Fragen

Die Grundfragen der Philosophie – was kann ich wissen, was soll ich tun und was darf ich hoffen – münden, so Kant, in die Frage, was ist der Mensch. Angesichts von gut 350 Milliarden Euro Ausgaben jährlich im Gesundheitswesen ist Kant fast zwangsläufig auch medizinisch durchzubuchstabieren: Was können wir über Gesundheit wissen, was sollen wir dafür tun und was dürfen wir – als Patienten oder als Gesellschaft – vom Gesundheitssystem erhoffen. Das mündet in die Frage, was ist die Medizin.

Mensch und Medizin, genauer, das Menschenbild in der Medizin, war von Freitag bis heute Thema einer dreitätigen Tagung in der Evangelischen Akademie Tutzing. Tagungen in Tutzing haben oft Themen, die nicht abzuschließen sind, sondern immer wieder neu bedacht werden müssen. Dazu passt die Sitzordnung dort: im Halbrund angeordnet, können sich die Gespräche und Gedanken im Kreis drehen.

Dass der kranke Mensch in der Medizin nicht auf seine Organe und Symptome reduziert werden soll, zumindest nicht prinzipiell, darüber dürfte weitgehend Konsens bestehen. Behandelt wird nicht die Herzklappe in Bett 5, sondern ein Mensch mit seiner Biografie, seinen Hoffnungen und Ängsten, seinen Angehörigen und natürlich seiner Krankenkasse. Aber wie weit soll die Medizin, soll der Arzt, über die Herzklappe hinausgehen? Oft heißt es, man müsse Menschen „ganzheitlich“ behandeln. Kann man das? Kann jemand den kranken Menschen „ganz“ verstehen und „ganzheitlich“ behandeln, wenn doch die Frage, was der Mensch ist, gar nicht beantwortet ist, und gar nicht mit positiven Bestimmungen zu beantworten ist, weil der Mensch, so Nietzsche, bekanntlich das nichtfestgestellte Tier ist? Ist das “ganzheitliche Behandeln” am Ende die pure Hybris, die Wiederkehr des Halbgotts in Weiß, der die Sorge des kranken Menschen in seiner ganzen existentiellen Tiefe zu verstehen glaubt, oder das vorgibt?

Sprachlosigkeiten

Bei der Tagung war ein Diskussionspunkt übrigens auch die Homöopathie, die von sich ja auch gerne sagt, sie würde keine Symptome behandeln, sondern den ganzen Menschen und deswegen würden sie so lange mit ihm sprechen und ihn alles Mögliche aus seinem Leben fragen. Leider hatten die Homöopathen in dem Fall keine Fragen. Sie wollten nur den Weilheimer HNO-Arzt Christian Lübbers provozieren, der als Referent eingeladen war. Frau Kruse und Herr Hümmer, beide fest verhaftet im homöopathischen Glauben, sind extra zu Lübbers‘ Vortrag angereist, haben ihre Sprüchlein abgesetzt und sind dann wieder gegangen. Nicht sehr wertschätzend gegenüber den Teilnehmern (und -innen) der Tagung. Schade. Das Menschenbild der Homöopathie hätte man ja einmal diskutieren können, ohne sich über die Wirksamkeit der Methode zu streiten. Und ob die homöopathische Anamnese den „ganzen Menschen“ erfasst oder ob sie eher Selektions- und Bindungseffekte auslöst, wäre auch ein sehr interessantes Thema gewesen.

Wer heilt?

Ist „Heilen“ das, was ärztliches Handeln im Kern ausmacht? Wer heilt eigentlich? Der Patient sich selbst, als sein „innerer Arzt“? Oder sein behandelnder Arzt mit den jeweils von außen angewandten Mitteln? Oder beide zusammen? Im Zweifelsfall sagt man am besten beide zusammen. Die Sichtweisen des inneren und des äußeren Arztes hat der Medizinhistoriker Heinz Schott in der Geschichte nachgezeichnet und entfaltet. Sein Plädoyer war natürlich, beide Sichtweisen im Menschenbild der Medizin zu verbinden. Wie gesagt, im Zweifelsfall macht man mit Antwort „sowohl als auch“ nicht viel falsch. Oder doch, wenn es um künftige Möglichkeiten durch den medizinischen Fortschritt geht? Wo bliebt der „innere Arzt“, wenn aus der Kombination von Genomanalysen und CRISPR-CAS-Techniken der Mensch zum „Schöpfer seiner selbst“ wird, wie ein in die Zukunft blickender Autor im Vortrag der Gießener Professorin Catharina Maulbecker-Armstrong zitiert wurde? Werden Medizinfutorologen künftig wichtiger als Medizinhistoriker? Oder brauchen wir Letztere umso mehr, um uns daran zu erinnern, dass Versprechen der Gottgleichheit des Menschen zumindest bisher immer in die Hölle geführt haben?

