Eine nicht zu Ende gedachte Provokation …

Der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert hat die SPD mit seiner Idee, Firmen wie BMW zu sozialisieren, aus dem Groko-Schlaf geschreckt. Sogar seinen Parteiausschluss fordern manche tapfere Sozialdemokraten.

Man kann darüber streiten, ob Kühnerts Einwurf taktisch klug war, man kann auch darüber streiten, ob er sachlich klug ist und welche Probleme mit einer alternativen Eigentumsform für BMW wirklich zu lösen wären.

Die letzte Frage führt absehbar in Weltanschauungsendlosschleifen. Wir haben uns inzwischen daran gewöhnt, dass es zur bestehenden Wirtschaftsordnung keine Alternativen gibt, oder, wie ich vor kurzem Slavoj Žižek zitiert hatte, dass es „einfacher ist, sich das Ende der Welt vorzustellen als das Ende des Kapitalismus“. An positiven Utopien herrscht gerade etwas Mangel.

… immerhin verfassungskonform,

Aber davon einmal abgesehen, ist die Aufregung um einen möglicherweise nicht ganz zu Ende gedachten Satz doch auch kurios. Art. 15 Grundgesetz sieht bekanntlich die Möglichkeit, Produktionsmittel „in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft“ zu überführen, explizit vor, Art. 14 die Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit. Gut, warum BMW nach einer Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit tätig sein sollte, weiß man nicht.

Aber Enteignungen nach Art. 14 kommen immer wieder vor: Wenn Straßen gebaut werden, aber die Grundstückseigner nicht verkaufen wollen, oder ein Dorf wegen Braunkohle abgebaggert werden soll, die Leute aber nicht freiwillig weichen. Das Eigentum eines Dorfbewohners mag man als weniger schützenswert ansehen als das der Quandt-Familie, nur warum noch mal genau? Weil es weniger wert ist?

Während das Grundgesetz bei der Möglichkeit der Enteignung vorsichtig von „können“ spricht, ähnlich z.B. Art. 160 der bayerischen Verfassung, ist Art 39 der hessischen Landesverfassung viel forscher. Dort heißt es apodiktisch: „Jeder Missbrauch der wirtschaftlichen Freiheit – insbesondere zu monopolistischer Machtzusammenballung und zu politischer Macht – ist untersagt. Vermögen, das die Gefahr solchen Missbrauchs wirtschaftlicher Freiheiten in sich birgt, ist auf Grund gesetzlicher Bestimmungen in Gemeineigentum zu überführen.“ Ein Verfassungsauftrag, den in Hessen vermutlich niemand ernst nimmt und sicher auch viele gar nicht kennen.

… und gewerkschaftskonform,

Kevin Kühnert kommt nicht aus Hessen. Aber vielleicht ist er IG-Metall-Mitglied? Kaum jemand weiß, dass auch § 2 der Satzung der IG Metall die „Überführung von Schlüsselindustrien und anderen markt- und wirtschaftsbeherrschenden Unternehmungen in Gemeineigentum“ vorsieht. Ich wusste es jedenfalls vor der Debatte um Kühnerts Äußerungen nicht. Als Verdi-Mitglied habe ich gleich mal die Verdi-Satzung durchgesehen: sie verpflichtet mich nicht dazu, BMW zu enteignen. Wer in Bayern lebt, muss damit schließlich auch vorsichtig sein. Für den BMW-Betriebsrat, vermutlich IG-Metall, ist wegen Kühnerts Äußerungen die SPD nicht mehr wählbar.

… historisch common sense und gut christlich gedacht,

In der Mai-Ausgabe der Blätter für deutsche und internationale Politik ist passenderweise zur Debatte um die Nichtdebattierbarkeit von Alternativen zum Status Quo ein Artikel von Hans-Peter Waldrich mit dem Titel „Demokratie als Sozialismus“. Waldrich zitiert darin Nachkriegspolitiker wie den Mitbegründer der CDU, Jakob Kaiser, für den damals eine sozialistische Wirtschaftsordnung ganz selbstverständlich war. Bis hin zu Adenauer. Viele dachten damals Sozialismus und Demokratie als zusammengehörig. Das Wetterleuchten dieser Überzeugung lesen wir noch in den zitierten Verfassungsstellen. Ob und wie sich daraus menschenfreundliche Perspektiven hätten ergeben können? Man weiß es nicht, der undemokratische real existierende Sozialismus hat solche Perspektiven nachhaltig verschüttet. Harte Kapitalismuskritik gibt es heute, etwas böse formuliert, nur noch vom Papst. „Diese Wirtschaft tötet“, steht in seinem Lehrschreiben Evangelii Gaudium.

