„Digitalisierung“ ist eines der Buzzwords unserer Zeit. Im Gesundheitswesen kann durch die „Digitalisierung“ vieles vorangebracht werden, von einem hilfreichen Datenaustausch zwischen Therapeut/innen bis hin zur Verfügbarmachung wichtiger Daten für die Forschung. Dabei kann aber auch vieles schief gehen. Nichts, was wir tun, ist ohne Risiko. Ein Grundgesetz bei allem, was im Gesundheitswesen geschieht, ist daher, Nutzen und Risiken abzuwägen und bestehende Gestaltungsmöglichkeiten zu nutzen, um die Risiken zu minimieren und den Nutzen zu erhöhen.
Das gilt auch für die „Digitalisierung“, die von den einen als Erlösung von verstaubten Papierakten und fehlenden Informationen über Patientendaten (oder allgemeiner Gesundheitsdaten) gefeiert wird, von anderen als Öffnen der App der Pandora.
Über eine Entwicklung in diesem Feld, die Telematikinfrastruktur und ihre Untiefen, wurde hier schon mehrfach diskutiert. Demnächst wird dazu eine Online-Petition freigeschaltet, die man auf der Kampagnenseite „gesundheitsdaten-in-gefahr“ bereits einsehen kann.
Wie gesagt: Die Sache ist eigentlich ganz einfach. Natürlich sollen die Chancen der Digitalisierung im Gesundheitswesen genutzt werden. Niemand will ein Medikament verordnet bekommt, das er wegen seiner vor kurzem veränderten Nierenfunktion nicht nehmen sollte. Eine gut gemachte elektronische Patientenakte kann das – in manchen, vielleicht vielen Fällen – verhindern. Und wenn wir mit Verfahren der künstlichen Intelligenz aus unstrukturierten Daten aus Patientenakten ganz neue Erkenntnisse über Gesundheitsrisiken oder Therapieoptionen gewinnen könnten: wer wäre dagegen?
Aber genauso soll niemand von seiner Bank plötzlich gefragt werden, wie er seinen Kredit angesichts seiner Krebserkrankung zurückzahlen will, oder von seinem Arbeitgeber, dass er aufgrund seiner Depression (bzw. ihrer Depression, betroffen sind mehr Frauen) leider die versprochene Leitungsfunktion nicht bekommt, oder von der Berufsunfähigkeitsversicherung, dass man bedauerlicherweise wegen einer psychotherapeutischen Behandlung in der Kindheit das Berufsunfähigkeitsrisiko nicht versichern will. Bei der Verbeamtung ist die Sache inzwischen gottseidank etwas vernünftiger geregelt.
Und überlegen Sie sich gut, ob Ihr Hautarzt über die elektronische Patientenakte sehen soll, wo sie sonst noch so in Behandlung waren, und ob sie das auch noch mit 80 Jahren souverän über ihr Handy steuern können. Oder ob sie den Empfehlungen einer App folgen wollen, die leider ihre Daten mit der falschen Vergleichspopulation verglich oder sonst irgendwie uninformiert war.
Gesundheitsdaten sind ein kostbares Gut. Wir brauchen sie für die Forschung, die Wirtschaft will sie für das Geschäft, in der Versorgung können sie Leben retten, den Patient/innen können sie die oft anstrengenden Wege durch das Gesundheitswesen erleichtern – oder ihnen die Autonomie über ihr Leben nehmen. Bei dem Thema sind Patientenautonomie und Wahlfreiheit, die Spahn gerade bei der Frage, ob Homöopathie als Kassenleistung beibehalten werden soll, so vehement betont hat, wirklich wichtig. Ihre Daten, Ihre Entscheidung.
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