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Kommentare (33)

  1. #1 Patient
    16. Dezember 2018

    Ganzheitliche Sichtweise hat man früher als “Verstehen” beschrieben. Es ist die Achtung des Mitmenschen, die wir alle brauchen , gegenseitig. Daran hapert es. Die Pflegekräfte werden zur Belastungsgrenze gefordert um dann im finanziellen Bereich wieder vergessen zu werden.
    Aus dem privaten Bereich kann ich den Ärzten nur gute Noten ausstellen. Und wenn einer überfordert erscheint, dann muss man selbst die richtigen Entscheidungen treffen.
    Auch was die Entlohnung der Ärzte angeht, die bleibt im Rahmen und bei den Krankenkassenpatienten sind sie sogar unterbezahlt.
    ein Blick über die Landesgrenze hinaus könnte auch zu einem weiteren Kriterium bei der Beurteilung unseres Sozialsystems werden.

  2. #2 rolak
    16. Dezember 2018

    im Halbrund .. können sich die Gespräche und Gedanken im Kreis drehen

    Na eben nicht, im Gegenteil, ab&zu fallen die Gedankengänge auf die Nase und müssen wieder aufgenommen werden. Besser als ungestört unveränderliches Immer-wieder-dasselbe-bedenken.

    ganzheitlich

    Ist für sämtliche Quacks ein bedeutungsschwangeres, doch inhaltsleeres Lockangebot – für die Medizin dagegen ein Ideal. Und als solches nicht unbedingt erreichbar, jedoch ein markanter Gegenpol zum scheuklappigen Konzentrieren auf einzelne Symptome eines Gesamtbildes wie zB bei der vorgegebenen Methodik der Homöopathie.

  3. #3 Alisier
    16. Dezember 2018

    Ich danke erstmal für die Gedanken.
    Und werfe schon mal die Frage in den Raum ob es nicht sinnvoll sein könnte die Seelsorge in Zukunft verstärkt nicht konfessionell Gebundenenen anzuvertrauen.
    Ideologisch Orientierte auf kranke Menschen loszulassen halte zumindest ich nicht mehr für zeitgemäß.

  4. #4 zimtspinne
    16. Dezember 2018

    naja, bei der Schnittwunde sollte der Arzt auch ganzheitlich hinschauen.
    Ist der Patient Hobbykoch oder -gärtner, dann wäre die Wunde nix besonderes…
    könnte aber auch ein Hinweis auf einen langsam dement werdenden Menschen sein, der seine Küchenmesser nicht mehr im Griff hat….
    oder eine andere Erkrankung/Störung, die sich auf die Motorik und Fähigkeiten zur Steuerung gezielter Bewegungen und Tätigkeiten auswirkt,
    oder selbstverletzendes Verhalten, das aus dem Ruder lief,
    oder häusliche Gewalt,
    oder gar eine Messerstecherei, die der Arzt melden müsste.
    Wenn der Arzt da mal eine nett und interessiert klingende Frage einwirft, um die Gesamtsituation besser einschätzen zu können, statt einfach nur stur und tonlos die Wunde zu begucken, fände ich schon vorteilhaft.
    Man geht ja nicht mit einem Kratzer zum Arzt, sondern wenn ordentlich Blut fließt oder größere Flurschäden entstanden sind.

    Das ist auch schlicht seine Pflicht als Arzt. Nicht nur Begutachtung und Versorgung der Schnittwunde, sondern auch Entstehung hinterfragen.