… aber heute undenkbar?

Ob Kevin Kühnert katholisch ist? Eher nicht. Ob es ihm geholfen hätte, wenn er den Papst zitiert hätte? Wohl auch nicht. An die Auto-Toten haben wir uns so sehr gewöhnt wie an die Toten im Mittelmeer oder an die Tatsache, dass das untere Einkommensfünftel auch bei uns ein paar Jahre früher stirbt als das obere Einkommensfünftel. Über all das wollen wir lieber nicht nachdenken. An den Reaktionen auf Kevin Kühnerts Äußerungen sieht man ja, was dabei herauskommt.

Aber wenn nicht einmal mehr Jusos darüber nachdenken dürfen, was bleibt dann als Alternative für Deutschland? Nur die Genugtuung, dass eine Provokation wie die Kühnerts nicht reicht? Wie gesagt, an positiven Utopien herrscht gerade etwas Mangel.

Kommentare (36)

  1. #1 hto
    3. Mai 2019

    Tja, BMW war wohl schlecht gewählt, aber auch jeder andere Autobauer, wo wir den Individualverkehr und das Thema Arbeit sowieso ganz anders denken MÜSSEN!?

    Vielleicht haben wir ja Glück und unsere Vernunftbegabung bekommt doch noch die Kurve, es bewegt sich ja langsam was, weg von den Dummdenkern.

  2. #2 BBBo
    3. Mai 2019

    “It seems to be easier for us today to imagine the thoroughgoing deterioration of the earth and of nature than the breakdown of late capitalism; perhaps that is due to some weakness in our imaginations.”
    Fredric Jameson

    • #3 Joseph Kuhn
      3. Mai 2019

      @ BBBo:

      Danke für den Quellenhinweis. Mark Fisher zitiert in seinem Buch “Kapitalistischer Realismus ohne Alternative?” wiederholt Žižek und Jameson, das Zitat schreibt er beiden zu (Seite 8). Irgendwer wird es zuerst gesagt haben, wer auch immer. Jedenfalls ist der Satz gut, nicht nur ein Bonmot, sondern bezeichnend für den Horizont unseres Vorstellungsvermögens. Es gefällt mir, weil es eine zu Recht resignative Gegenwartsanalyse hintergründig doch mit einem widerständigen, vorwärtsweisenden Akzent versieht.

  3. #4 user unknown
    https://demystifikation.wordpress.com/2019/05/02/fdp-chaoten/
    3. Mai 2019

    Man muss Ihnen aber nicht erklären, wieso Kohleabbau im Tagebau darauf angewiesen ist, ganze Dörfer plattzumachen und es keine Lösung ist, jedes vierte Grundstück von 4 Dörfern von denen zu kaufen, die dem Verkauf freiwillig zustimmen, während Grundstücke für den öffentlichen Wohnungsbau nicht zwingend unparzelliert sein müssen?

    • #5 Joseph Kuhn
      3. Mai 2019

      @ User:

      Die Logik nach dem Schema „es gibt keine Alternative“ muss man mir nicht erklären, sie ist der Kern des Blogbeitrags, was man Ihnen hoffentlich nicht erklären muss.

  4. #6 BBBo
    3. Mai 2019

    @Joseph Kuhn
    Gerne, Frederic Jameson schreibt 2003 (Das erste Zitat ist von 1994) auch, dass “Someone once said that it is easier to imagine the end of the world than to imagine the end of capitalism.” ( https://newleftreview.org/issues/II21/articles/fredric-jameson-future-city). Aber Sie haben recht, irgendwer wird es zuerst gesagt haben.

    “Da unter den gegenwärtigen Umständen die offene und ungehinderte Diskussion dieser Probleme einem allgegenwärtigen Tabu unterliegt […]”(Einstein, Albert: Warum Sozialismus?, 1949), danke ich für die Hinweise auf die Länderverfassungen.

