Die diversen Einlassungen des Homöopathie-Ninja Becker habe ich seit dem gescheiterten Versuch, eine Ebene des Gesprächs mit ihm zu finden, praktisch nicht mehr kommentiert. Er randaliert selbst in der eigenen Szene so aggressiv, dass die Pharmalobby, würde sie die Homöopathiehersteller nicht aktiv protegieren, sondern, wie manche Homöopathen immer wieder insinuieren, wirklich als lästige Konkurrenz verdrängen wollen, jemanden wie Becker geradezu erfinden müsste. Wie er gegen manche Homöopathie-Funktionäre etwa des Zentralvereins der homöopathischen Ärzte agitiert, ist ein Paradebeispiel für eine loose cannon. Man kann sich da nur verwundert die Augen reiben, viel dazu sagen kann man nicht.
Aber jetzt gibt es doch einen Augenöffner, der berichtenswert ist. Becker schreibt heute auf seinem Blog, es hätte seitens der Skeptiker die Absicht gegeben, ein „Informationsnetzwerk Impfen“ zu gründen. Ob das stimmt, weiß ich nicht. Ob es sinnvoll gewesen wäre, darf man bezweifeln, schließlich gibt es bereits mehrere sehr gute und allgemeinverständlich gehaltene Seiten zum Impfen, z.B. beim Robert Koch-Institut oder bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Wozu also noch eine?
Der Name „Informationsnetzwerk Impfen“ scheint nun aber, wenn man Becker glauben darf, von Impfgegnern vereinnahmt worden zu sein. Darüber freut er sich wie ein Kind über einen Tag Hitzefrei:
‚Das Ziel des „Informationsnetzwerk Impfen“ ist nun nicht mehr, den Absatz von Impfstoffen zu fördern – was die Folge des Skeptiker-Netzwerks gewesen wäre. Das Ziel ist, z.B. über Personal aufzuklären, dass pro-Impfen-Propaganda macht. Und Ziel ist es, über die gesundheitspolitische Fakten rund ums Impfen aufzuklären – warum so früh und so häufig geimpft wird und mit welchen Folgen, z.B. geistigen Behinderung als Nebenwirkungen von Impfstoffen. Integrative Schulen sind beispielsweise voll mit Kindern, die als Nebenwirkungen von Impfstoffen eine geistige Behinderung erleiden müssen, wie man von Sonderpädagoginnen hören kann.
(…)
Natürlich sind Skeptiker nicht begeistert, dass ihnen nun der Name „Informationsnetzwerk Impfen“ vor der Nase weggeschnappt wurde. Denn nun müssen sie sich einen anderen Namen ausdenken. Wie wäre es mit „Skeptiker-wollen-mehr-Kohle-aus-Leverkusen-für-pro-Impfen-Propaganda-Netzwerk“?‘
Die unverantwortliche Stimmungsmache, es gäbe infolge von Impfungen in den Schulen massenhaft geistig behinderte Kinder, ist ein typischer Becker. Die Aussage ist schlicht falsch, aber ihm ist egal, was er anrichtet und ob er damit vielleicht am Ende sogar Menschenleben gefährdet. Becker wandelt damit auf den Spuren der japanischen Impfgegner, denen die Folgen ihrer Kampagne gegen die HPV-Impfung auch egal waren. Der Preis dort werden unnötige Sterbefälle durch Gebärmutterhalskrebs und andere Tumoren sein.
Was Beckers momentane Freunde von der Hahnemann-Gesellschaft wohl dazu sagen? Sie verstehen sich als „klassische Homöopathen“ in der Nachfolge Hahnemanns. Hahnemann war übrigens kein Impfgegner, die Pockenschutzimpfung hat er befürwortet – und die hatte wirklich harte Nebenwirkungen.
Wichtiger wäre aber, dass die Politik wahrnimmt, welche unheiligen Allianzen da bestehen. Gerade erst haben sich die Regierungsparteien in Bayern im Landtag mit einem Beschlussantrag für die Homöopathie eingesetzt. Man kann aber nicht beides haben: Auf Wählerfang der gut situierten bürgerlichen Homöopathieszene hinterherlaufen und in den Regionen, wo sie zuhause ist, gleichzeitig die Impfraten weiter steigern wollen. Zumindest Teile der Homöopathieszene arbeiten aktiv dagegen an. Das Ergebnis kann man empirisch sehen: Auf Kreisebene in Bayern korreliert die Impfrate für die zweite Masernimpfung im Einschulungsalter mit ca. -0,4 mit der Heilpraktikerdichte, d.h. je mehr Heilpraktiker (als Indikatorvariable für ein alternativmedizinisches Milieu), desto geringer die Impfrate.
Für Becker und Seinesgleichen ist die gesundheitspolitische Zielsetzung, die Impfraten zu steigern, erklärtermaßen und unmissverständlich „mehr-Kohle-aus-Leverkusen-für-pro-Impfen-Propaganda“. Auch dialektisch erfahrene Politiker sollten sich daher darüber klar werden, was sie eigentlich wollen. In dem Fall gilt: You cannot have the cake and eat it.
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