    Kann man jetzt unterschiedlich sehen, ob der Arzt auch mal einen Hinweis oder Nachfrage aus dem Hut zaubern darfkannsoll, die auf markant steigendes Körpergewicht, glasige Augen, ausgewachsenen Raucherhusten etc abzielen….. ich finde ja!
    Besser ein wohlmeindender neutraler Medizinmann tut es und kann gleich kompetent beraten (ok, das ist unrealistisch, aber eben wenigstens motivieren und weiterdelegieren) als der Chef tut es oder eine nörgelnde Ehefrau. Die gestalten diese Hinweise auch garantiert so, dass gleich in Abwehrhaltung gegangen wird. Ein Arzt hat da -an sich- ganz andere Möglichkeiten, die Menschen zu erreichen.
    Wenn das oft so ungenutzt bleibt, kann der Zulauf der Ersatzheiler ja nicht verwundern. Eher wenn es ihn nicht gäbe, müsste man sich wundern….dann hätten die Menschen wenig Sinn für Selbstfürsorge und an ihrer Gesundheitserhaltung.

  5. #5 Joseph Kuhn
    16. Dezember 2018

    @ rolak:

    “für die Medizin dagegen ein Ideal”

    Oder eine Vermessenheit? Oder eine Drohung?

    @ Alisier:

    “Ideologisch Orientierte auf kranke Menschen loszulassen halte zumindest ich nicht mehr für zeitgemäß”

    Es soll auch unter den Kranken “ideologisch Orientierte” geben 😉

    @ zimstspinne:

    Natürlich soll ein Arzt aufmerksam sein, welcher Art die Verletzung ist. Ich habe oben von einer “einfachen” Schnittverletzung gesprochen. Ob dazu der Arzt auch meiner beruflichen Zufriedenheit und meiner spirituellen Orientierung Aufmerksamkeit schenken muss? Womöglich noch aktiv nachfragen sollte?

  6. #6 rolak
    16. Dezember 2018

    oder oder?

    Vermessen wäre die Behauptung, dies Ideal erreicht zu haben, Joseph, daher auch meine grundlegende Aversion gegen das (typischerweise) unbedacht vorgebrachte buzzword.

    Als Drohung sehe ich es allerdings nicht, auch wenn sicherlich ein (tendenziell) ganzheitlich erfasst werden für so manche* bedrohlich wirkt. Wenn gegenüber Vertrauensverhältnissen Beziehungsängste bestehen, dürften allerdngs sowieso andere Spezialist*en als die für einfache Schnitte angesagt sein…

  7. #7 hubert taber
    16. Dezember 2018

    das menschenbild der homöopathie ist dass leichtgläubigen zuckerkügelchen verkauft werden können.
    noch zu immanuel kant:
    wer z.b. seinen kategorischen imperativ liest erkennt wahre kleinkunst.
    er war also kabarettist.
    zu philosophen ist auch im mathlog unter “beweis” nachzulesen.
    mfg. h.t.

  8. #8 Alisier
    16. Dezember 2018

    Und es soll auch unter den Kranken ideologisch Unmusikalische geben, die trotzdem gerne über ihre Probleme reden möchten, allerdings nicht ganz so gerne mit Festgelegten 😉
    Belegten Gerüchten zufolge nimmt die Zahl der Nichtgläubigen zu, was dann durchaus auch mal Berücksichtigung finden darf.

  9. #9 Lercherl
    16. Dezember 2018

    Bei der Tagung war ein Diskussionspunkt übrigens auch die Homöopathie, die von sich ja auch gerne sagt, sie würde keine Symptome behandeln, sondern den ganzen Menschen […]

    Also laut Hahnemann behandelt die Homöopathie ausschließlich Symptome.

  10. #10 zimtspinne
    16. Dezember 2018

    @ Alisier
    dafür gibt es doch die Telefonseelsorge. Oder Domian.
    Vielleicht sollte jeder Hausarzt im Hintergrund einen Psychologen haben (weil ich gerade an Domian dachte) und bei Gesprächsbedarf kann der dann übernehmen.
    Ohrabkauende Patienten und überneugierige Ärzte (gibts auch!!) müssten dann gesondert “behandelt” werden 😉

  11. #11 Patient
    16. Dezember 2018

    rolak
    ganzheitlich bedeutet die Ursache und gesundheitlichen Bgeleitumstände zu beachten. Wenn ein Zahnarzt einer 70ig jährigen Patientin den Zahn ziehen will , ohne sie zu fragen ob sie Blutverdünner nimmt., z.B.