    • #7 Joseph Kuhn
      3. Mai 2019

      @ BBBo:

      “Tabu”

      Nebenan bei Thilo ist ein anderer Punkt des Kühnert-Interviews Thema (die Sache mit den Mietwohnungen). Der Kommentator “rolak” zitiert dabei aus dem SPD-Parteiprogramm: “Der demokratische Sozialismus bleibt für uns die Vision einer freien, gerechten und solidarischen Gesellschaft, deren Verwirklichung für uns eine dauernde Aufgabe ist.”

      Das hat man geheimgehalten! Ein Tabu!

      Ich dachte ja auch immer, der Passus sei längst ersetzt durch den Satz “Die GroKo bleibt für uns die Vision, deren Verwirklichung für uns eine dauernde Aufgabe ist.”

      “Länderverfassungen”

      Die sind ein Abgrund sozialistischer Umtriebe. In der bayerischen Verfassung stehen z.B. Sätze wie “Offenbarer Missbrauch des Eigentums oder Besitzrechts genießt keinen Rechtsschutz” (Art. 158), “Steigerungen des Bodenwerts, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen” (Art. 161), “Die menschliche Arbeitskraft ist als wertvollstes wirtschaftliches Gut eines Volkes gegen Ausbeutung, Betriebsgefahren und sonstige gesundheitliche Schädigungen geschützt” (Art. 167) oder “Für jeden Berufszweig können Mindestlöhne festgesetzt werden” (Art. 169).

      Und weil wir vorhin die Hessische Verfassung hatten: “Es ist eine das gesamte Volk verbindende Sozialversicherung zu schaffen” (Art. 35). Dass sich hessische Parteien demzufolge besonders um die Bürgerversicherung bemühen, ist nicht bekannt.

  5. #8 PDP10
    4. Mai 2019

    *gnihi* der Joseph hat den Test gemacht …

    😉

    Nein, im Ernst. Die Bayerische Verfassung ist in der Tat ganz schön sozialistisch geprägt, wie man in oben verlinktem Artikel unschwer nachlesen kann.

    Insbesondere durch zwei Sozis: Kurt Eisner, der schon 1919 ermordet wurde und Wilhelm Hoegner.
    Das ‘S’ in “CSU” wird wohl mal irgendwann Gründe gehabt haben. Aber das haben die wohl vergessen.

  6. #9 rolak
    4. Mai 2019

    Wenn schon (und zwar dankenswerterweise) eine der wohl unbekanntesten Arbeiten Einsteins zitiert wird, sei sie auch verlinkt und (~)übersetzt.
    Ist schon erstaunlich, wie sehr versucht wird, seine extrem gut belegten, funktionalen Relativitätstheorien hinwegzu’argument’ieren, während diese offen zur Diskussion einladende Schrift nicht mal mit der Kneifzange angepackt wird – obgleich sie doch für pauschale Diffamierungen wesentlich besser geeignet sein dürfte.

    Der Kommentator “rolak” zitiert

    Hmm. Klingt fast wie eine Berufsbezeichnung, doch die “”? OK, deutlich besser als »Der “Kommentator” rolak«, Joseph, doch warum eigentlich nicht »rolak zitiert« wie ein paar Wörter vorher auch »Nebenan bei Thilo«? Soll der Abstand ‘Bezeichnung hier’ und ‘Bezeichnung im Ausweis’ graphisch dargestellt werden? Da müßte dann allerdings noch etwas zugelegt werden angesichts der hier unsichtbaren VornamenSammlung ;•)

    Gefühlt scheint mir übrigens der PassusErsatz deutlich drastischer (merkelistischer?) ausgefallen zu sein: “Die GroKo ist für uns alternativlos”.

    Jedenfalls schönen Dank für die Normalisierung qua Gegenüberstellung des für so erschreckend Viele so erschreckend unnormal wirkenden Redetextes!

    ~·~
    ..und jetzt drehe ich den Spieß nick um und frühstücke ein paar kalorien.

  7. #10 hto
    4. Mai 2019

    #8

    Die Begründung für das Vergessen: Das C vor dem S – die Bibel ist schon länger die Grundlage für Heuchelei und Lügen!

  8. #11 Moreno
    4. Mai 2019

    „einfacher ist, sich das Ende der Welt vorzustellen als das Ende des Kapitalismus“

    Weil es den Kapitalismus als eigenständige Politische Strömung nicht gibt. Es ist der Liberalismus, der es ermöglicht Besitz zu erwerben, zu vermehren und auch an Nicht-Leistungsträger innerfamiliär zu vererben.

