75.000 Menschen haben eine Petition der Homöopathen zum Erhalt des Wahltarifs für die besonderen Therapierichtungen in der GKV unterschrieben. Die Streichung des Wahltarifs ist Teil des am letzten Donnerstag verabschiedeten Terminservice- und Versorgungsgesetzes von Jens Spahn.
Es lohnt sich, dazu einmal in die Gesetzesbegründung zu schauen (Seite 94):
„Der Wahltarif zur Übernahme der Kosten für Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen wird aufgehoben. Im Jahresdurchschnitt 2017 waren laut der Mitgliederstatistik KM 1 in Wahltarife nach dieser Vorschrift 562 Versicherte eingeschrieben. Die geringe Nachfrage verdeutlicht, dass kein ausreichender Bedarf für das Angebot derartiger Wahltarife besteht. Der mit dem Angebot von Wahltarifen einhergehende Bürokratieaufwand, insbesondere für die Erstellung der notwendigen versicherungsmathematischen Gutachten, lässt sich mit der geringen Nachfrage nicht rechtfertigen. Krankenkassen können die Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen apothekenpflichtigen Arzneimitteln weiterhin als Satzungsleistungen nach § 11 Absatz 6 anbieten. Versicherte, die auch an einer Versorgung mit Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen interessiert sind, können eine Krankenkasse wählen, deren Satzung entsprechende Regelungen enthält.“
Der Wahltarif war also im Wortsinn eine homöopathische Leistung. Die meisten Kassen haben die Homöopathie ohnehin inzwischen als Satzungsleistung. Man will der alternativmedizinisch geneigten Kundschaft, oft jung und gutverdienend, ja was bieten, schließlich steht man im Kassenwettbewerb. Unter anderem mit dieser Begründung wollte übrigens der Bundesrat die Beibehaltung des Wahltarifs. In der Stellungnahme des Bundesrates heißt es: „Zudem sollte es den Krankenkassen weiterhin möglich bleiben, sich durch das Angebot eines Wahltarifs im Krankenversicherungswettbewerb zu positionieren.“ Auf Länderebene war die Lobby durchaus erfolgreich. Manchmal buhlen Parteien und Krankenkassen eben um das gleiche Klientel.
Wie viele von den 75.000, die die Petition für den Wahltarif unterschrieben haben, werden wohl geglaubt haben, es gehe um die Streichung der Homöopathie als Kassenleistung an sich?
75.000 für 562 – ist das nicht wenigstens ein schönes Zeichen der Solidarität in Zeiten der Selbstverantwortungsideologie? Zumal die Lobby sagt, die Wahltarife brauche man z.B. für chronisch Kranke wie Krebspatienten “mit erhöhtem Bedarf“? Wenn man das ernst nehmen würde, wäre es solidarischer gewesen, wenn die 75.000 den Wahltarif gewählt und somit dessen Finanzierungsbasis verbreitert hätten. Denn Wahltarife müssen sich selbst tragen, hier also von 562 Wählern bezahlt werden. Die Solidarität der 75.000 mit den 562 ist somit eher homöopathischer Natur. Praktisch alle, die Homöopathie als Kassenleistung in Anspruch nehmen, bleiben lieber bei der Satzungsleistung, die von allen Versicherten zu tragen ist. Mit anderen Worten: Sie lassen sich lieber solidarisch von den GKV-versicherten Skeptikern mitfinanzieren als ihre 562 angeblich besonders bedürftigen Geistesverwandten zu unterstützen. Wobei man dazu sagen muss, dass das für die 562 nicht zu unzumutbaren Beitragssätzen geführt hat. Die Erstattungen sind nämlich gedeckelt, bei der Techniker Krankenkasse im Tarif „Natur-Arznei“ beispielsweise zuletzt auf max. 200 Euro im Jahr (mit Ansparen auf 300 Euro pro Jahr) zusätzlich zum TK-Satzungsstandard, und entsprechend gering sind die Zusatzbeiträge, bei der TK waren es 160,08 Euro im Jahr.
Was der Wahltarif leistet und was den chronisch Kranken nun verloren geht, kann sich damit jeder selbst ausrechnen. Aber wen interessieren bei solchen Sachen schon die Fakten, wenn es ums Prinzip geht!
Kommentare (15)