativ. Aber aufschlussreich. Bei den meisten Ärzten machen Selbstzahlerangebote keinen allzu großen Anteil am Umsatz, aber immerhin 15 % gaben an, dass sie damit mehr als 10 % ihres Umsatzes machen. Ich hoffe, sie kommen trotzdem noch ihrem Versorgungsauftrag nach und blockieren nicht in der Bedarfsplanung Kassensitze, obwohl sie die Hälfte ihrer Zeit wer weiß was tun. 40 % gaben nämlich an, zu ihren Selbstzahlerangeboten würde „Alternative Heilmedizin“ gehören, 23 % hatten „Zuwendungsmedizin“ im Angebot. Was das ist, will ich gar nicht so genau wissen. Und die Mehrheit sieht Selbstzahlerangebote als attraktive Perspektive und will dieses Leistungsspektrum künftig ausweiten.

Sehr interessant fand ich diese Frage: „Welche Maßnahmen zur Akzeptanzbeförderung von Selbstzahlerleistungen könnten hilfreich sein?“ Darauf antworteten 16 % mit „Aktiveres öffentliches Engagement der Industrie“, 34 % mit „Gezielte Lobbyarbeit seitens der Ärzteschaft“, und, jetzt kommt’s: 62 % mit „Krankenkassen-unabhängige Evidenz-Analysen von Selbstzahlerleistungen“. Das ist doch erstaunlich offenherzig, was man unter „Evidenz“ versteht: Maßnahmen zur Akzeptanzförderung. So war das mit der evidenzbasierten Medizin nicht gemeint. Außerdem ist es frontal gegen den IGeL-Monitor gerichtet. Das kommentiert der Geschäftsführer des Verbunds privatärztlicher Verrechnungsstellen in der Ärztezeitung so: „Die Betreiber der Plattform Igel Monitor maßen sich an, Dinge zu beurteilen, die das Binnenverhältnis Arzt/Patient betreffen, und das geht nicht.“ Genau, ins Ehebett hat schließlich auch keiner zu gucken. Wo kommen wir da hin, wenn man Dinge wie evidenzbasierte Medizin oder Versorgungsforschung am Ende auch noch ernst nimmt und wissen will, was Ärzte mit ihren Patienten machen. Bei den Heilpraktikern wissen wir es schließlich auch nicht und die fahren doch prima damit.

Wie gesagt, es war keine repräsentative Umfrage und als Meinungsbild „der Ärzteschaft“ nicht zu gebrauchen. Vermutlich war es auch eher als Meinungsmache gedacht. Das Genfer Gelöbnis hat eben einen weiten Mantel.

Kommentare (23)

  1. #1 rolak
    18. November 2017

    Für diesen Text wurden eindeutig Tiere gequält! Die Gans, die das Zitat

    Qualität und Wirksamkeit..

    umklammern soll, hat nur noch ein Füßchen, bah, wie gemein!

    hielten ihr Geschlecht geheim

    Auf den Fragebögen fehlte sicherlich nur das entsprechende Kästli fürs zutreffende Geschlecht, insofern eher ein interessantes Ergebnis über den Anteil und kein Fauxpas.

    Zuwendungsmedizin

    Falls es das ist, über dessen schlechte Bezahlung sich ua Psychologen(Verbände) des öfteren beklagen, also der dritte Weg zwischen ApparatMedizin und Pharmafia, aka ‘sprechende Medizin’, dann wäre dieser Punkt ja fast zu begrüßen. ‘Fast’ ua wg von hinten durch die Brust ins Auge.

    „Evidenz“ = Maßnahmen zur Akzeptanzförderung

    Etwas ernster: Das ist interpretativ übers Vorhandene hinausgeschossen, die erwähnte MzAF ist die ‘Evidenz-Analyse‘. Und das klingt ja bereits eindeutig nach ‘-Relativierung’, ‘-Umdeutung’, ‘-Drumrumreden’, kurz: Lobbyarbeit.

    frontal gegen den IGeL-Monitor gerichtet

    Eindeutig die falsche Sichtweise: Der neidgeborene IGel-Monitor ist das schwarze Schaf, sollte er doch von Anfang an die angeborenen Besitzstände von Teilen der Weißgöttlichen unangemessen beschneiden. Erste Leidensberichte erzählen von ungemeinen Schwierigkeiten beim Finanzieren des ZweitRolls für den Koch des Friseurs…

    hat eben einen weiten Mantel

    Und er wächst, auch heuer zu StMartin sind wieder einige Stücke hinzugekommen.

