In 8.4. schreibt sich die AfD auf die Fahnen, Korruption bekämpfen zu wollen und fordert „eine regelmäßige Aktualisierung und Veröffentlichung des Lobbyismus-Registers“. Für Abgeordnete in Deutschland gibt es kein verpflichtendes Lobby-Register und für die Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen wäre es vermutlich hilfreicher, wenn Ärzte offenlegen würden, für welche Pharmafirmen sie gut bezahlte, aber meist nutzlose Anwendungsbeobachtungen machen.
In 8.5. geht es um eine bessere Vergütung für pflegende Angehörige und in 8.6. um eine bessere Pflege in Krankenhäusern und Heimen. Dagegen ist nichts einzuwenden, aber schön wäre gewesen, wenn die AfD mehr als ein paar wohlfeile Allgemeinplätze dazu hätte, wie man die hehren Ziele erreichen will. Das gilt auch für die Forderung in 8.7. nach einer flächendeckenden Palliativversorgung. Bei solchen Punkten hat die AfD populäre Forderungen aus der gesundheitspolitischen Diskussion aufgenommen, kann aber keine Lösungsvorschläge anbieten.
8.8. war die Heilpraktikergeschichte. In 8.9. geht es darum, wirtschaftlich nicht lukrative Verfahren und Medikamente durch staatliche Forschung in die Versorgung zu bringen. Auch darüber kann man diskutieren. Die Forschung zu seltenen Erkrankungen ist in der Tat notleidend. Ob die neoliberale Fraktion der AfD die damit verbundene Ausweitung des Staates wirklich mittragen würde, darf allerdings bezweifelt werden.
In 8.10. fordert die AfD einen Rechtsanspruch auf Reha vor Pflege. Sie hätte einmal ins Sozialgesetzbuch schauen sollen, z.B. „§ 31 SGB XI – Vorrang der Rehabilitation vor Pflege“. Es gibt noch andere analoge gesetzliche Regelungen.
In 8.11. geht um die Forderung nach einer Anschlussheilbehandlung ohne Fristen und in 8.13. um weniger lange Arbeitszeiten für Ärzte. Beide Punkte kann man diskutieren, aber die Dinge liegen auch hier nicht ganz einfach. Kürzere Arbeitszeiten für Ärzte bedeuten z.B. in Zeiten des Ärztemangels fast zwangsläufig eine eingeschränkte Versorgung für die Patienten.
Punkt 8.12. hebt darauf ab, man müsse die Risiken des neuen Mobilfunkstandards 5G vor seinem flächendeckenden Ausbau wissenschaftlich neutral untersuchen. Von mir aus kann man da noch ein paar Studien machen, aber warum steht ein solcher Punkt gleichgewichtig neben der Versorgung im ländlichen Raum oder dem Ausbau der Pflege? Hat da ein Funktionär Angst vor Mobilfunk? Oder hat die AfD einfach kein Gefühl dafür, was wichtig ist, weil ihr reicht, was sich zur populistischen Mobilisierung nutzen lässt? Da geht Mobilfunk immer. Die Gentechnik hatten sie ja früher auch schon.
Wichtige Reformbaustellen fehlen dagegen völlig. Die Prävention wird, wie gesagt, mit einem Einleitungssatz abgespeist. Die soziale Schieflage bei der Gesundheit – in den unteren Sozialstatusgruppen stirbt man 10 Jahre früher als in den oberen – kommt mit keinem Wort vor. Die stete Zunahme psychischer Störungen in der Versorgung: Fehlanzeige. Bei der medizinischen Versorgung hat die AfD populistisch nur die Wohnortnähe im Visier, Fragen der Versorgungsqualität oder der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit werden dagegen nicht angesprochen. Die Schlagworte Pflege und Palliativmedizin tauchen auf, aber ohne eine innovative Idee. Bei den Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Gesundheit insgesamt herrscht völlige Stille, auch über die Vorstellungen der AfD zum Megathema Digitalisierung im Gesundheitswesen erfährt man nichts, nichts zum Arbeitsschutz und auch kein Wort zum ÖGD – dabei wäre das ein genuin landespolitisches Handlungsfeld.
Weichgespült, ideenlos, unsortiert, klientellastig: Das reicht gesundheitspolitisch nicht.
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Nachtrag 18.7.2018: Eins ist vielleicht noch interessant: Zum Thema Bürgerversicherung sagt die AfD Bayern auch nichts. Das hat möglicherweise damit zu tun, dass man dem beim Bundesparteitag in Augsburg am Fall der Rentenversicherung virulent gewordenen Richtungsstreit zwischen der Höckefraktion, die eine Art Volksgenossenversicherung will, und der neoliberalen Fraktion um Meuthen und Weidel, die solidarische Absicherung abbauen will, aus dem Weg gehen wollte. Zwar ist das primär kein landespolitisches Thema, aber das gilt für viele Punkte, die die AfD in Kapitel 8 anspricht.
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