Zwei Monate ist es her, da haben sich viele darüber gefreut, dass wenigstens die „Große Koalition“, die GoKo, abgewählt wurde. Me too. Was stattdessen kommen sollte und ob es besser würde, war allerdings nicht so klar. Solche Konstellationen sind immer ein bisschen unheimlich und haben ein gewisses Potential, am Ende so kommentiert zu werden: „Das habe ich nicht gewollt“.
Jetzt scheint eine der Alternativen, Jamaika, erst einmal mit der Flucht aus der Karibik (das nette Bonmot ist nicht von mir) geendet zu haben. Das muss man angesichts dessen, was man bisher aus den Verhandlungen erfahren hat, nicht bedauern. Jamaika drohte nicht besser als die alte GroKo zu werden. Aber was kommt nun? Eine neue GroKo wird auch in SPD-Kreisen immer öfter nicht mehr mit „keinesfalls“, sondern mit „unter entsprechenden Bedingungen“ kommentiert. Als eine der Bedingungen wird die Einführung der Bürgerversicherung genannt. Die stand bisher in den Sternen, weil das Pro & Contra beim Thema Bürgerversicherung ideologisch derart aufgeladen ist, dass die Parteien in früheren Koalitionsverhandlungen lieber einen weiten Bogen darum gemacht haben.
Den Sozialversicherungsmarkt und seine diversen dysfunktionalen Effekte insgesamt neu zu ordnen, etwa was Verschiebebahnhöfe in der Reha oder in der Prävention angeht, oder eben alte Zöpfe bei der Organisation der Krankenversicherung abzuschneiden, könnte interessant werden. Wie viele Krankenkassen brauchen wir eigentlich? Und wozu genau brauchen wir die privaten Krankenkassen, die es als Vollversicherung in kaum einem anderen Land gibt? Bringen sie z.B. gute Innovationen wirklich schneller in die Versorgung, wie sie immer wieder sagen? Sind sie „effizienter“ als die gesetzlichen Krankenkassen? Müssten ohne die private Vollversicherung Arztpraxen schließen? Welche Versicherungswelt wäre unter dem Dach einer Bürgerversicherung vorstellbar? Gäbe es dann vielleicht sogar wettbewerblich bessere Lösungen? Bei den privaten Krankenkassen endet bislang der Wettbewerb ja mehr oder weniger mit dem Vertragsabschluss. Oder käme es zu einer klareren Trennung zwischen dem, was medizinisch notwendig ist und solidarisch finanziert werden muss und privat zu finanzierenden Zusatzleistungen?
Ich bin gespannt, was passiert, wenn in Sondierungsgesprächen zwischen Union und SPD solche Fragen diskutiert werden. Und was gesundheitspolitisch sonst noch auf die Agenda käme.
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