  2. #2 Joseph Kuhn
    18. November 2017

    @ rolak:

    “Tiere gequält”

    Die Einbeinigkeit der Gans habe ich geheilt, die Möglichkeiten der Online-Tiermedizin sind doch enorm. Die Befunderhebung hat dabei ergeben, dass auch bei einem Zweibeiner ein Füßchen vorn und eins hinten sein kann, sehr interessant 😉

    “Lobbyarbeit”

    Mich wundert, dass die Ärztezeitung so einen Umfrageschrott überhaupt mitgemacht und dann auch noch veröffentlicht hat. Ich hoffe einmal, dass über dem Artikel nicht eigentlich “Anzeige” stehen müsste, weil das vom Partner PVA bezahlt wurde.

  3. #3 Beobachter
    18. November 2017

    @ rolak:

    Es wäre m. E. hilfreich für Mitlesende, wenn Sie etwas weniger kryptisch formulieren würden – damit man nicht unnötig Zeit vergeudet mit dem Entschlüsseln Ihrer Kommentare.
    Oder sie deswegen lieber gleich überliest …

    @ Joseph Kuhn:

    Es gibt doch bestimmt auch eine Menge privatärztlicher Leistungen für Selbstzahler, die nicht im Leistungskatalog der üblichen IGeL-Leistungen aufgeführt sind.
    Gibt es auch darüber Befragungen, Erhebungen, Statistiken?

    Z. B .ausufernde Laboruntersuchungen aller Art, auch im Rahmen der fragwürdigen “Mito(chondrien)-Medizin”:

    Bsp.:

    Dr. med. W. Bieger, der auch mit GcMAF therapieren soll:

    https://dr-bieger.de/
    https://www.lab4more-online.de/uber-uns/unternehmen/
    https://dr-bieger.de/category/nagalase-und-gc-maf/

    https://www.psiram.com/de/index.php/GcMAF-Therapie

    Dr. med. W. Bieger ist einer der “namhaften Referenten” bei:

    https://www.iwh.uni-hd.de/md/iwh/angebot/igrmm_flyer2017.pdf

    Zitate:

    “Die Fortbildung ist von der Ärzte-, Zahnärzte- und
    Apothekerkammer als ärztliche Fortbildung anerkannt
    – Sie können je Veranstaltungswochenende
    17 Fortbildungs-Punkte erwerben.”

    “Anmeldefrist: 31. Januar 2017
    Kosten: 2.800 €
    Frühbucherrabatt: Anmeldung bis 30. Sep.
    2016—2400€; bis 30. Nov. 2016—2600€”

    “Infos zum Masterstudiengang KWKM :
    http://www.kwkm.eu/info

    Der letzte Link führt zur umstrittenen Viadrina-Uni und zum “IntraG”:

    https://www.europa-uni.de/de/forschung/institut/institut_intrag/Master-Kulturwissenschaften-Komplementaere-Medizin.html

    Ich habe das deshalb so ausführlich beschrieben, weil ich weiß, dass es selbstzahlende Patienten gibt, die sich (auch z. B.) wegen solcher Laborleistungen hoch verschulden –
    und die Ergebnisse solcher Laboruntersuchungen (“ganzheitlicher Labordiagnostik”) vor Gericht (z. B. Sozial-/Arbeitsgerichten) keinerlei Bestand haben und nicht anerkannt werden.

    Umso erstaunlicher ist es, dass entsprechende Veranstaltungen als “ärztliche Fortbildung” anerkannt und von den Kammern mit Fortbildungspunkten belohnt werden …

    • #4 Joseph Kuhn
      18. November 2017

      @ Beobachter:

      Es gibt keinen “Leistungskatalog der üblichen IGeL-Leistungen”. IGeL-Angebote sind negativ dadurch definiert, dass sie nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gehören. Welche IGeL-Leistungen die private Krankenversicherung übernimmt, hängt vom jeweiligen Vertrag ab: https://www.pkv-private-krankenversicherung.net/zahlt-die-pkv-igel-leistungen-5362. Statistiken über unnötige Leistungen der PKV sind mir nicht bekannt.

