Heute ist Sonntag und ich habe ein dazu passendes Thema: Über Gott sprechen. Genauer gesagt, geht es mir um eine Frage, nämlich, wie kann man überhaupt sinnvoll mit dem Begriff „Gott“ umgehen. Dazu drei längere Vorbemerkungen:
1. Ich bin weder Theologe noch Philosoph und überblicke die jahrhundertelange Diskussion zu diesem Thema nicht. Ich kann also nicht alle relevanten Aspekte aufgreifen und sie erst recht nicht in ihre theologischen oder philosophischen Traditionslinien einordnen. Aber ich glaube, trotzdem etwas Lesenswertes beitragen zu können, insbesondere mit Blick auf die hier auf den Scienceblogs immer wieder hart ausgefochtenen Diskussionen, ob es „Gott“ gibt, ob seine Existenz mit guten Gründen glaubhaft, möglich oder unglaubwürdig ist. Dabei kann es nicht schaden, ein paar Fragezeichen im Hinterkopf zu behalten, worüber man eigentlich spricht, wenn man „Gott“ sagt.
2. Allerdings will ich nicht darüber diskutieren, ob es „Gott“ gibt und ob seine Existenz mit guten Gründen glaubhaft, möglich oder unglaubwürdig ist. Auch nicht darüber, ob Religion gut oder schlecht für die Menschen ist, oder was man der Institution Kirche alles ankreiden kann, von den Kreuzzügen über die sog. „Rattenlinie“ zur Rettung von NS-Kriegsverbrechern nach dem Krieg bis zum arbeitsrechtlich unguten Umgang mit ihren Mitarbeitern heute. Das hat alles „irgendwie“ mit Gott zu tun, aber nur so irgendwie wie die Homöopathie mit Naturheilkunde. Dass „irgendwie“ alles mit allem zusammenhängt, war noch nie ein gutes Argument.
3. Ich will niemanden überreden, von seinem Glauben an Gott, seinem Zweifel an Gott oder seinem Nichtglauben an Gott abzulassen. Zum einen, weil solche Glaubenseinststellungen in aller Regel nicht die Quintessenz guter Gründe sind, also argumentativ beeinflussbar, sondern unserem Begründen als biografisch gewachsene Weltanschauung vorausgehen. Zum anderen, weil genau deswegen – also aus guten Gründen – unsere Verfassung jedem das Recht auf seinen eigenen Glauben zugesteht, solange er in Ausübung seines Glaubens nicht die Grundrechte anderer ungebührlich verletzt. Mit Böckenförde gesprochen: Das Recht soll nicht das Leben in der Wahrheit sichern, sondern das Leben in Frieden. Wahrheit ist die Münze der Wissenschaft und die hilft in Glaubensfragen, siehe oben, nur bedingt.
So lang die Vorrede war, der eigentliche Blogbeitrag ist dafür nicht länger. Er besteht auch nur aus drei Bemerkungen:
1. Gläubige betonen oft, dass „Gott“ unser Denken übersteige, nicht mit unseren Verstandeskategorien zu begreifen sei und man sich von ihm kein Bild machen solle, weil alle ihm zugeschriebenen Eigenschaften nicht zutreffend wären. Würden sie das ernst nehmen, könnten sie aber nicht mehr über „Gott“ sprechen, sondern z.B. nur noch über Überlieferungen des Glaubens an Gott (von hier führt der Weg zur historisch-kritischen Methode in der Theologie und zur historischen Religionswissenschaft) oder über persönliche Gotteserfahrungen (von hier führt der Weg zur Religionspsychologie). Das ist für Gläubige unbefriedigend, deswegen machen sie ungeniert nach ihrer Feststellung, was man nicht tun soll, genau das und sprechen von den Eigenschaften Gottes. Dass „Gott“ unser Denken übersteige, entpuppt sich in solchen Reden also als eine Variante des hymnischen Redens über die Größe „Gottes“, was immer das sein mag.
2. Viele Ungläubige, Zweifelnde oder nachdenkliche Gläubige sehen, dass die drei gemeinhin Gott zugeschriebenen Eigenschaften – allmächtig, allgütig und allwissend – nicht gut harmonieren. Hier liegt der Kern des Theodizee-Problems. Wenn Gott allmächtig ist, warum lässt er dann so viel Unglück zu, kann er dann allgütig sein? Oder ist er zwar allmächtig und allgütig, aber kriegt nicht alles mit, was schief läuft? Oder sieht er alles und möchte, dass alles gut wird, kann aber nicht mit Allmacht dafür sorgen? Oder könnte er und weiß auch alles, will aber nicht? Alles drei zusammen scheint jedenfalls nicht zu gehen. Hans Jonas hat in seinem Aufsatz „Der Gottesbegriff nach Auschwitz“ daraus die Konsequenz gezogen, dass es einen Gott mit den drei genannten Attributen nicht geben könne, weil er aber an seinem Glauben festhalten wollte, hat er Gott und das Gelingen der Schöpfung in die Natur verlagert. Gott existiere nicht neben der Welt, er habe sich vielmehr in die Natur gegeben und dem Risiko des Scheiterns der Schöpfung ausgesetzt.
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