  12. #12 zimtspinne
    16. Dezember 2018

    @ Joseph Kuhn
    Die Schnittverletzungen waren so ein guter Aufhänger, um sich mal darüber Luft machen zu können, dass es eigentlich nahezu gar keinen Arztbesuch gibt, bei dem der Patient nicht ganzheitlich erfasst wird. Das sollte selbstverständlich sein.
    Auch bei Routinesachen trägt ein zugewandter und interessierter Arzt direkt zum Wohlbefinden und damit auch zum Behandlungserfolg bei.
    Wenn der Arzt dann auch mal stille Hilferufe erkennt, zB bei einer total ausgebrannten überforderten alleinerziehenden Mutter (die vielleicht schon zu Schlafmitteln greift oder sonstwas Ungesundem, was ihm auffällt) und es anspricht, bin ich sicher, wären viele innerlich froh, dass ihre Probleme mal wahrgenommen und angesprochen werden.
    Jetzt nicht gerade in der Form: “oh, Frau Meierich, Sie sehen aber heute aus, als ob Sie die halbe Nacht Ehekrach hatten… erzählen Sie mal!”
    obwohl das sicher auch einige Frau Meierichs freuen würde…

  13. #13 zimtspinne
    16. Dezember 2018

    @ Patient
    Dafür gibt es dann ja die auszufüllende Anamnesezettelwirtschaft. Ich muss die sogar jährlich neu wegen der Zahnreinigung durchsehen und Änderungen eintragen.
    Zahnärzte arbeiten sowieso (für mein Empfinden^^) oft effizienter und patientenorientierter als viele Hausärzte.

  14. #14 hto
    17. Dezember 2018

    Mit der Homöopathie verhält es sich wie mit dem Sozialismus zu den entmenschlichenden Regeln der “freiheitlichen Werteordnung”, nicht, bzw. nur sehr bedingt kompatibel – bedauerlich, aber aus Erfahrung bin ich ziemlich sicher, es fehlt der Frau Kruse und dem Herrn Hümmer höchstwahrscheinlich die letzte Konsequenz, um die Notwendigkeit von Bewusstseinsentwicklung OHNE … zu erkennen.

  15. #15 hto
    17. Dezember 2018

    Selbst der “beste Homöopath” kann nicht ganzheitlich behandeln, wenn Mensch SYMPTOMATISCH durch die wesentlichsten Netze der Gemeinschaft fällt – ganzheitlich bedeutet deshalb: UNKORRUMPIERBAR!?

  16. #16 Patient
    17. Dezember 2018

    zimtspinne
    wenn der Zahnarzt noch eine Bestellpraxis hat, dann kann er ganz effizient und ohne Stress seine Arbeit erledigen. Meinem Zahnarzt stelle ich dafür die Schulnote 1 aus.

  17. #17 Patient
    17. Dezember 2018

    Ein weiteres Kriterium für das Menschenbild in der Medizin ist der Mediziner selbst, also das Auswahlverfahren nach dem die Medizinstudenten ausgewält werden.
    “Das BVerfG hält die bundes- und landesgesetzlichen Vorschriften über das Verfahren zur Vergabe von Studienplätzen an staatlichen Hochschulen, soweit sie die Zulassung zum Studium der Humanmedizin betreffen, teilweise für unvereinbar mit dem Grundgesetz. Bis zum Ende des Jahres 2019 ist eine Neuregelung zu treffen.”
    Was hier entschieden wird, das wird das Erscheinungsbild der Medizin in der Zukunft mit prägen.

  18. #18 Wetterwachs
    17. Dezember 2018

    Ich bin nicht unbeeindruckt von der ernsthaften Auseinandersetzung mit Themen ethischer und philosophischer Natur, die die Mediziner auf der Tagung geleistet haben. Aber ich kann mich einfach nicht eines unangenehmen Schwurbel-Verdachts erwehren bei dieser Tutzing-Menschenbild-Ganzheitlichkeits Angelegenheit. (Ich habe mir auch die Seite der Tutzing-Akademie angesehen und finde die Beschäftigung mit dem Menschenbild in diesem Zusammenhang irgendwie gruselig.)