    Eine befriedete Gesellschaft sollte den Ausgleich zwischen “Gewinnern” und “Verlierern” harmonisieren. Aufgabe der Politik. Was wir aber erleben ist eine tiefe Gesellschaftsspaltung, die Demontage einer breiten Mittelschicht, unbezahlbarer Wohnraum, 40 Prozent Bevölkerung die kein Vermögen hat und eine drohende Altersarmut auf die keine der Parteien ein seriöses Gegenkonzept vorlegen kann.

    Der Ruf eines Studienabbrechers nach sozialistischen Zwangsenteignung, befriedet die Gesellschaft auch nicht. Und ob es anschließend zu mehr Ausgleich benachteiligter Bürger kommt, ist reine Spekulation

  9. #12 rolak
    4. Mai 2019

    Was wir .. erleben

    Wenn wir mal generös über die unverschämte Generalisierung des ‘wir’ in dieser ideologieverblendeten Weltsicht hinwegsehen: Ökonomie und Politik zu verwechseln bzw in einen Topf zu schmeißen ist ja schon ein Armutszeugnis in Richtung ‘Hirn im Pfandhaus’, aber dieser gräßliche Zwang, sich neue Formulierungen ausdenken zu müssen – gewisse Ausprägungen sind augenscheinlich nach unten unbegrenzt. ‘Die Scheuklappen sitzen wohl etwas eng’ zieht in solchen Fällen wohl gar nicht mehr, da läuft auf von innen auf die zugeklappten Lider projizierte Propaganda^^
    Allein der Pleonasmus »Zwangsenteignung« ist derart demaskierend…

  10. #13 Joseph Kuhn
    4. Mai 2019

    @ PDP10:

    “Die Bayerische Verfassung ist in der Tat ganz schön sozialistisch geprägt”

    Aber nicht im Sinne des einst real existierenden Sozialismus (dessen rezente chinesische Variante unseren Unternehmern so gut gefällt). Die bayerische Verfassung garantiert nicht nur das Eigentum: “Eigentumsrecht und Erbrecht werden gewährleistet” (Art. 103), sie würdigt auch ausdrücklich die privatwirtschaftliche Betätigung: “Die Freiheit der Entwicklung persönlicher Entschlußkraft und die Freiheit der selbständigen Betätigung des einzelnen in der Wirtschaft wird grundsätzlich anerkannt” (Art. 151) sowie die Effizienz privatwirtschaftlicher Mechanismen: “In Gemeineigentum stehende Unternehmen können, wenn es dem wirtschaftlichen Zweck entspricht, in einer privatwirtschaftlichen Form geführt werden” (Art. 160).

    Allerdings ist immer die Orientierung am Gemeinwohl dabei, neben den oben schon zitierten Passagen z.B. auch: “Die wirtschaftliche Freiheit des einzelnen findet ihre Grenze in der Rücksicht auf den Nächsten und auf die sittlichen Forderungen des Gemeinwohls” (Art. 151).

    Man könnte sagen, sie hat die soziale Marktwirtschaft mit der Maxime “Eigentum verpflichtet” noch ernst genommen, statt sie als freie Marktwirtschaft mit Sozialhilfeflankierung umzudeuten, wie es heute für viele so selbstverständlich geworden ist.

  11. #14 Andreas Lichte
    4. Mai 2019

    Die Reaktion auf Kevin Kühnert ist mehr als „aufgeregt“:

    ist das eine „URANGST” der Rechten, dass der Kapitalismus untergehen könnte?

    Danach sieht es ja gerade nicht wirklich aus … hier fällt mir immer wieder das ein:

    https://www.youtube.com/watch?v=et-s_GnUNBw

    Basil Exposition: “This is Commander Gilmour, US Strategic Command – and General Borschevsky, Russian Intelligence”

    Austin Powers: “Russian Intelligence? Are you mad?”

    Basil Exposition: “A lot’s happened since you were frozen – the Cold War is over!”

    Austin Powers: “Well – finally those capitalist pigs will pay for their crimes, eh? Eh comrades? Eh?”

    Basil Exposition: “Austin … we won.”

    Austin Powers: “Oh, groovy, smashing, yay capitalism!”

