Die Gesundheitspolitik gehört also zu den strategischen Themen, bei denen die AfD glaubhafte Angebote machen muss, um ihr Wählerpotential unter den „kleinen Leuten“ auszuschöpfen. Höcke hat das erkannt. In dem Punkt sehe ich den Stellenwert der Gesundheitspolitik für die AfD ganz anders als Kommentator „Moreno“, der meint:
„Also nichts womit man eine Wahl entscheiden könnte, sondern eher ein Stück Realpolitik für eine zukünftige Volkspartei.“
Offene Fragen und das Ende der AfD
Interessant ist nun, ob die AfD dazu die Gesundheitspolitik eher am Rande ihrer ideologischen Orientierungen mitlaufen lässt oder ob sie sie systematisch mit ihren ideologischen Kernthemen zu verbinden sucht, und wie das zwischen den Flügeln der AfD austariert wird, wie mit den realpolitischen Sachzwängen und was das mittelfristig für eventuelle Kooperationen etwa mit der CDU im Osten bedeutet.
Auffällig ist, dass die noch im Entwurf des Parteiprogramms vor drei Jahren unübersehbaren neoliberalen Exzesse wie die Privatisierung der gesetzlichen Unfallversicherung, die als Ablösung der unternehmerischen Haftpflicht zu Recht allein von den Unternehmern finanziert wird, heute kein Thema mehr sind. Die AfD hat vermutlich erkannt, dass das kein glaubhaftes Angebot an die „kleinen Leute“ war. Solche Vorhaben werden, siehe Orban, erst wieder aus der politischen Werkzeugkiste geholt, wenn es die Machtsicherung wirtschaftspolitisch erfordert, also in Deutschland hoffentlich nie. Für die Machtergreifung würde es jedenfalls stören.
Bei anderen Themen, z.B. dem Eintreten für die Alternativmedizin oder der Skepsis gegenüber dem Mobilfunk, scheint es eine Art Themenexperimentalstadium zu geben. Mal sind sie im Forderungskatalog, mal nicht. Die AfD weiß vermutlich selbst nicht, ob solche Themen von ihr gespielt werden sollen oder lieber nicht, damit die Grenzen gegenüber den Grünen hier nicht verwischen. Identitäre Klarheit ist für die AfD ja wichtig.
Und warum die sonst gerne gepflegte und sicher wählerwirksame Polemik gegen die Gesundheitsausgaben für Asylbewerber im kürzlich in Berlin vorgestellten 10-Punkte-Plan der AfD zur Gesundheitspolitik nicht vorkommt, weiß ich auch nicht. Möglicherweise ist der Punkt vom neoliberalen Flügel rausgehalten worden, der 10-Punkte-Plan ist ja insgesamt eher auf der neoliberalen als auf der völkischen Seite zu verorten. Vielleicht dürfen die Neoliberalen Gesundheitspolitik machen und die Völkischen konzentrieren sich erst mal auf die Rentenpolitik. Oder man hat erkannt, dass die Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz ohnehin am unteren Limit des menschenrechtlich Zumutbaren sind. Solche Überlegungen haben aber bisher in der AfD das programmatische Denken nicht wirklich beeinflusst. Dann hätte man populistisch-ideologische Positionen angesichts von Fakten aufgegeben, also eher unwahrscheinlich. Das wäre nämlich das Ende der AfD als Partei der einfachen und falschen Antworten auf richtige Fragen.
Kommentare (25)