    „Interessant war auch eine Leerstelle der Menschenbild-Diskussion: Der Patient, die Patientin wurde stets als Individuum gesehen. Sein Wesen, nach Marx nicht ein dem Individuum innewohnendes Abstraktum, sondern das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse, blieb gewissermaßen asozial.“ (Vorletzter Absatz)
    Und genau das macht das aus, was ich so abgehoben finde und was meinen „Schwurbel-Verdacht“ begründet. Ganz besonders, weil im Praxis-Alltag (provokantes Stichwort Zwei-Klassen-Medizin) heute meiner Meinung nach die soziale Frage einen großen Einfluss hat auf die Qualität der Behandlung und die Qualität des Umgangs mit Menschen durch Ärzte.

    • #19 Joseph Kuhn
      17. Dezember 2018

      @ Wetterwachs:

      “Aber ich kann mich einfach nicht eines unangenehmen Schwurbel-Verdachts erwehren”

      In dem Fall wäre das Erwehren zu empfehlen, dem Reflex “evangelische Akademie also Geschwurbel” zu folgen, dagegen weniger. Auch wenn nicht jede Ecke des Themas ausgeleuchtet wurde, war es eine Veranstaltung auf gutem Niveau. Schwurbel-Beiträge waren selten, abgesehen vom Auftritt der Homöopathen und dem vor Selbstmitleid triefenden Vortrag von Frau Thorbrietz (Motto: “was ich alles aushalten musste”).

      Das Thema Zweiklassenmedizin kam übrigens schon ab und zu zur Sprache. Das ist aber nur ein Aspekt, wenn es um das Verhältnis Gesellschaft-Individuum geht. Was z.B. auch dazu gehört, wäre die Kritik des Bildes des “inneren Arztes” als eines Systems, das nur Natur ist und dazu noch nur gute Natur. Darauf wollte ich mit dem Hinweis auf die Feuerbachthese hinaus.

      Noch was zur Ergänzung: Das Bild des “inneren Arztes” war historisch ein Bild des Vertrauens in die Selbstheilung und der berechtigten Skepsis, wie weit die Kunst des äußeren Arztes reicht. Diese einfache Gegenüberstellung ist aber aus heutiger Sicht zu einfach und man sollte aufpassen, dass man nicht einer Mystifizierung der “guten Natur” zum Opfer fällt. Etwas salopp formuliert: Kann nicht auch der innere Arzt iatrogene Wirkung entfalten und z.B. Behandlungsfehler machen?

  19. #20 Memo.ST
    17. Dezember 2018

    @ Kuhn

    Zitat:
    Dass wir uns darüber verständigen, was wir wissen können, tun sollen und hoffen dürfen, ergibt das sich in der Geschichte und in der menschlichen Praxis wandelnde Bild davon, was der Mensch ist.

    -> Das klingt fast so, als ob sie erhaben darüber hinwegblicken, wie denn diese “Menschen” diese Frage beantworten werden, weil sie schon recht genau wüssten, was dabei rauskommt?

    Etwa, dass der “Normalmensch” eben sterblich sei, und Gottes Willen erfüllen solle, damit er seine Krankheit loswird oder gar nicht erst krank wird.

    Ich weiß nicht, wie ichs anders ausdrücken soll. Diese Verlegenheit lässt mich auf alte, nervende Denkmuster zurückgreifen.

    In jedem Falle kann eine Gesundheit (oder die Auswirkungen der Krankheit) stark vom menschlichen Verhalten und Denken abhängen. Ja, sogar das Denken (und die damit verbundene mentale Haltung/Konstitution sind hier relevant – wie ich es an mir selbst erfahren muß) hat Einfluß auf die Funktionen des Körpers – etwa die des Herzens.

    Es ist wohl nicht nur ein alberner “running gag” in vielen Filmen, wenn ein älterer Herr in Erregung sich zu beruhigen versucht, da er sich ja nicht aufregen darf, weil sonst Herzprobleme drohen (oder die holde Ehefrau ihn darauf aufmerksam macht).

    Wurde auf dieser Tagung auch darüber gesprochen, inwieweit die Gesundheit eines Menschen von der Konstitution seines Gehirns abhängt?