  12. #15 BBBo
    4. Mai 2019

    “dieser gräßliche Zwang, sich neue Formulierungen ausdenken zu müssen”

    Ich kann diesen Zwang schon verstehen. So ein Satz wie beispielsweise:
    “Der Idiot sagt: Geraubtes Eigentum muss geraubt bleiben”
    klingt doch ganz anders als:
    “Der Privatmann sagt: Privates Eigentum muss privat bleben”

  13. #16 nouse
    4. Mai 2019

    Mir wurde berichtet, Art. 15 sei im wesentlich der Tatsache geschuldet, daß man beim Verfasses des GGs noch nicht sicher war, wohin die wirtschaftliche Reise der BRD hinginge.
    Ist da was drin?

  14. #17 Heike Nürnberg
    Bottrop
    4. Mai 2019

    Nun ist die Sache mit dem “real existierenden Sozialismus” ja so eine Sache 😉
    Was Marx und Engels sind da überlegt haben sind Systemmodelle, Denkmodelle. So zumindest verstehe ich das. Da ist viel mehr Philosophie hinter, als so manch einer das wahr haben möchte. Und niemand, auch Kühnert nicht, will DDR reloaded.

    Fakt ist aber nun mal, dass die SPD das “S” im Namen nicht mehr wirklich verdient. Und dagegen redet Kühnert an. Und natürlich übertreibt er. Und das ist auch ganz gut so. Wenn man sich alleine mal anschaut, wie die Politiker, die in ihren üblichen Schienen und Machtstrukturen gerade wie aufgeschreckte und panische Hühnchen durch die Gegend rennen, konservative Medien prophezeien, wie falsch es gerade jetzt ist, was Kühnert sagt, unseriöse Journalisten seine Person verunglimpfen wollen, dann kann ich nur sagen: “Da haste gerade mal alles richtig gemacht.”

    Das Verständnis von einer vernünftigen Politik, wie ich sie verstehe, ist der “demokratische Sozialismus”. Ohne dabei vom Grundgesetz abweichen zu müssen. Das halte ich nämlich in den meisten Punkten für sehr vernünftig.
    Ich bin der Ansicht, dass auch konservative Politik seine Daseinsberechtigung hat. Niemand kann Politik für tatsächlich alle machen, also brauchen wir eine Vielfalt. Ich z. B. möchte und kann keine Politik für bestimmte Bevölkerungsgruppen machen, weil ich viele Sachen gar nicht nachvollziehen kann. Das überlasse ich gerne anderen und debattiere dann mit denen, wie wir beides unter einen Hut bekommen können. Dass dafür Abstriche gemacht werden und Kompromisse eingegangen werden müssen, liegt doch auf der Hand. Und deshalb muss man entsprechend hoch pokern, damit man nicht in die Tasche gesteckt wird und letztendlich nicht das erreicht, was man im Sinn hat.

    • #18 Joseph Kuhn
      4. Mai 2019

      @ Heike Nürnberg:

      “Ich bin der Ansicht, dass auch konservative Politik seine Daseinsberechtigung hat.”

      Keine Frage, jede politische Richtung, die sich auf dem Boden des Grundgesetzes bewegt, hat ihre Daseinsberechtigung. Und von den großen politischen Strömungen (konservativ, liberal, sozialistisch) gehen auch nach wie vor wichtige Impulse für alle Parteien aus.

  15. #19 Moreno
    4. Mai 2019

    @ Heike Nürnberg

    Demokratischer Sozialismus, was soll das sein? Aus meiner Sicht gibt es die Demokratie, und hier sind politische Mehrheitenverhältnisse des Volkeswillen ausschlaggebend, und der ändert sich ständig. Deshalb wird ja auch alle vier Jahre gewählt.

    Wie soll den der demokratische Sozialismus funktionieren, wenn die Mehrheit des Volkes eine liberale oder konservative Regierung wählt? Ich habe auch noch nie Sätze gehört wie: Ich möchte den demokratischen Liberalismus oder demokratischen Konservativisumus. Das ergibt überhaupt keine Sinn.

    Sozialismus war immer mit Diktatur und Unterdrückung verbunden. Aktuell versucht gerade das venezolanische Volk Sozialismus gegen Demokratie einzutauschen.

    • #20 Joseph Kuhn
      4. Mai 2019

      @ Moreno:

      “Demokratischer Sozialismus, was soll das sein?”

      Die Frage danach, was das sein soll, ist eine dumme Frage, weil man Antworten nachlesen kann. Und natürlich kann man genauso für einen “demokratischen Liberalismus” (statt bloßem Wirtschaftsliberalismus) oder einen “demokratischen Konservativisumus” (statt autoritärem Konservatismus) eintreten.

