Vor zwei Jahren hat die „Griechenland-Krise“ die Schlagzeilen der deutschen Medien beherrscht. Plötzlich war der Grieche nicht mehr der nette Kellner Yanis, der nach dem Essen „beim Griechen“ einen Ouzo spendiert, sondern ein undankbarer und wirtschaftlich unfähiger Europarasit. Der damalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis – wem fällt heute noch spontan sein Name ein – war das rote Tuch für alle mehr oder weniger hart arbeitenden Deutschen, die wussten, dass die Griechen nur unser Geld verprassen, statt auch einmal die Ärmel hochzukrempeln. Hier auf Gesundheits-Check war der eine oder andere Aspekt der „Griechenland-Krise“ Diskussionsthema.
In der Tat mussten für die „Griechenland-Krise“ Milliarden beschafft werden, und dann kamen diese Griechen auch noch mit dem Versuch einer Gegenrechnung mit alten Schulden der Deutschen aus dem Weltkrieg und Reparationsforderungen. „Der Grieche hat jetzt lang genug genervt“, brachte der CDU-Politiker Thomas Strobl aus Baden-Württemberg, also eine manngewordene schwäbische Hausfrau, das gesunde Volksempfinden auf den Punkt. Es gab zwar immer auch Stimmen, die darauf hinwiesen, dass die Schuld in der griechischen Schuldenkrise nicht so schwarz-weiß-malerisch zu verteilen ist, dass unsere Banken dabei eine dubiose Rolle gespielt haben, Goldman Sachs und die Finanzmarktspekulanten sowieso, dass sich die Griechen nicht alleine in die Eurozone geschwindelt haben und dass die Politik der Troika, die das Geld Europas heimholen sollte, in Griechenland für viele Menschen katastrophale Folgen hatte. Aber wer wollte das schon hören?
Vielleicht will es jetzt jemand lesen? Wolfgang Schorlau, der hier mit seinen politischen Krimis schon zweimal vorgestellt wurde, einmal mit einem Krimi zur Pharmaindustrie, einmal mit einem zur Fleischindustrie, hat für seinen neuen Roman „Der große Plan“ die „Griechenland-Krise“ als Plot ausgesucht. Dabei kommen die all oben angesprochenen Zutaten zum Einsatz: die Vorurteile über die faulen Griechen, die Politik der Troika, unsere Banken, die Kriegsverbrechen der Deutschen in Griechenland und eine offene Rechnung der Reichsbank aus eben jener Zeit. Wie immer hat Wolfgang Schorlau die Hintergründe seiner Story sorgfältig recherchiert, viel nachgelesen, auch Wissenschaftler und Politiker dazu interviewt. Im Mittelpunkt des Krimis steht die Entführung einer Troika-Mitarbeiterin, für die es lange keine Erklärung gibt, die aber über den ganzen Roman hinweg den Erzählstoff für ein spannend verpacktes Stück Gegenwartsgeschichte liefert.
Schorlaus letzter Roman „Die schützende Hand“, es ging um die NSU-Morde, war durch die Menge an recherchiertem Material unfreiwillig etwas aus der Form geraten. Schorlau hatte dafür so viel zusammengetragen, dass er als Sachverständiger in einem Untersuchungsausschuss geladen wurde, sicher nichts, was Krimiautoren regelmäßig widerfährt. Sein neuer Roman ist von der Form her insgesamt wieder konventioneller, aber auch experimenteller. Wo gibt es sonst einen Krimi, der sich z.B. traut, finanzwirtschaftliche Zusammenhänge durch Infografiken zu veranschaulichen und das gekonnt auch noch in der Story selbst kommentiert? 430 Seiten Spannung, keine Seite ist zu viel, eine Leseempfehlung nicht nur für die bevorstehenden Osterfeiertage. Wer die Chance hat, zu einer Schorlau-Lesung zu gehen, dem sei auch das empfohlen, auch dabei kommt keine Langeweile auf, er ist auch live ein toller Erzähler.
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