Widerspenstige Kinder waren den Erwachsenen schon immer ein Dorn im Auge. Vor allem, wenn die Kinder auch noch das Verhalten der Erwachsenen kritisieren, wie gerade bei den Klimademos. Schließlich war es schon immer so, dass die Erwachsenen den Kindern sagen, was richtig und falsch ist. Nicht umgekehrt. Wo kommen wir da hin. Als nächstes demonstrieren die noch gegen Rüstungsexporte in Krisenländer oder Niedriglöhne. Ohne zu wissen, wie es in der Welt zugeht: “Von Kindern und Jugendlichen kann man nicht erwarten, dass sie bereits alle globalen Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomisch Machbare sehen“, so Christian Lindner von der FDP. Solche Sachen sind nichts für Kinder: “Das ist eine Sache für Profis”.
Ein Profi hat sich in den letzten Wochen auf verschiedenen Kanälen dazu zu Wort gemeldet. Erinnern Sie sich noch an Ulrich Kutschera? Den Ringelwurmfachmann, der erst tapfer gegen den Kreationismus zu Felde zog, sich dann im Genderdiskurs verlaufen hat, seitdem Interviews beim rechtsklerikalen „kathnet“ gibt und sich ins Kuratorium der AfD-nahen Desiderius Erasmus-Stiftung berufen ließ? Genau der. Jetzt ist er auch in Sachen Klimawandel unterwegs.
Für die AfD ist die Debatte über die anthropogenen Aspekte des Klimawandels bekanntlich pure Hysterie. Ihre Profis, z.B. Frau v. Storch, haben das mehrfach ausführlich erklärt: Das Klima wandelt sich seit eh und je, früher war es auch schon öfter warm und schuld an allem ist die Sonne. Oder der Islam. Ganz so faktenresistent zeigt sich Kutschera bei dem Thema noch nicht. Schließlich ist er, nach eigener Aussage, selbst Klimaexperte:
„Ich gehöre zu jenen Fachwissenschaftlern, die einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der anthropogenen CO2-Emission und der Klimaerwärmung vermuten, basierend auf meinen diesbezüglichen Forschungsarbeiten“
Aber dann kommt sein großes Aber. Mit seiner neuen Freundin v. Storch will er es sich ja nicht gleich wieder verderben. Schon beim Waldsterben, so Kutschera, sei alles nicht so schlimm gewesen:
„In analoger Weise halte ich die Vorhersagen gewisser „Klimaforscher“ für problematisch, da all diese Berechnungen mit enormen Fehlern behaftet sind und auf spekulativen Annahmen beruhen.“
Man beachte die von Kutschera gesetzten Anführungszeichen für die Klimaforscher. Keine Profis offensichtlich. 100 Ringelwurmprofessoren werden demnächst dazu ein 2-seitiges Papier vorlegen, das die Klimaforschung widerlegt. Und viel machen kann man in Deutschland sowieso nicht:
„Da Deutschland aber global für max. 2 % der CO2-Emission verantwortlich ist, wäre eine Reduktion um 50 % ohne jegliche weltweite Wirkung.“
Ein bestechendes Argument. Lasst uns die Welt hinreichend kleinteilig parzellieren, dann muss keiner was tun. Nach dieser Logik sollte jeder AfD-Wähler bei der nächsten Wahl zuhause bleiben. Seine Stimme hat ganz sicher keine bundesweite Wirkung. Für „Klima-Hysterie“ besteht nach Kutschera außerdem auch gar kein Anlass, weil das CO2 ins Holz geht:
„Da, wie im Fachbuch dargelegt (1), Pflanzen das “Treibhausgas CO2” als Lebensgrundlage benötigen und derzeit einen erheblichen Teil dieser vom Menschen erzeugten Emissionen in Form von Holz deponieren (d. h. entsorgen), ist die hysterische Massenpanik, die jetzt auch auf Schüler übergreift, besorgniserregend.“
Treibhausgas wieder in Anführungszeichen, ist ja eigentlich Pflanzenfutter. Aber die Leute verstehen das nicht. Für Kutschera gilt die Lindnersche Profis-statt-Kinder-Philosophie für die Gesamtbevölkerung: Die meisten Leute verfügen nicht „über ausreichende physikalisch-chemische Grundkenntnisse“, um da mitzureden. Wie gesagt, lasst das mal die „Profis“ machen. Demokratie ist nichts für normale Menschen. Es scheint, der Weg Kutscheras ins intellektuelle Abseits ist noch nicht zuende.
Wer einer guten Debatte rund um „Argumente“ wie die Kutscheras folgen will, dem seien die letzten Beiträge von Stefan Rahmstorf nebenan bei den scilogs samt seinen Antworten auf die Kommentare dort empfohlen. So ganz falsch ist das mit den Profis ja nicht.
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