  4. #5 rolak
    18. November 2017

    Zeit vergeudet mit dem Entschlüsseln

    Kein Beileid, Beobachter, weil selbstverantwortlich.

  5. #6 Beobachter
    18. November 2017

    @ rolak:

    Alles klar.
    Dann Beileid für Sie, wenn Sie sich nur so ausdrücken können oder wollen.

    @ Joseph Kuhn:

    Danke für die Auskunft.
    Dann kann also jeder Mediziner/Zahnmediziner mit Privatpraxis irgendwelche obskure, fragwürdige sog. ärztliche Leistungen anbieten und durchführen, die weder im Leistungskatalog der gesetzlichen noch der privaten Krankenversicherungen vorkommen und dem selbstzahlenden Patienten eine Rechnung nach Gutdünken präsentieren?
    Und die muss auch bezahlt werden – vorausgesetzt, der Patient hat einen entsprechenden Vertrag/eine Einverständniserklärung unterschrieben?

    Wo liegt da dann in der Praxis der Unterschied zum Heilpraktiker(un)wesen?
    Wobei noch der “studierte, wahre Experte”, der Mediziner mit Doktortitel, “der es ja schließlich wissen muss”, bei den meisten Patienten einen Seriositäts-,Vertrauens- und Glaubwürdigkeits-Bonus genießt – bei gleichem Humbug-Leistungsangebot … !
    Wie z. B. Bioresonanzverfahren, “Störfeld-Diagnostik”,
    Dunkelfeldmikroskopie-Diagnostik etc. usw.

    Weshalb schreiten angesichts dieser Zustände die Ärztekammern nicht ein ?!

  6. #7 anderer Michael
    18. November 2017

    Beobachter:
    “Weshalb schreiten angesichts dieser Zustände die Ärztekammern nicht ein ?!”
    Die Frage ist berechtigt.(Wobei ich gerade sehe , dieser Einwurf bezog sich nicht auf die Fortbildungen, sondern auf Heilpraktikergebaren durch approbierte Ärzte, die es eigentlich besser wissen müssten).
    Ich habe jemanden gefragt,der in einem Krankenhaus für Fortbildungen zuständig ist.
    Antwort ( ohne Gewähr):Es erfolgt keine inhaltliche Prüfung . Es gibt bestimmte Formalien, die eingehalten werden müssen. Und natürlich es muss sich um ein medizinisches Thema handeln, Skifahrmöglichkeiten an der Axamer Litzum negativ, Probleme für das Kniegelenk durch Skifahren positiv.
    Bezogen auf dein Beispiel zur mitochondrialen Medizin: es müsste sich praktisch jemand reinsetzen und Wort für Wort protokollieren .Du kannst davon ausgehen, dass sehr viele theoretische Grundlagen thematisch abgehandelt werden, die unbestritten richtig sind.Wenn es um die Konsequenzen und die Interpretationen geht, wird es problematisch.
    Aber es fehlen die Leute dafür, hier inhaltlich substanzielle Überprüfungen durchzuführen.
    Es müssten konkrete Beschwerden vorgenommen werden , aber welcher kritische Arzt setzt sich da rein , zahlt 1700,-Euro , nur um sich hinterher zu beschwerden.

    Trotzdem, dein Einwand und deine Kritik sind vollkommen berechtigt. Und ehrlich, mir ist inzwischen das Verhalten meiner Kollegen/innen auch rätselhaft.

  7. #8 Beobachter
    18. November 2017

    @ anderer Michael, # 7:

    Es geht mir um fragwürdige ärztliche Fortbildungen (von Ärztekammern anerkannt !) UND um fragwürdige ärztliche Leistungen.

    Wenn diese ärztlichen Leistungen so “kreativ” bzw. “innovativ” werden, dass sie nicht mehr bei IGeL unterzubringen sind, fallen sie halt unter “Freie Gesundheitsleistungen” (FGL) –
    (oder unter überhaupt nichts mehr):

    https://de.wikipedia.org/wiki/Individuelle_Gesundheitsleistung
    https://de.wikipedia.org/wiki/Individuelle_Gesundheitsleistung#Freie_Gesundheitsleistungen

    ” … Die Selbstzahlermedizin versteht sich als Ergänzungs- und Zusatzmedizin, die es ermöglicht, in Einzelfällen innovative Verfahren in die Diagnostik und Behandlung einzuführen.”

    und:

    ” … Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns Axel Munte sagte: „Die Gesetzliche Krankenversicherung kann keine Optimalversorgung gewährleisten“, und daher sei eine Ergänzung durch IGeL sinnvoll. … ”

    Ist also unsere Zwei-Klassen-Medizin völlig normal und als gegeben hinzunehmen ?!
    Wer sich keine “Optimalversorgung” leisten kann, stirbt halt früher – Pech gehabt ?!

