Am 26. Mai sind Europawahlen. Zeit, mal wieder zu schauen, womit die AfD diesmal gesundheitspolitisch wirbt.
Auftakt
Im Europawahlprogramm der AfD gibt es ein Kapitel mit vier Seiten zur Gesundheitspolitik. Überschrieben ist es mit „Subsidiarität in der Gesundheitspolitik wahren“. Dazu werden dem Gesundheitskapitel in einer Art Präambel ein paar allgemeine und unkonkrete Aussagen vorangestellt, die das nationalistische Souveränitätsgefühl bedienen sollen. Natürlich soll nicht alles auf europäischer Ebene geregelt werden, aber inwiefern es sinnvoll ist, zu fordern, „dass die Gesundheitspolitik ausschließlich in den Zuständigkeitsbereich der nationalen Gesetzgebung fällt“, mag jeder selbst beurteilen. Dagegen spricht die Globalisierung der Gesundheitsrisiken ebenso wie die Notwendigkeit, bei Freizügigkeit von Handel, Dienstleistungen und Personen innerhalb der EU bestimmte Verbraucherschutz-, Umweltschutz- und Gesundheitsschutzfragen einheitlich zu regeln.
Der Klassiker: Flüchtlinge und die Seuchengefahr
Das erste Unterkapitel greift ein altes Kernanliegen der AfD auf, den „Schutz der Bevölkerung vor Infektionskrankheiten und Epidemien“. Dabei geht es aber nicht um die Masernelimination, um neue Pandemiegefahren oder um die Krankenhausinfektionen, Themen, bei denen man auf europäischer Ebene handlungsfähiger werden sollte, sondern natürlich um die Flüchtlinge. Die schleppen schließlich Seuchen ein, eine Urangst gegenüber Fremden. Das greift die AfD auf und schreibt: „Seit Beginn der Flüchtlingskrise ist ein signifikanter Anstieg meldepflichtiger Infektionskrankheiten zu verzeichnen“. Woher sie das hat, und welchen Anteil Flüchtlinge überhaupt an den Infektionskrankheiten haben, schreibt sie nicht. Dafür kennt sie die Lösung für das Nichtproblem: Die Flüchtlinge sollen, so die AfD, samt und sonders auf alle möglichen Infektionen untersucht und die Befunde in einem „biometrischen Gesundheitspass“ dokumentiert werden. Welchen Sinn ziellose Rundumuntersuchungen haben, was sie kosten und woher die Kapazitäten dafür kommen sollen, weiß nur die AfD. Dafür ist umso klarer, warum die Flüchtlinge einen biometrischen Gesundheitspass tragen sollen, das kann man getrost als fremdenfeindliches Stigmatisierungsprogramm sehen. Auf die relevanten Infektionskrankheiten werden Flüchtlinge übrigens längst untersucht. Die Ergebnisse sind wenig aufregend, außer bei TBC kommt nicht viel dabei heraus, wie das RKI 2018 festgestellt hat. Ganz undifferenziert spricht die AfD dann noch von „Migranten“: In Deutschland haben 20 % der Bevölkerung Migrationshintergrund, darunter mehrere Millionen Russlanddeutsche.
Etwas Versorgungssystem
Das zweite Unterkapitel kritisiert die Privatisierung im Krankenhausbereich. Die AfD fordert: „Keine weitere Krankenhausprivatisierung durch europaweit agierende Gesundheitskonzerne“. Darüber kann man durchaus reden. Am besten wäre eine europäische Regelung. Aber das will die AfD ja nicht.
Das dritte Unterkapitel wendet sich gegen eine „europaweite Organspendepflicht“. Mir ist nicht bekannt, dass so etwas geplant ist.
Das vierte Unterkapitel thematisiert den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln. Den will die AfD verbieten. Die Apotheker wird’s freuen.
Die Heilpraktiker
Das fünfte und letzte Unterkapitel fordert den Erhalt des Heilpraktikerberufs: „Letztlich ist der Patient selbst dafür verantwortlich, von wem er sich behandeln lässt.“ Und wenn es schief geht: selbst schuld. So stellt man sich gesundheitlichen Verbraucherschutz vor. Nach dieser Logik kann man dann auch die Lebensmittelüberwachung abschaffen, ist halt jeder selbst dafür verantwortlich, ob er was mit viel oder wenig Pestiziden kauft. Arzneimittelüberwachung? Kann auch weg. Das Schema lässt sich fortsetzen.
Immerhin ist die AfD insofern konsequent, dass sie für Europa, das sie ablehnt, auch keine ernstzunehmende gesundheitspolitische Programmatik formuliert.
Am Rande: Die AfD kennt die Herren Ramsauer, Dobrindt und Scheuer nicht
Im Kapitel „Umweltschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz“ schreibt die AfD über die Dieseldebatte: „Von Regierung, etablierten Parteien und der EU wird den Bürgern verkündet, dass Verbrennungsmotoren schlecht und unzeitgemäß seien“. Ich habe den Eindruck, das haben sie aus einen kalifornischen Programm abgeschrieben, oder einem chinesischen. Oder will sie uns einfach nur für dumm verkaufen?
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