    Oder wieweit Gesundheit von atomaren Fallout beeinflusst wird?
    (und nicht nur die psychische)

    Oder davon, das zwei (oder mehr) Menschen derart “zusammenwachsen”, dass sie nur zusammen lebensfähig sind?
    Und wenn einer wegstirbt, sich das auf die anderen auswirkt!?

    Man hört ja recht oft, das, wenn ein Mensch stirbt, sein Ehepartner bald darauf auch dahinschied. Und was, wenn das auch für Menschen ohne eheliche Bindung gelten könnte?

    Und überhaupt: Wie wollte man das erklären?
    (ich mein, das man das mit Neurowissenschaften und der quantenmechanischen Verschränkung sehr gut erklären könnte. Tut man aber nicht. Wieso nicht?)

    Wenn man die Implikationen dieser Art Perspektive zusammenzählt, müssten wir eine vollkommen andere Lebensweise und Gesellschaftsformen anstreben, denn sonst wären alle holden Tagungen und kreisende Diskurse sowieso umsonst – wie der Ritter vor den Windmühlen.

    Aber diese Welt hat sich eine ganz besondere Strategie zur Gesellschaftsbildung ausgesucht. Und missbraucht damit seine Mitmenschen als Werkzeuge. Resultat sind dann eben “Zivilisationskrankheiten” und eben das damit verbundene Leiden und Siechtum.

    Deswegen wohl wird es in der angewandten Medizin auch so “unpersönlich” und überhaupt so beschränkt (durch die Gesundheitssysteme und ihre Planungszielsetzungen) zugehen.

    • #21 Joseph Kuhn
      18. Dezember 2018

      @ Memo.ST alias demolog:

      Dass Sie sich zu solchen Themen auch äußern wollen, verstehe ich, aber ich denke nach wie vor, dass ein Internetblog nicht der richtige Ort für Ihren Gesprächsbedarf ist und Sie sich Freunde suchen sollten, mit denen Sie reden können. Freunde könnten auch besser mit Ihren Ängsten zum Fallout usw. umgehen, hier passt das nicht. Nur kurz:

      “Das klingt fast so, als ob sie erhaben darüber hinwegblicken … weil sie schon recht genau wüssten, was dabei rauskommt?”

      Genau das Gegenteil ist gemeint, deswegen sprach ich von einem sich wandelnden Bild.

      “dass der “Normalmensch” eben sterblich sei”

      Dessen bin ich mir in der Tat sicher.

      “Gottes Willen erfüllen solle, damit er seine Krankheit loswird”

      Ich habe schon Probleme damit, wie man überhaupt vernünftig von “Gott” sprechen kann. Dass Krankheiten dadurch entstehen, dass man nicht gottgefällig lebt, also auf “Sünden” zurückzuführen sind, halte ich für eine besonders unvernünftige Redeweise über Gott (und Krankheit, und den Menschen), gleichwohl sie immer wieder einmal aufkommt, siehe zur Pestzeit im Mittelalter.

      Zum Rest Ihres Kommentars möchte ich mich aus den oben genannten Gründen nicht äußern und bitte das zu respektieren.

  20. #22 Adent
    18. Dezember 2018

    @Joseph
    Passt zwar hier nicht ganz, aber anbei ein lesenswerter Link zur “angeblichen” genetischen Disposition der Intelligenz. Wenn überhaupt ist nur sehr sehr wenig der Intelligenz genetisch bedingt. Das wird unseren rechten Freunden aber so gar nicht gefallen, ist bestimmt Lügenpresse 🙂
    https://www.sueddeutsche.de/bildung/paedagogik-intelligenz-ist-nicht-angeboren-1.4245200-2

  21. #24 Alisier
    18. Dezember 2018

    @ adent
    Ich hatte den SZ-Artikel schon gelesen, und fand die Argumentation nicht schlüssig. Für mich wirkt das eher wie der Versuch einen guten und wichtigen Gedanken verkürzt und auf Biegen und Brechen zu begründen, obwohl es nicht nötig gewesen wäre.

  22. #25 Dr. Webbaer
    18. Dezember 2018

    Ist das “ganzheitliche Behandeln” am Ende die pure Hybris, die Wiederkehr des Halbgotts in Weiß, der die Sorge des kranken Menschen in seiner ganzen existentiellen Tiefe zu verstehen glaubt, oder das vorgibt?

