Am 31. Mai ist Fronleichnam, für Katholiken das „Fest des heiligsten Leibes und Blutes Christi“. Einen Tag später, am 1. Juni, soll im „Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes (…) als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz“ hängen. Für die staatlichen Behörden des Landes ist das eigentlich Pflicht, aber eine Pflicht, die nicht überwacht wird, für die Kommunalbehörden wird das Kreuz „empfohlen“, was also aufs Gleiche hinausläuft.
Nachdem die Direktorin des staatlichen Neuen Museums Nürnberg angekündigt hatte, kein Kreuz aufzuhängen, ließ der Pressesprecher des Innenministeriums wissen, das sei kein Problem, „Museen und Theater dienten der kulturellen Darstellung und hätten nichts mit dem Handeln von staatlichen Behörden zu tun“.
Das eben noch als Zeichen der kulturellen Prägung Bayerns geltende Kreuz muss also erstens sowieso nicht hängen und zweitens schon gar nicht in Einrichtungen, die die kulturelle Prägung Bayerns dokumentieren. Das verstehe, wer will. Stattdessen wird das Kreuz jetzt mit dem „Handeln von staatlichen Behörden“ in Verbindung gebracht. Genau das verbietet aber die Verfassung, die bayerische die wie die deutsche. Der Staat hat sich in Religionsangelegenheiten neutral zu verhalten.
Die Geschichte mit dem Kreuz nimmt einen Verlauf, den sich der Engel Aloisius selbst im schlimmsten Rausch im Hofbräuhaus nicht hätte ausmalen können. Nachdem erst der Ministerpräsident erklärte, das Kreuz sei gar kein religiöses Symbol, dann doch, dann der CSU Generalsekretär Erlass-Kritiker zu „Religionsfeinden“ erklärte, damit dummerweise auch den obersten deutschen Katholiken Kardinal Marx, wird jetzt also das Symbol der kulturellen Prägung Bayerns als irrelevant für staatliche Kultureinrichtungen erklärt. Da ging doch einiges daneben.
Aloisius hockt nach wie vor im Hofbräuhaus, von ihm ist kein Rat zu erwarten. Stattdessen haben sich Münchner Studierende in einem „Bündnis für Kreuzvielfalt an Bayerischen Hochschulen“ – die Universitäten sind ja eigentlich auch betroffen, aber noch eigentlicher, siehe oben, dann doch nicht – zusammengefunden. Sie planen „Kollektive Kreuzlektüren“, ein Event am 30. Mai am Geschwister-Scholl-Platz vor dem Hauptgebäude der LMU München, um die verschiedenen kulturellen Prägungen, die das Kreuz hinterlassen hat, sichtbar zu machen. Man braucht wenig hellseherische Fähigkeiten, um vorherzusagen, dass rund um den 1. Juni noch so manches zum Kreuz-Erlass auf die Bühne kommt. Das alles hätte man sich und uns besser erspart.
Es wäre schön, wenn sich die Politik um die Probleme des Landes kümmern würde, an diesem Kreuz hätte sie genug zu tragen. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Pflegenotstand, Wohnungsmangel, Integrationsprobleme, Digitalisierung, Verwerfungen im Welthandel, Nationalismus, Umweltzerstörung – dafür Lösungen auf den Weg zu bringen, ist für die kulturelle Prägung Bayerns wirklich wichtig. Ich bin sicher, Aloisius trinkt sich den Tag schön, weil er mit dieser Botschaft jahrein jahraus nicht ankam und mitansehen musste, wie sich deswegen die AfD in Bayern breitmacht. Wenn er aufwacht, hat die CSU einen Kater.
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