    Hier z. B. das Leistungsangebot des “Kreativmediziners” (kein Witz, steht da wirklich wortwörtlich in einer Buchrezension ) Dr. med. Lothar Hollerbach, HD:

    https://www.hdg-hollerbach.de/aktuell.html
    https://www.hdg-hollerbach.de/index.html

    und er kommt auch hier vor:
    https://correctiv.org/recherchen/stories/2015/12/18/alternativmedizin-krebs-leben-der-patienten-gefaehrdet/
    (Abschnitt:
    “TODESSEHNSUCHT IN HEIDELBERG”)

    Das alles findet unter den sehenden Augen der Ärztekammern statt –
    die offensichtlich ihren Aufgaben nur unzureichend nachkommen (wollen).

    https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%84rztekammer_(Deutschland)#Aufgaben

  8. #9 Beobachter
    18. November 2017

    Nachtrag zu:
    anderer Michael, # 7:

    Man kann natürlich stundenlang theoretisch über die Funktion der Mitochondrien, über tatsächliche Mitochondropathien referieren.
    Gemeint habe ich die fragwürdige “alternativmedizinische Mitochondrienmedizin” (um die es offenbar auch in dieser ärztlichen Fortbildung ging; siehe oben) in der Praxis/Realität/Umsetzung:

    https://www.psiram.com/de/index.php/Mitochondrienmedizin

  9. #10 Ludger
    18. November 2017

    Die Bewertungen des Igelmonitors sind ja meistens richtig, nur werden diese Aussagen von den kaufmännischen Angestellten der Krankenkassen als Kampfargumente benutzt.
    Beispiel Vaginalsonographie: Klar: eine Lebensverlängerung beim Krankheitsbild Ovarialkarzinom kann für die Vaginalsonographie nicht nachgewiesen werden. Aber ist es eine sinnlose Untersuchungsmethode, wie es von manchen Krankenkassenvertretern mit Hinweis auf den Igelmonitor so hingestellt wird? Zu einer guten gynaekologischen Untersuchung gehört eine Vaginalsonographie dazu, das ist so. Dort kann man Befunde sehen, die man nicht tasten kann. Die Lebensverlängerung durch Früherkennung eines Ovarialkarzinoms spielt dabei gar keine Rolle. Viele Maßnahmen einer Diagnosefindung sind notwendig, obwohl es dafür keine Evidenz einer Lebensverlängerung gibt. Ich kenne ja die Diagnostik aus der Zeit, als die Vaginalsonographie noch nicht verfügbar war. Das war Stochern im Nebel. Jeder Gynaekologe kennt Zufallsfunde bei der Vaginalsonographie von z.B. papillären Kystadenomen, die ein hohes Entartungsrisiko haben. Wegen der Latenz bis zur Entartung und der Seltenheit der Befunde wird man eine Lebensverlängerung nie statistisch signifikant feststellen können. Man kann mit der Vaginalsonographie den zyklischen Veränderungen “beim Arbeiten” zusehen. Die kaufmännischen Angestellten der Krankenkassen haben für die Bewertung eines solchen diagnostischen Vorteils einfach nicht die richtige Ausbildung.

  10. #11 Chris
    18. November 2017

    Wie ist das mit dem Gelöbnis der Ärzteschaft nach der Genfer Deklaration des Weltärztebundes?

    Findet da einmal im Jahr eine Art feierliches Gelöbnis mit mehr oder weniger ausgewählten Anwärtern als eine Art Show stadt (wie bei der Bundeswehr), oder findet da gar nichts statt?
    Oder müssen diesen Eid/das Gelöbnis alle angehenden Mediziner geloben? Und zwar ausdrücklich?

    Ich frage das nicht einfach so dahin. Denn die Frage ist nämlich: Wenn da gar nichts stattfindet, sondern nur eine Deklaration erarbeitet wurde, die sich letztlich aber niemand ausdrücklich anschliessen muß, wozu macht man das dann?

    Populismus?
    1984-Sprech und Ideologisierung?

