2016 sind in Deutschland 2 Menschen unmittelbar an Masern und 4 an SSPE gestorben. Alle vermeidbar. Im Moment berichten die Medien darüber jeden Tag. Das ist gut.
Der Brand der Kathedrale Notre Dame ist ein großes Unglück für die Kultur. Es bewegt Menschen weltweit. Französische Milliardärsfamilien haben schon mehrere hundert Millionen Euro Hilfe zugesagt. Das ist nobel. Die Medien berichten im Moment ständig über diesen Brand, er hat einen hohen Nachrichtenwert. Wiederholt wird auch eine vor den Flammen gerettete Dornenkrone gezeigt, die angeblich Jesus bei der Kreuzigung getragen haben soll. Woher sie wirklich kommt, weiß man nicht. Aber sie steht für die Erinnerung an einen sterbenden Menschen. Ecce homo.
Dem UNHCR zufolge sind 2018 etwa 2.300 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken. In der schönen Literatur, wo noch ein einzelnes Menschenleben zählt, wie bei den Masern, da heißt es, mit jedem Menschen stirbt eine ganze Welt. 2019 ertrinken weiter jeden Tag sechs Flüchtlinge im Mittelmeer. So viele stille Weltuntergänge. Ob die französischen Milliardärsfamilien auch dafür spenden, berichten die Medien nicht.
Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene schätzt, dass es in Deutschland jährlich bis zu 30.000 Todesfälle durch nosokomiale Infektionen gibt, viele davon vermeidbar. Im Moment berichten die Medien nicht darüber.
Das Bundesverfassungsgericht verhandelt gerade über das Verbot der „geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“. Das Verbot erschwert es auch Ärzten sehr, unheilbar kranken Menschen, die sterben wollen, zu helfen, in Würde zu sterben. Die Medien schreiben, auch hier zu Recht, ausführlich darüber.
In den deutschen Pflegeheimen liegen tausende alte Menschen, viele dement, die sich selbst nicht mehr helfen können, aber leiden, weil die Pflege leidet. Sie würden gerne ein besseres Leben haben, bei guter Pflege. Morgen gehören vielleicht wir selbst, die wir hier schreiben und lesen, dazu. Auch die Journalisten in den Medien. Sie berichten nur wenig darüber.
Durch das Rauchen sterben in Deutschland nach wie vor zehntausende Menschen vorzeitig, das Deutsche Krebsforschungszentrum hat zuletzt 120.000 vorzeitige Sterbefälle errechnet. Daran haben wir uns alle gewöhnt, die Medien verlieren kein Wort mehr darüber.
Eine Immobilienfirma hat 2004 in Berlin tausende von Wohnungen im Wert von 400 Mio. Euro übernommen. Politiker sprechen jetzt über die Idee, die Wohnungen für einen zweistelligen Milliardenbetrag zurückzukaufen. Machen sie natürlich nicht, wäre auch zu verrückt. Aber die Medien berichten gerne darüber.
Dass Berlin, statt die Wohnungen zurückzukaufen, mit einem zweistelligen Milliardenbetrag in den sozialen Wohnungsbau einsteigt, darüber berichten die Medien auch nicht. Weil es nicht stimmt. Das wäre ja auch zu verrückt. Am Ende glaubt noch jemand, die Politik habe einen Plan für bezahlbare Mieten.
Wussten Sie eigentlich, dass beim FC Barcelona jeder Spieler im Schnitt 12 Millionen Euro Gehalt pro Jahr erhält? Das macht Mieten bezahlbar. Der Ex-VW-Chef Winterkorn hat dagegen nur eine Pension im Wert von insgesamt 29 Mio. Euro. Eine „Games of Thrones“-Schauspielerin will Polizistin werden, ein Hund wurde vor einer Bohrinsel aus dem Meer gefischt und nach dem Gute-Kita-Gesetz und dem Starke-Familien-Gesetz kommt jetzt das Geordnete-Rückkehr-Gesetz. Auch alles Meldungen mit hohem Nachrichtenwert.
Kommentare (14)