    Hut ab! – Generell zu diesem Inhalt so angemerkt.
    “Wer heilt, hat recht!” ist etwas für die anderen, aber, warum sich Dr. Webbaer noch kurz meldet, ist das Zitierte.

    ‘Ganzheitliches Behandeln’ ist ‘pure Hybris’.

    Es soll der Mensch wie eine Maschine behandelt werden, erst einmal, die Behandlung des Geistes obliegt dem Mediziner nicht, auch wenn er so erfahren sein soll.
    Ergänzt gerne durch die “püschologische” Fachkraft.

    Im Übrigen bleibt der Esoterik, sofern sie medizinischen Anspruch erhebt, besonders gegen zu reden; ansonsten nicht.

    MFG
    Dr. Webbaer

    PS:
    Nice1! (Slang)

  23. #26 Memo.ST
    18. Dezember 2018

    @ Joseph Kuhn
    18. Dezember 2018 #21

    XXX

    Und ich kann nun nicht umhin, das zu sagen, was ist

    XXX

    Edit: Rest des Kommentars gelöscht. Bitte suchen Sie sich Gesprächsmöglichkeiten in Ihrer Umgebung. Danke. JK

  24. #27 demolog
    18. Dezember 2018

    Sie zensieren …

    Einfach so, weil ihnen nicht gefällt, was einer schreibt.

    Sind sie nur genervt, oder haben sie eine Agenda?

    Bitte lassen sie das sein.

  25. #28 Joseph Kuhn
    19. Dezember 2018

    @ demolog:

    Ich “zensiere” nicht, ich bin keine staatliche Medienaufsicht. Warum ich Ihre Kommentare nicht einfach freischalte, habe ich oben gesagt. Daran wird sich nichts ändern. Ihnen trotzdem alles Gute.

  26. #29 Dr. Webbaer
    19. Dezember 2018

    Ganz genau, lieber Herr Dr. Kuhn, stören lassen muss man sich nicht.
    Wobei allerdings einigen nicht ganz klar ist, ob wirklich von Kommentatorenseite gestört worden ist,
    ansonsten noch einmal das Lob erneuert, vielen Dank für Ihre Überlegungen und Fragen!

    MFG
    Wb

  27. #30 Joseph Kuhn
    20. Dezember 2018

    Nachspiel:

    Der bayerische Rundfunk fragt, bezugnehmend auf den Vortrag von Herrn Lübbers in Tutzing und den Auftritt von Frau Kruse dort, ob homöopathische Angebote in der Intensivmedizin einer Uniklinik vertretbar sind: https://www.br.de/nachrichten/wissen/homoeopathie-auf-der-intensivstation-einer-uniklinik,RCf5UYE

    Bei dem Marketing-Argument, “die Leute wünschen das”, frage ich mich, warum es dann im Krankenhaus nicht auch besseres Essen gibt. Die Leute wünschen das und es würde ihnen ganz sicher gut tun. Von einem problembewussteren Umgang mit nosokomialen Infektionen einmal ganz abgesehen. Bei dem Argument “die Leute wünschen das” scheint es auch so eine Art Binnenkonsens zugunsten der Homöopathie zu geben.

  28. #31 RPGNo1
    20. Dezember 2018

    Der Satz “die Leute wünschen das” ist genauso sinnbefreit wie “wer heilt, hat recht” oder “schau mal über den Tellerand”.
    Mit Speck fängt man Mäuse und mit Marketing-Sprech leichtgläubige Menschen.

  29. #32 rolak
    20. Dezember 2018

    Argument “die Leute wünschen das”

    Das ist ja generell kein wertfreies Argument, sondern spezifischer Steigbügelhalter – wird es doch ausschließlich zugunster solcher Dinge eingesetzt, die von den Einsetzenden selber gewünscht bis propagiert werden, jedoch nie für dem konträre Positionen.

    (unbemaßte absolute Angaben wie immer gefühlt und ±10% absolut)

  30. […] mehrfach von Tagungen bei der Evangelischen Akademie Tutzing berichtet, zuletzt einer über das Menschenbild in der Medizin. An diesem Wochenende ging es um die Frage, wie gegenwärtig mit Tod und Sterben umgegangen wird, […]