    Und der Satz aus der Deklaration irritiert mich etwas:
    “Ich werde auf meine eigene Gesundheit, mein Wohlbefinden und meine Fähigkeiten achten, um auf höchstem Niveau zu behandeln”

    Niemand verlangt durch Ausübung seines Berufes, dass er/sie sich dabei gesundheitlich schadet. Das vorrausgesetzt. Aber warum wollten die das ausdrücklich ins Gelöbnis eingefügt haben, wo es um den Patienten geht, nicht um den Arzt?

    Ausserdem widerspricht sich irgendwie “Schonen” und höchstes Niveau eigentlich immer. “Höchstes Niveau” erfordert immer eine absolute Hingebung/wendung. Da gibt es normal keine Möglichkeit der Schonung seiner selbst, wenn dadurch zwingend das höchste Niveau reduziert werden wird.

    Für mich gehört zudem noch ein Passus hinzugefügt, der da besagen sollte, dass der behandelnde Arzt hinsichtlich des Patienten keinen Einfluß einer irgendwie höheren Macht (Gott, Sach-/Geld-/Ideologiezwänge, poltitische Diktate, dem Zufall oder auch nur irgendwelche aussermedizinisch relevanten Vorgaben) in irgend einer Weise ausliefern darf.

    Und weiter noch, da das “Weichziel” das Gehirn ist (nicht mehr der Mensch), davon auszugehen, das es nicht nur darum geht, den “Leib Christi” (den Körper) funktionsfähig zu erhalten, sondern eben auch den Geist (also das Gehirn) zu schützen und primär das stabile und qualitativ erwünschte (Über)Leben zu ermöglichen.

    Daran nämlich scheint es erheblich zu mangeln.

    Wie war das mit Paracelsus?
    Die beste Medizin ist die Liebe…oder so.
    Ein eindeutiger Hinweis darauf, das es um mehr geht, als um die Physis … um die organische Funktionalität des Geist beherbergenden Körpers.

    Das Problem daran ist freilich, dass, wenn Patienten erst beim Arzt sitzen, hinsichtlich dieser Szenerie schon viel zu lange etwas schief gelaufen ist und die Aufgabe des Arztes sich dabei eher als Unmöglichkeit dazustellen scheint. Denn der Arzt kann wahrscheinlich nicht wieder gut machen, was gesellschaftlich vollkommen uninteressiert vernachlässigt wurde.

  11. #12 Ludger
    19. November 2017

    @ Chris #11

    […]oder findet da gar nichts statt?
    Oder müssen diesen Eid/das Gelöbnis alle angehenden Mediziner geloben? Und zwar ausdrücklich?

    Bei meinem medizinischen Staatsexamen 1975 an der RWTH Aachen fand da gar nichts statt. Ich habe nichts gelobt. Auf meine Frage nach dem Eid wurde mir geantwortet, das stehe in der Berufsordnung. Und tatsächlich, da steht so etwas:

    https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/MBO/MBO_02.07.2015.pdf
    Fassung des Beschlusses des
    118. Deutschen Ärztetages 2015

    Für jede Ärztin und jeden Arzt gilt folgendes Gelöbnis:
    „Bei meiner Aufnahme in den ärztlichen Berufsstand gelobe ich, mein
    Leben in den Dienst der Menschlichkeit zu stellen.
    Ich werde meinen Beruf mit Gewissenhaftigkeit und Würde ausüben.
    Die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit meiner Patientin-
    nen und Patienten soll oberstes Gebot meines Handelns sein.
    Ich werde alle mir anvertrauten Geheimnisse auch über den Tod der Pa-
    tientin oder des Patienten hinaus wahren.
    Ich werde mit allen meinen Kräften die Ehre und die edle Überlieferung
    des ärztlichen Berufes aufrechterhalten und bei der Ausübung meiner
    ärztlichen Pflichten keinen Unterschied machen weder aufgrund einer
    etwaigen Behinderung noch nach Religion, Nationalität, Rasse noch
    nach Parteizugehörigkeit oder sozialer Stellung.
    Ich werde jedem Menschenleben von der Empfängnis an Ehrfurcht ent-
    gegenbringen und selbst unter Bedrohung meine ärztliche Kunst nicht in
    Widerspruch zu den Geboten der Menschlichkeit anwenden.
    Ich werde meinen Lehrerinnen und Lehrern sowie Kolleginnen und Kollegen
    die schuldige Achtung erweisen. Dies alles verspreche ich auf meine Ehre.“

  12. #13 Chris
    19. November 2017

    @ Ludger
    19. November 2017

    Wie seltsam, da kommen jährlich Hunderte (?) Ärzte von den Uni´s in die Welt, die einem Gelöbnis unterstehen, aber von den Inhalten weiß niemand, wenn sie nicht explizit nachfragen?

