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In den Diskussionen hier auf Gesundheits-Check wird die Beobachtung der gesundheitspolitischen Äußerungen der AfD und der Versuch, sie zu verstehen und einzuordnen, von AfD-kritischer Seite gelegentlich als unwichtig abgetan. Der AfD ginge es doch gar nicht um die gesundheitspolitischen Inhalte, das interessiere auch ihre eigenen Wähler nicht und es reiche, sie als die rechte Partei wahrzunehmen, die sie ist.
Ich glaube, das ist eine fatale Fehleinschätzung. Mit einer AfD-affinen Einstellung kommentiert hier „Moreno“. Er hat kürzlich eine durchaus zutreffende Teilerklärung vorgebracht, warum Gesundheitspolitik für die AfD relevanter wird:
„Nun ist die AfD drittstärkste Kraft im Deutschen Bundestag und flächendeckend in 16 Landesparlamenten vertreten, und muss sich somit als kommende Volkspartei mit dem Thema Gesundheitspolitik zum Wohle unseres Volkes angemessen auseinandersetzen.“
In der Tat. Sie muss die parlamentarischen Bühnen, die sie betreten hat, auch bespielen. Die Stücke, die dort aufgeführt werden, z.B. Versandhandel bei Medikamenten, Versorgung im ländlichen Raum, Pflegekräftemangel usw. zwingen sie, sich dazu zu verhalten. Daran führt kein Weg vorbei, das sind die vielzitierten Sachzwänge. Das gilt für gesundheitspolitische Themen genauso wie für verkehrspolitische oder agrarpolitische und wird auf die Dauer sicher zu einem realpolitischen Zermürbungstest für alle primär nur rechtsideologisch motivierten AfD-Abgeordneten.
Sachzwänge und strategische Optionen
Aber jenseits dieser pragmatischen Nebenwirkung ihres Erfolgs bei den Wählern geht es um mehr. Die AfD wird nur eine Zukunft haben, wenn es ihr gelingt, den „kleinen Leuten“ zu suggerieren: I am your voice. Neben der inneren Sicherheit sind dabei soziale Themen essentiell. Die soziale Frage konstituiert schließlich mehr oder weniger die „kleinen Leute“. Bei der inneren Sicherheit kann die AfD nur bedingt punkten, weil die anderen Parteien dieses Feld inzwischen selbst intensiv bestellen, die CSU hat das im letzten Jahr bis zur öffentlichen Nervtötung vorexerziert. Weisen wir halt künftig jedes Jahr ein Dutzend schon registrierte Flüchtlinge an der österreichischen Grenze zurück. Und bayerische Grenzpolizisten, die im Grunde Bundesaufgaben übernehmen, kann sich das reiche Bayern auch leisten, wenngleich das Personal an anderer Stelle dringender benötigt würde.
Bei der sozialen Frage liegt dagegen mehr Fläche brach. Durch die seit den 1980er Jahren unübersehbare neoliberale Hegemonie politischen Denkens in weiten Kreisen der Gesellschaft, nicht nur in Deutschland, ist hier eine gesellschaftliche Schieflage entstanden. Auf der einen Seite kosmopolitisch orientierte Gewinner, tolerant gegenüber unterschiedlichen Lebensweisen, akademisch gebildet, vorwiegend in städtischen Milieus, auf der anderen Seite eher regional verankerte Leute, die das Gefühl haben, in der globalisierten Wirtschaft nicht mehr mitzukommen und von denen viele auch wirklich nicht mehr mitkommen, verunsichert durch die Auflösung tradierter Verhältnisse – eben die „kleinen Leute“, in Deutschland gespeist u.a. aus dem kleingewerblichen Milieu und den Abgehängten im Osten. Die echten Nazi-Sympathisanten kommen dazu, hier ist die AfD ja bekanntlich für offene Grenzen.
Bündnisse, Bruchlinien und die Kehrseite der Macht
Die soziale Frage als Politikangebot an die „kleinen Leute“, die „ehrlich Arbeitenden“, die dem Staat nicht auf der Tasche liegen (oder: Ruhrgebiet, Ostdeutschland – nur anerkannt unverschuldet), ist die Zukunftsperspektive für die AfD. Das lässt sich mit dem identitären Wunsch nach kultureller Homogenität, und bei den weiter Rechten auch nach ethnischer Homogenität, bruchlos verbinden. Das Ergebnis ist Höckes „national-sozialistischer“, völkischer Ansatz: Sozialleistungen vorwiegend für Deutsche. Dem stehen aber die aus der Anfangszeit die DNA der AfD bestimmenden neoliberalen Kräfte gegenüber, die Sozialleistungen insgesamt zwar als Belastung für „die Wirtschaft“ sehen, die Anspruchsberechtigung aber funktional handhaben wollen, um „die Wirtschaft“ nicht zusätzlich zu belasten. Dass ihre Wortführer Weidel und Meuthen, um den Konflikt nicht virulent werden zu lassen, stramm rechts mitsingen, ändert daran nichts.
Auf Dauer wird das nicht gutgehen. Paradoxerweise. Denn dort, wo die nationalkonservativen Kräfte an der Macht sind, machen sie in vieler Hinsicht eine Politik, die die Spielräume der Unternehmen auf Kosten der Beschäftigten erweitert. Wenn das für die „kleinen Leute“ spürbar wird, gehen sie auch gegen die autoritären Regierungen auf die Straße, wie man gerade in Orbans Ungarn sehen kann. Mehr noch als in liberalen Gesellschaften ist hier ja die Regierung mit ihren Versprechungen der Adressat bei sozialen Problemen.
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