      Klüger wäre die Frage gewesen, was das heute in Deutschland in der Praxis bedeuten könnte: Wie können Entscheidungen auch in gesellschaftlichen Teilsystemen wie der Wirtschaft demokratischer organisiert werden, ohne die Sache insgesamt zu vermurksen. Da sind wir dann wieder bei dem, was oben steht: An positiven Utopien herrscht gerade etwas Mangel.

  16. #21 Andreas Lichte
    4. Mai 2019

    @ Moreno

    Schon mal was von der “Demokratie des Duden” gehört?

    “Konservativisumus (Das ergibt) überhaupt keine Sinn.”

    Stimmt. Hat “keine Sinn”. Ihr Kommentar.

  17. #22 Umami
    4. Mai 2019

    Der Bagger backert nicht, er baggert.

    • #23 Joseph Kuhn
      4. Mai 2019

      @ Umami:

      Dem ist nichts hinzuzufügen. Danke für den Hinweis, ist korrigiert.

  18. #24 hto
    4. Mai 2019

    @Moreno

    Grundlage für sozialistische Demokratie sind Enteignung und Verstaatlichung. Dann geht es nur noch um demokratische Entscheidungen ob ein Projekt im Sinne der Gemeinschaft ist. Arbeit, die dann bei stets selbigen Entlohnung beliebig oft geteilt werden kann, kann ohne irgendwelchen Druck und oder Ausbeutung garantiert und erstmals nach wirklich-wahrhaftiger Leistung ausgeführt werden.
    So gerecht erarbeitete Werte über der Grundversorgung / den Grundrechten, brauchen keinen Gerichtsvollzieher wegen irgendwelcher Verfahren im Sinne von Staatsabgaben oder “Eigentum verpflichtet” fürchten, allerdings kann solch Eigentum der Gerechtigkeit wegen auch nicht vererbt werden.

  19. #25 Alisier
    4. Mai 2019

    Aktuell versucht das venezolanische Volk irgendwie durchzukommen und sich nicht zwischen den USA, Russand und China aufreiben zu lassen, Moreno.
    Was es mit Guaidò bekommen würde weiß aktuell noch niemand.
    Das Land ist letztendlich eine Art merkwürdiger Militärdiktatur, und es sieht nicht so aus, als würde sich das so schnell ändern lassen. Dass das, wie damals in Portugal bei Salazar durch kluges Handeln der Militärs gut ausgeht ist noch lange nicht ausgemacht. Meistens gings nämlich schief.
    Auf dem Wort “Sozialismus” herunmzureiten nützt aber nichts. Wenn ich das richtig sehe, favorisiert selbst die AfD eine Art nationale und nach Herkunft orientierte soziale Umverteilungsideologie. Zumindest tut sie so, um die sich als Verlierer Fühlenden zu verführen.
    Und sozial beutet noch nicht Sozialismus. Das gilt aber dann bitte für alle und nicht nur für die, die ins Feindbild passen.
    Und wer Sozialismus immer mit Diktatur gleichsetzt ist ideologisch genau so verbohrt wie damals die DDR Granden.

  20. #26 Moreno
    4. Mai 2019

    @ Alisier

    Waren nicht die meisten sozialistischen Gesellschaftsformen Unterdrückungssysteme? Das eine demokratische Gesellschaft auch soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit braucht, versteht sich. Wie weit der Staat bestimmte Dinge reguliert, dafür ist die parlamentarische Debatte zuständig.

    @ Andreas Lichte

    Danke fürs Korrekturlesen.
    Ihre Erscheinung hat mich ermutigt, den Begriff “Korinthenkacker” zukünftig richtig zu schreiben.
    https://www.duden.de/rechtschreibung/Korinthenkacker

  21. #27 Joseph Kuhn
    4. Mai 2019

    Stichwort soziale Gerechtigkeit:

    Der SPIEGEL hat zur Debatte ein paar Daten zur sozialen Gerechtigkeit zusammengestellt und kommt zum Fazit:

    “Die real existierende bundesdeutsche soziale Marktwirtschaft hat zu solch ausgeprägter Ungleichheit bei Eigentum, Macht und Möglichkeiten geführt, wie sie auch bei weit ungezügelteren Spielarten des Kapitalismus zu erwarten wäre. Kevin Kühnert hat zwar keinen kohärenten Lösungsansatz dafür entwickelt. Aber immerhin wird nun wieder darüber gestritten.”