    Und ausdrücklich muß auch niemand was geloben?

    Wozu dann diese Veranstaltung?

  13. #14 Ludger
    19. November 2017

    @ Chris #13

    […] einem Gelöbnis unterstehen, aber von den Inhalten weiß niemand, wenn sie nicht explizit nachfragen?

    Es gibt sicher Unis, die das heutzutage für alle Absolventen gemeinsam und feierlich gestalten. Ich habe noch nach der alten Bestallungsordnung studiert. Da war das Staatsexamen bestanden, wenn die letzte Prüfung bestanden war und die Approbation gab es ein gutes Jahr später. Das lief zeitlich und örtlich bei jedem etwas anders. Man muss aber sagen, dass wir uns täglich nach dem BGB richten, ohne die jeweiligen Paragraphen jeweils im Wortlaut zu kennen. Und es gab mal Politiker, die “nicht ständig mit dem Grundgesetz unterm Arm herumliefen”.
    Viel wichtiger als der Hippokratische Eid ist m.E. die Kenntnis der vom BGH formulierten gültigen Rechtslage: Der Arzt muss den Patienten aufklären und der aufgeklärte mündige Patient entscheidet und nicht der gute Arzt rät dem Patienten was zu tun oder zu lassen ist.

  14. #15 Umami
    20. November 2017

    Warum steht im Igl-Monitor eigentlich nix zur Homöopathie? Ich habe nur etwas zu Bachblüten gefunden.

    Beim Durchschauen der Igl-Angebote bleibt ja irgendwie nix übrig, was sinnvoll ist, oder?
    Einiges habe ich allerdings nicht gefunden: Nieren-US bei Neugeborenen?
    Was ist eigentlich mit Leistungen, die tatsächlich wirken, aber nicht bezahlt werden, sind das auch Igl? Z.B. Verhütungsmittel?

  15. #16 Umami
    20. November 2017

    IGeL

  16. #17 anderer Michael
    20. November 2017

    Verhütungsmittel , sprich orale Kontrazeptiva, sind bis Ende des 19. Lebensjahres Kassenleistung ohne Zuzahlung. Kondome nicht.

  17. #18 anderer Michael
    20. November 2017

    Chris
    Die Gelöbnisse sind für die Tonne. Entscheidend ist das gültige Recht und die ärztliche Standesordnung , die geltendes Recht darstellt und deren Verstöße vor dem Amtsgericht verhandelt werden .Der Staat sieht die Ärzteschaft als wichtig an, und möchte Einfluss nehmen (1), deswegen sind alle Ärztinnen gezwungen , zahlende Mitglieder der Ärztekammern zu sein.

    1 Eigentlich vermute ich das nur, eine sonstige Erklärung habe ich nicht.

  18. #19 Umami
    20. November 2017

    Und nach dem 19. Geburtstag ist das doch eine IGeL-Leistung, oder?
    Außerdem gibts ja nicht nur die Pille und Kondom.

  19. #20 anderer Michael
    20. November 2017

    Chris
    Eine Ungenauigkeit von mir : je nach Bundesland sind Verwaltungsgerichte oder Zivilgerichte oder spezielle Gerichte zuständig mit unterschiedlicher Besetzung.

    Das Gelöbnis ist der ärztlichen Berufsordnung vorangestellt.Genausowenig wie man die Bundeskanzlerin wegen Verstoßes gegen ihren Amtseid anklagen kann, er stellt angeblich nur eine Absichtserklärung dar, ist eine Ärztin wegen Verstoßes gegen das Gelöbnis anklagbar, sondern wegen der Bestimmungen der Berufsordnung und des übrigen geltenden Rechtes. So habe ich das jedenfalls verstanden.

