Das Masernvirus kann in sehr seltenen Fällen in Zellen des Gehirns überdauern und reaktiviert werden. Betroffen sind vor allem Säuglinge, Auslöser der SSPE ist stets das Wildvirus. Die Fallzahlen gehen zurück, weil auch die Zahl der Masernfälle zurückgeht.
Wissenslücken erklären aber nicht jede Form des Nichtwissens, manchmal handelt es sich um vorsätzliche Dummheit:
“In Völkern, in denen es keine Masernimpfung gibt, da gibt es auch kein MS oder ADHS. Dafür brauche ich keine stupiden Studien, das liegt auf der Hand.“
Auf der Hand liegt, dass das Quatsch ist. Ganz abgesehen davon, dass ich nicht wüsste, unter welchen „Völkern“ es keine Masernimpfung gibt. Von Bienenvölkern einmal abgesehen.
Die unter Hamer-Jüngern verbreitete Form der Rechts-Medizin ist ganz sicher nicht auf zu wenig Wissen zurückzuführen, sondern auf zu viel Ressentiment:
“Sind eigentlich die neuen Bürger und deren Kinder auch alle geimpft? Islamische Gelehrte sind sich bei manchen Impfungen unschlüssig (…) Insbesondere bei der Pockenimpfung, die eine eiterne Impfwunde hinterlässt oder bei Impfstoffen die auf Schweineenzymen basieren.“
Die Pockenimpfung gibt es seit Jahrzehnten nicht mehr, weil die Pocken ausgerottet sind. Unausrottbar ist dagegen rechte Demagogie.
Tapfer wird zuweilen für die Impfpflicht gestritten, meist mit dem Hinweis auf die Drittgefährdung:
“(…) das kann man verlangen, weil ungeimpfte Kinder andere Menschen gefährden.“
Richtig, aber das gilt nicht nur für ungeimpfte Kinder, sondern, tausendmal gesagt, bei den Masern insbesondere auch für ungeimpfte junge Erwachsene. Dass das Gefährdungsargument in dieser Pauschalität zudem ein slippery slope-Argument ist, betont ein anderer Kommentar:
“Wenn der Staat beginnt über den Körper von Menschen zu bestimmen, sind die Folgen unabsehbar! Zuerst impfen, Organspendepflicht! Dann zwang zur Blutspende und Stammzellen werden auch immer gebraucht! Denkt man den Gedanken weiter, sind auch Organentnahmen möglich! So viele Menschen, die eine Spenderniere benötigen! Für die Allgemeinheit wäre es doch daher super, wenn man eine Lebendspende einfach gesetzlich verordnet!“
Das ist zwar nicht zu befürchten, aber nötig ist eine Abwägung der Risiken und des Preises ihrer Vermeidung, sonst kommt man mit dem Gefährdungsargument in der Tat in ungute Gefilde. Es lässt sich genauso auf Gesundheitsgefährdungen durch Abgase aus Kohlekraftwerken oder den Autoverkehr anwenden. Da sehen wir den Nutzen, der den Risiken gegenübersteht und akzeptieren statt einem Verbot eine Risikominimierung als sinnvolle Strategie. Eine Masernerkrankung nützt gewiss nichts, aber nützt die Impfpflicht und hat sie keinen Preis?
Ein Klassiker ist das Schwarze-Schafe-Argument der Heilerszene:
“Momentan habe ich den Eindruck, dass der Heilpraktikerberuf durch gezielte Skandalmeldungen abgeschafft werden soll und darum ein Popanz aufgebaut wird. Alle HP mit Globuli und Hamer gleichzusetzen, ist eine Frechheit!
Mag sein, dass inzwischen manche Leute alle Heilpraktiker mit Scharlatanen gleichsetzen, das ist sicher nicht berechtigt. Aber dem könnte man einfach begegnen, indem man in den eigenen Kreisen einmal schauen würde, wie viele Scharlatane es gibt und wenn man öffentlichkeitswirksam etwas dagegen unternehmen würde.
Zurück zum Impfen. Mancher versucht es mit einer einfachen Falschmeldung:
“Bei Medikamenten ist bereits der Verdachtsfall meldepflichtig. Bei schweren Impfschäden nur der bewiesene Fall.“
Wenn nur der „bewiesene Fall“ meldepflichtig wäre, gäbe es vermutlich keine Meldungen, weil der Nachweis eines kausalen Zusammenhangs zwischen einer Impfung und einem Gesundheitsschaden sehr schwer ist. Jeder kann den Verdacht auf eine Impfkomplikation melden, auch Patient/innen. Das Formular dazu gibt es online beim Paul Ehrlich-Institut.
Andere stellen sich dümmer, als sie vermutlich sind:
“Ich verstehe die Aufregung nicht; geimpfte Kinder können sich nicht anstecken, ungeimpgte tragen das Risiko. Was wollen Sie und alle Impfverfechter eigentlich?“
Dass es Menschen gibt, die nicht oder noch nicht geimpft werden können, dürfte sich mittlerweile auch unter Impfgegnern herumgesprochen habe. Aber man kann es ja mal probieren, vielleicht fällt einer darauf rein.
Das geht auch noch ignoranter:
“Ich bin nicht unbedingt ein Gegner der Impfpflicht, aber wieso hat sich ein geimpftes Kind angesteckt?“ – und einer antwortet: „Gute Frage. Aber Tabu.“
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