  22. #28 Andreas Lichte
    4. Mai 2019

    @ Moreno, Zitat: “Danke fürs Korrekturlesen.”

    nicht dafür

    Ihr Kommentar hat inhaltlich auch “keine Sinn” – ist aber zu langweilig, um es zu korrigieren

  23. #29 Cornelia Stella Gliem
    Korbach
    5. Mai 2019

    https://www.verfassungen.de/de49/chiemseerentwurf48-i.htm

    hier etwa kann man genau nachlesen welche verschiedenen Meinungen Richtungen es zu den strittigen punkten der grundgesetz-Entwürfe gab.
    auch und gerade zu fragen des Wirtschaftssystems.
    Man hat absichtlich widersprüche belassen und Leerstellen für die zeitanpassung.

  24. #30 Dr. Webbaer
    6. Mai 2019

    Deckt sich mit dem Kenntnisstand des Schreibers dieser Zeilen, der Sozialismus ist seinerzeit der SPD geschuldet als Alternative zur Liberalen Demokratie im bundesdeutschen Verfassungssubstitut (hier bitte nicht ärgern, es liegt ein Substitut vor, eine Verfassung sollte sich das deutsche Volk nach Wiedervereinigung geben, was aber von Helmut Kohl ignoriert worden ist, also die Verfassung, bei besonderem Bedarf holt Dr. W auch gerne den diesbezüglichen Paragraphen hervor) nicht ausgeschlossen worden, insofern war das, was der SPD-Jungspund vorschlug, nicht verfassungsfeindlich.


    Tja, wie könnte Kritik an Auswüchsen des mittlerweile oft globalen, sozusagen globalistischen Finanzkapitals aussehen?
    Dr. Webbaer rät an den marxistischen Begriff des Kapitalismus zu meiden, wenn in einer Liberalen Demokratie, die insbesondere auch die Freiheit der Einzelnen im Unternehmerischen schätzt, gelebt wird.
    Ansonsten müsste man an die Auswüchse ran, klar erkennbar bspw. dadurch wenn liberale Demokratien im Rahmen (legaler) Steuervermeidung gegeneinander ausgespielt werden, von Großunternehmen, und wenn global tätige Großunternehmen zu politischen “Playern” werden, zu wichtigen “Playern”, so ganz ohne Mandat.
    Der Verdacht besteht, dass diese Unternehmen Medien einkaufen (dieser Verdacht ist keiner, er ist belegt) und sich womöglich auch an Mandatsträger heranmachen, die dann oft umstandslos nach politischem Karriereende ins (oft internationalistische) Großkapital wechseln, Merz bspw. für BlackRock, Gerd für Gazprom, andere für irgendwelche international tätigen Sozialorganisationen (zumindest nennen die sich so, sie sind oft steuerbegünstigt), auch aus dem Hause Soros.


    Ganz böse formuliert, sozusagen, könnte das Wahlvolk also auf die Idee kommen die Nationalstaatlichkeit und Interessen der Bürger in eben diesen Nationalstaaten wieder mehr herauszustellen, als Kapitalismuskritik sozusagen, denn es scheint einigen schon intuitiv zu sein, dass Bürger von Nationalstaaten das Wohlergehen eben dieser Nationalstaaten und letztlich das eigene Wohlergehen zuvörderst im Auge haben.

    In Unternehmen der Wirtschaft bspw. ist es klar, dass sich ausschließlich von Angestellten im Rahmen des Interesses des eigenen Unternehmens bemüht wird.
    In der zeitgenössischen Politik wird in liberalen Demokratien oft anders gehandelt, Dr. W lastet dies auch letztlich käuflichen Mandatsträgern an, denen nicht unterstellt werden soll bereits im Amt käuflich gewesen zu sein, sondern nur perspektivisch, es war wohl schon alles legal. [1]

    [1]
    Gazprom-Gerd wird bspw. unterstellt, obwohl bereits abgewählt, gegen Ende seiner Amtszeit in seiner Behörde noch sehr viel getan zu haben den Deal mit Gazprom durchzudrücken,
    es kann hier selbst recherchiert werden, bei besonderem Bedarf wird Dr. Webbaer hierzu noch einige Zeitungsartikel beibringen.
    War natürlich alles legal, no problemo.