  20. #21 anderer Michael
    20. November 2017

    Umami
    Richtig , ich bin aber kein Vertragsarzt.
    Zur Info : https://www.aok.de/inhalt/verhuetung-2/

    Die Rezeptgebühr wird mit dem 18. Geburtstag fällig, habe ich nicht gewusst. Die Verordnung von oralen Kontrazeptiva ist Kassenleistung ( auch wenn das Präparat altersbedingt selber bezahlt werden muss).Bei bestimmten Erkrankungen, wie Endometriose, kann eine Spirale Kassenleistung sein.

  21. #22 gedankenknick
    21. November 2017

    @anderer Michael #17: Verhütungsmittel , sprich orale Kontrazeptiva, sind bis Ende des 19. Lebensjahres Kassenleistung ohne Zuzahlung. Kondome nicht.
    Falsch. Bis zum Ende des 18. Lebensjahres (sprich 18. Geburtstag) sind sie ohne Zuzahlung auf Muster16 (rosa Rezept). Im 19. und 20. Lebensjahr (spricht bis zum 20. Geburtstag) sind sie zuzahlungspflichtig auf Muster 16 (rosa Rezept). Nach dem 20. Geburtstag sind sie Privatvergnügen (auf Privatrezept) – wohingegen die Untersuchungen, die vor der Verordnung vorgeschrieben sind, weiterhin Kassenleistung bleiben.

    Kondome können durchs Sozialamt bei Bedürftigkeit übernommen werden bis zu einem (vom Sachbearbeiter definierten) Betrag X pro Monat. Andere Kontrazeptiva können bei Bedürftigkeit auch durchs Sozialamt übernommen / bezuschusst werden.

    Des weiteren können orale Kontrazeptiva weiter auf Kassenrezept verordnet werden, wenn sie nicht in der Hauptindikation zur Kontazeption, sondern aus anderen Indikatiosngründen verordnet werden. Schwerste Akne kann eine Möglichkeit sein. Des weiteren können o.K. Kassenleistung bleiben, wenn aus medizinischen Gründen eine Schwangerschaft verhindert werden muss, weil durch Schwangerschaft ein lebensbedrohliches Risiko für die Frau besteht.

    Merke: In D gibt es KEINE Regel ohne Ausnahme.

    (Ich sehe grade, da ist ja schon selber ne Korrektur erfolg in #21. Aber ich lass das trotzdem unverändert, einfach damit es halbwegs komplett zusammen steht.)

    Übrigens: Auch die “Pille danach” ist unter 18 gemäß unserer Politiker Kassenleistung, so Frau sich denn an den Gynäkologen wender. Das sehen mir bekannte Gynäkologen aber anders, denn (Zitat): Da die ja jetzt apothekenpflichtig sind und man sie ohne Rezept kaufen KANN, schreibe ich die NICHT auf Muster16. Tja…

  22. #23 Leki
    23. November 2017

    Ich kann die Forderung nach “Krankenkassen-unabhängige Evidenz-Analysen” duchaus verstehen. Die gesetzlichen Krankenkassen sind keine neutralen Wächter der Evidenz, die unbedingt das Beste für ihre Mitglieder wollen. Sie wollen mit möglichst wenig Geld die vorgeschriebenen Leistungen erbringen, manchmal durch sehr kurzsichtige Sparsamkeit, um die schwarze Null zu retten und Beiträge niedrig zu halten, denn Erhöhungen kommen weder bei Arbeitnehmern noch -gebern gut an.
    Man stelle sich mal vor, was passieren würde, wenn die GKVen öffentlich verkünden würden, die meisten IGeL wären sinnvoll. Die Gutverdiener, die in die PKV wechseln können, hätten einen weiteren Grund dazu und der Rest würde “Zweiklassenmedizin” schreien und sich noch benachteiligter fühlen.
    Bei der Bedarfsplanung für Ärzte und ganz besonders Psychotherapeuten sehen wir etwas Ähnliches: laut GKV-Spitzenverband ist fast ganz Deutschland vorbildlich mit ausreichend Behandlern versorgt, oft sogar überversorgt. Wer einmal versucht hat einen Termin bei einem Psychotherapeuten zu bekommen, der weiß, dass man schon ziemlich kreativ sein muss, um hier eine Überversorgung zu erkennen.
    Dieser Kommentar ist nicht so zu verstehen, dass ich die ganzen Homönaturheilpunkturbachblütentherapien für sinnvoll halte. “Cui bono?” sollte man aber auch bei Analysen fragen, die nicht von der Industrie kommen.