Das Dachauer Volksfest endet traditionell mit einem politischen Abend im Festzelt, der von einer der Parteien bestritten wird. Dieses Jahr war es die SPD, die Karl Lauterbach auftreten ließ. Der Harvard-Professor mit der Fliege in einem bayerischen Bierzelt – das hätte was werden können.
Lauterbach ist ein routinierter Redner, er weiß, wann man einen kleinen Scherz bringen muss, er weiß, wann man etwas Persönliches einstreuen muss, und vor allem weiß er, dass man bei solchen Reden alles erzählen kann. Es gibt ja keine Nachfragen. So hat er ein durchaus zutreffendes Bild der politischen und sozialen Entwicklung gezeichnet, die Wohnungsnot angesprochen, die prekären Beschäftigungsverhältnisse, die kleinen Renten und auch den Unterschied der Lebenserwartung zwischen Arm und Reich (auch wenn er da mit 10 Jahren bei den Frauen und 12 Jahren bei den Männern nicht auf dem aktuellen Stand war).
Lauterbach hat das alles eingebettet in ein Narrativ einer Entwicklung, die ohne die SPD stattgefunden hat, so als hätte die Partei weder mit Hartz IV noch mit dem Verfall der gesetzlichen Rente oder all dem anderen, was in Deutschland in den letzten 20 Jahren geschehen ist, etwas zu tun. Populistisch hat er auch die Beamten aufs Korn genommen, obwohl jeder weiß, dass nicht alle Beamten Besserverdiener wie er sind – und obwohl kurz vorher zur Sprache kam, dass sich Polizisten in München keine Wohnung mehr leisten können.
Lauterbach bewirbt sich zusammen mit Nina Scheer um die SPD-Führung. Aber welchen Aufbruch will er verkörpern? Neuerdings will er raus aus der Groko. Besser wäre gewesen, er hätte nie reingewollt. Weniger Kompromisse will er. Und er will eine sozialökologische Politik mit den Grünen machen. Deren ökologisches Engagement sei ja nicht falsch, verkündete er den Festzeltbesuchern, nur weil es Grüne seien – Schenkelklopferversuch im Bierzelt – aber man müsse die kleinen Leute mitnehmen. Ja klar, aber gerade dafür stand die SPD in den letzten Jahren eben nicht mehr. Wie Lauterbach mit den Grünen eine Mehrheit gewinnen will, hat er nicht verraten, und dass nach den derzeitigen Umfragewerten die SPD dabei der Juniorpartner wäre, darauf ging er lieber auch nicht ein.
Die „kleinen Leute“, diese Referenzpopulation populistischer Bierzeltreden aller Parteien hat Lauterbach dann in einer paternalistischen Weise auf die Bühne gebracht, die regelrecht verächtlich war: Er sprach in Anlehnung an eine Bemerkung von Tucholsky immer wieder vom „Bürger“, der zwar alles falsch verstehe, aber richtig fühle. Der dumme kleine Mann mit dem guten Herzen: Danke Lauterbach, aber so sind wir „Bürger“ nicht, weder sind wir alle ein bisschen schwer von Begriff noch sind wir immer gefühlig gutwillig. Das war professorale Arroganz auf Stammtischniveau – und kommt auch im Bierzelt nicht gut an. Wer sich in dieser Art bei den „kleinen Leuten“ anbiedert, zeigt nur, wie weit man sich als Harvard-Professor von seiner Referenzpopulation entfernt hat.
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