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Die ZEIT weiß es genau: „Mit einer Impfpflicht würde die Politik ein wichtiges Signal senden: Sie würde deutlich zeigen, dass sie wissenschaftlichen Erkenntnissen vertraut“, schreibt sie auf Facebook.
Aber welche „wissenschaftlichen Erkenntnisse“ meint die ZEIT, welche sprechen denn für eine Masernimpfpflicht? Mal angenommen, es geht um die Masernimpfpflicht und nicht etwa um eine gegen Influenza oder HPV. Meint die ZEIT zu niedrige Impfquoten bei Kindern? Rückläufige Impfquoten? Immer mehr Masernfälle oder gar Maserntote? Nehmen Impfgegner überhand?
Auch andere Medien fordern die Impfpflicht. Beim STERN schreibt einer, der Staat würde sich von Impfgegnern auf der Nase herumtanzen lassen. Da klingt regelrecht Sehnsucht nach einem Spritzenstandrecht an. Das kann die ZEIT wohl nicht gemeint haben. Die Begründung der Impfpflicht mit gekränktem Obrigkeitsgefühl wäre die dümmste denkbare Begründung. Die Befürchtung, dass daraus bei den Verpflichteten Reaktanz resultieren könnte, die Abnahme echter Impfmotivation, hat einige Empirie auf ihrer Seite. Und dass fehlende Impfungen in der Regel nicht auf ideologische Impfgegnerschaft zurückgehen, sondern auf Vergessen, Unwissen und unnötige Hürden, sich impfen zu lassen, ist durch die wiederholten Studien der BZgA dazu auch kein Geheimnis.
Mehr Evidenz versprechen da schon Meldungen, es gäbe immer mehr Masernfälle. Wenn dazu aber überhaupt einmal Daten berichtet werden, wird es kurios, weil lokale Ereignisse zu Trends gemacht werden: „Die Zahl bestätigter Masern-Fälle in der Südpfalz steigt spürbar an. Derzeit seien 13 Erkrankungen in Landau und im Kreis Südliche Weinstraße bekannt“, berichtet beispielsweise das Rhein-Neckar-Fernsehen. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Hinweis eines Politikers in Thüringen auf gesunkene Impfquoten. Auch hier soll eine lokale Entwicklung eine bundesweite Gesetzgebung begründen. Thüringen ist das einzige Land, in dem die Masernimpfquote einen auffällig rückläufigen Trend hat. Genauer gesagt: bei der zweiten Masernimpfung, wie sie bei den Kindern im Einschulungsalter dokumentiert wurde. 2009 waren es noch stolze 95,1 %, deutlich mehr als im Bundesdurchschnitt und auch mehr als im Durchschnitt der ostdeutschen Länder. 2016 waren es nur noch 92,7 %, etwa so wie in Deutschland insgesamt. Worauf das zurückzuführen ist, weiß ich nicht. Hätte ein handlungsfähiger ÖGD es verhindern können? Bei den Unter-Zweijährigen gehen die Quoten übrigens auch in Thüringen nicht zurück.
Daten
Und in Deutschland insgesamt? Die Masernimpfquote im Einschulungsalter lag 2016 bei 97,1 % für die erste Impfung, bei 92,9 % bei der zweiten Impfung. Das sieht nicht danach aus, als ob man massenhaft Impfverweigerer zwingen müsste. Es sieht auch nicht danach aus, als ob bei den Kindern große Impflücken bestehen. Die gibt es eher bei den jüngeren Erwachsenen. Zu jung, um noch die Masern durchgemacht zu haben, zu alt, um schon gut durchgeimpft zu sein.
Die Impfquoten steigen nach wie vor, obwohl sie schon ein hohes Niveau erreicht haben. Ob eine Impfpflicht das noch verbessern könnte? Die Länder, die positive Erfahrungen mit einer Impfpflicht gemacht haben, hatten meist vergleichsweise niedrige Impfquoten.
Noch verbesserungsfähig ist die Situation bei der rechtzeitigen Impfung der Kinder. Die zweite Masernimpfung soll nach STIKO bis zum 24. Lebensmonat erfolgen. Vom Geburtsjahrgang 2014 haben dem RKI zufolge 95,6 % dieses Jahrgangs die erste Masernimpfung, und 73,7 % die zweite. Der Trend ist auch hier klar positiv. Die Quoten werden übrigens durch niedrige Werte in Sachsen aufgrund einer abweichenden Impfempfehlung der Sächsischen Impfkommission etwas nach unten gezogen, in den meisten Bundesländern liegen sie über dem deutschen Durchschnitt.
Die Masernfälle nehmen auch nicht etwa zu, so dass man hier eine alarmierende Entwicklung ausmachen könnte. Es gibt die für eine hochansteckende Krankheit typischen Zyklen mit wiederkehrenden Spitzen, aber der Trend zeigt nach unten.
Alles gut? Das sicher nicht. Jedes Jahr sterben Menschen an den Masern. Jeder Sterbefall ist einer zu viel und könnte nicht vorkommen, wenn es die Masern hier nicht mehr gäbe. 15 Sterbefälle waren es in den letzten 10 Jahren (2007-2016). Darunter war kein Säugling, drei Sterbefälle waren Kinder, die anderen Erwachsene. Hinzu kommen im gleichen Zeitraum 33 Sterbefälle durch SSPE, einer stets tödlich endenden Spätfolge der Masern. Die Tendenz ist abnehmend – weil auch die Masernfälle abnehmen.
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