Vor kurzem hatte ich hier ein paar typische Argumente der Homöopathie-Szene, warum Homöopathie wirke und von den Krankenkassen finanziert werden solle, kommentiert. Unter der Überschrift „Die populärsten Irrtümer über die Homöopathie“ gibt es auf der Seite Wisshom, der Seite mit den homöopathischen Fakten, eine Artikelreihe von Harald Walach & Co., die ihrerseits zeigen wollen, warum die Homöopathiekritik irrt.
In der aktuellen Ausgabe der „Allgemeinen Homöopathischen Zeitung“, Organ des Zentralvereins homöopathischer Ärzte, Teil des Portfolios des Wissenschaftsverlags Thieme, wird diese Artikelreihe nun im Editorial von Michael Teut noch einmal zur Lektüre empfohlen. Er zitiert dabei eine Passage aus Walachs Fazit zur Serie:
„Die Homöopathie ist in zweierlei Hinsicht ein Stein des Anstoßes und darum wird sie so heftig bekämpft. Zum einen widersteht sie der Analyse des mechanistisch-materialistischen Mainstream-Paradigmas und ist daher ein theoretisches Ärgernis, das bekämpft werden muss. Zum anderen ist Homöopathie pragmatisch-klinisch erfolgreich und würde, wenn breiter verwendet und allgemein akzeptiert, so manche derzeit gängige Methode der Therapie wenn nicht überflüssig machen, so doch deutlich in ihrer Beliebtheit einschränken. Das ist ein Wirtschaftsfaktor, der den meisten im Gesundheitswesen tätigen Akteuren nicht angenehm ist. Denn alle Akteure verdienen damit, dass sich nichts ändert.“
Man kann sich fragen, was das „mechanistisch-materialistische Mainstream-Paradigma“ sein soll. Walach spricht im gleichen Text auch vom „Maschinenmodell vom menschlichen Organismus“. Ich fühle mich so einem Zerrbild von Wissenschaft jedenfalls fern. Man kann sich auch fragen, wie eine Behandlungsmethode „pragmatisch-klinisch erfolgreich“ sein soll, die keine Evidenz über Placebo hinaus für sich geltend machen kann. Und man kann sich fragen, warum eine – finanziell gesehen – Randerscheinung des Gesundheitswesens „den meisten im Gesundheitswesen tätigen Akteuren nicht angenehm“ sein soll. Die meisten scheren sich vermutlich gar nicht darum. Der letzte Satz stimmt gewissermaßen, die homöopathischen Akteure verdienen daran, dass sich nichts ändert, also die Homöopathie durch Sonderregelungen im Gesundheitswesen vor den Anforderungen einer evidenzbasierten Medizin geschützt bleibt. Obwohl sie doch angeblich „pragmatisch-klinisch“ so erfolgreich ist, dass sie diese Anforderungen nicht fürchten müsste.
In der gleichen Ausgabe der Allgemeinen Homöopathischen Zeitung ist ein Artikel über die homöopathische Behandlung des Leiomyoms, hier geht es um das Uterusmyom. Das ist ein sehr häufiger gutartiger Tumor, der in der Regel nicht behandelt werden muss. Man geht davon aus, dass ein Viertel der Frauen im gebärfähigen Alter ein Uterusmyom entwickelt. Unter bestimmten Bedingungen kann es aber Beschwerden verursachen, die eine Behandlung angezeigt erscheinen lassen. In Deutschland gab es 2017 fast 56.000 stationäre Behandlungsfälle. Die Zahl der stationären Fälle ist im Zeitverlauf stark rückläufig. Im Jahr 2000 waren es noch fast 94.000 Fälle. Dahinter steht vermutlich, dass heute häufiger nichtoperativ und ambulant behandelt wird als früher.
Der Artikel in der Allgemeinen Homöopathischen Zeitung stellt Behandlungserfahrungen aus einem ukrainischen Krankenhaus aus den Jahren 1999–2004 vor. „Im Jahr 2004 ist ein Artikel darüber in einem schulmedizinischen Magazin in der Ukraine veröffentlicht worden“ schreibt die Autorin. Zwar heißt es auf der Seite des Verlags: „Es werden nur Arbeiten angenommen, die in dieser Form weder im In- noch im Ausland veröffentlicht (…) wurden“, aber gut, in der Welt der Homöopathie gelten ja auch sonst andere Gesetze.
Der Artikel beschreibt die Ergebnisse der Behandlung von 133 Patientinnen und stellt einige Kasuistiken vor. In der Zusammenfassung heißt es dazu: „In den meisten Fällen waren die Ergebnisse konstant und positiv. Sie beweisen die hohe Wirksamkeit der homöopathischen Behandlung.
Die Ergebnisse beweisen allerdings gar nichts und dazu muss man keine besonderen epidemiologischen Kenntnisse haben. Es gab keine Kontrollgruppe, es gab keine Verblindung. Es sind einfache Vorher-Nachher-Fallverläufe. Dass man daran irgendwelche Wirkungsnachweise festmachen kann, ist ein populärer Irrtum über die Homöopathie. Darauf weist Herr Teut in seinem Editorial nicht hin und auch Herr Walach hat dazu in seiner Serie keinen Beitrag geschrieben. Daher habe ich das hier ergänzt, zumal anhand von Fallbespielen die Wirksamkeit der Homöopathie auch bei ernsten Krebserkrankungen immer wieder „bewiesen“ wird. Die Frage, „wo ist der Beweis“, bleibt dabei auf der Strecke, auch in Zeitschriften, die von renommierten Wissenschaftsverlagen verlegt werden.
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