  25. #31 Albert W.
    Bonn
    7. Mai 2019

    Netter kritischer Kommentar zum JuSo-Boss und Nachwuchsbonzen Kühnert. Der wenig(er als wenig) weiß. Bitte weiter so Gruß, Albert W.

  26. #32 Matti Illoinen
    Helsinki
    7. Mai 2019

    So weit ist nun schon gekommen, man muss sich dafür rechtfertigen, wenn man öffentlich sagt:”Eigentum verpflichtet”? Wem gehörte das “Eigentum” denn vorher?

    Ein berühmter Mann hat schon vor Jahrzehnten den Satz geprägt:” Hinter jedem großen Vermögen, steckt ein großes Verbrechen” Aber ich will es nicht alles aufzählen, aber wie sind die Krupps und Co. denn zu den Vermögen gekommen? Waren es nicht auch Zwangsarbeiter?

    Und warum werden heute Corbyn mit der Aussage: Politik für die vielen, nicht für die wenigen” zitiert? Auch Sanders in den USA, hat ähnliches gesagt. Und die viel beschworene “Freiheit” wer keine Arbeit hat und auch kein Vermögen, ist nicht frei, sondern zur Ausbeutung frei gegeben.

    Was im übrigen ist so verwerflich daran, auch darüber nach zu denken, Privateigentum zu verstaatlichen? Wenn 24 Menschen auf der Erde mehr besitzen, als die Hälfte der Weltbevölkerung, und die Mehrheit redet dem noch das Wort, ja im Gegenteil findet das noch in Ordnung?

    Es leben heute mehr als 7 Milliarden Menschen auf dieser Erde, und gerade einmal 12% der Weltbevölkerung leben in einem relativen Wohlstand und die leben fast alle ausschließlich im Westen und was machen die 6 Milliarden Menschen?

    Täglich sterben noch ein hunderttausend Kinder an Hunger und deren Folgen von Hunger, während der Westen Millionen Tonnen Lebensmittel wegwirft?

    Über 6 Milliarden Menschen müssen ausgebeutet werden,damit eine Minderheit sich das Recht nimmt, im relativen Wohlstand zu leben? Das findet man im Westen in der Mehrheit gut?

    Deshalb werden illegale Kriege geführt, um Rohstoffe, alleine seit dem Ende des 2. WK mehr als 40 illegale Kriege mit Millionen Getöteten auf Grund von Lügen.
    “Der Westen ein Imperium der Schande” wie es Jean Ziegler in seinem Buch treffend beschrieben hat. Zurzeit kann man auf Arte eine Doku mit dem Titel:”Die Erden Zerstörer” sich anschauen, könnte dem einen oder anderen vielleicht die Augen öffnen.

  27. #33 shader
    7. Mai 2019

    @Joseph Kuhn, bzgl. des Spiegel-Zitats: “Kevin Kühnert hat zwar keinen kohärenten Lösungsansatz dafür entwickelt. Aber immerhin wird nun wieder darüber gestritten.”

    Letzteres halte ich aber nicht für das Verdienst eines Kevin Kühnerts, sondern haben Menschen vollbracht, die durch Demos auf soziale Entwicklungen wie der Anstieg der Mieten in Großstädten hinweisen. Das was der Juso-Vorsitzende macht ist mehr als dürftig, ohne Strategie und ohne Grundlagenwissen. Das Problem ist ja nicht, dass ein Autobau-Unternehmen nicht in staatlichen Besitz ist, sondern das man dem Wohnungsmarkt (wie aber auch Wasser und weitere Infrastrukturen) immer mehr den freien Markt überlassen will.

  28. #34 uww hauptschueler
    8. Mai 2019

    Mit einem Kevin bin ich zur Schule gegangen. Beim Weltenretten und Umverteilen kannte der sich bestens aus. Nur das Schulziel hat er nicht erreicht. Ob Kevin oder Greta ist gehopst wie gesprungen.

  29. #35 Basilios
    Jūni Kokuki
    11. Mai 2019

    Also wenn ich die Wahl hätte, dann wäre es mir wichtiger die Menschen würden die Welt retten. Ob die ihr Schulziel erreichen ist deren Thema. Darum muss ich mich zum Glück nicht kümmern.

  30. #36 rolak
    13. Mai 2019

    Selbstverständlich hat auch Lindner zu diesem Thema jeschwaad und -wen wunderts- schon wieder mittig ins Fettnäpchen: NeuSprech zum ‘archaischen Verfassungsrecht‘.