Die Zahl der Suizide in Deutschland hat bis Ende der 1970er Jahre zugenommen, auf damals fast 20.000 Fälle. Danach war sie 30 Jahre lang rückläufig. Nach der Finanzkrise 2007/2008, vielleicht wegen der Finanzkrise, kam dieser Rückgang zu einem Stillstand. 2007 gab es mit 9.402 die bis dahin niedrigste Suizidzahl, danach hat sie leicht zugenommen und stieg auf 10.209 im Jahr 2014. Seitdem werden es wieder weniger und 2017 gab es mit 9.235 Fällen die in der Nachkriegszeit niedrigste Zahl an Suiziden in Deutschland. Ob man darin ein Wiederaufnehmen des langfristigen Rückgangs sehen kann oder ob es für eine Trendaussage noch zu früh ist, darüber kann man streiten. Bald liegen die Daten für 2018 vor, dann sieht man weiter.
Recht ungebrochen verlief dagegen der Trend des Männeranteils an den Suiziden: Er hat in den letzten 40 Jahren fast kontinuierlich zugenommen, von 64 % im Jahr 1980 auf 76 % im Jahr 2017. Der Grund: Die Suizide haben bei den Frauen seit 1980 um 66 % abgenommen, bei den Männern „nur“ um 41 %.
Beim rückläufigen Langzeittrend spielen u.a. der Ausbau des Rettungswesens, der Notfallmedizin, der Krisenintervention und der psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgung eine Rolle. Aber warum waren die Suizide bei den Frauen stärker rückläufig als bei den Männern? Verläuft die Entwicklung bei den suizidalen Neigungen und den Suizidversuchen ähnlich wie bei den Suiziden? Wie erklären sich regional unterschiedliche Entwicklungen? Welche Rolle spielen gesellschaftliche Rahmenbedingungen? Würden die Suizide beispielsweise bei einer Liberalisierung der Sterbehilfe signifikant zunehmen? War die Stagnation des Rückgangs nach 2007 wirklich ein Effekt der Finanzkrise? Und warum gehen die Zahlen jetzt wieder zurück?
Etwas mehr Licht ins Dunkel solcher Fragen bringt hoffentlich die beim Robert Koch-Institut gerade begonnene nationale „Mental Health Surveillance“. Das RKI will unter diesem Label ein aussagekräftiges Indikatorensystem zur psychischen Gesundheit aufbauen – von den Risikofaktoren bis zur Versorgung. Erste Arbeitsergebnisse sollen schon im nächsten Jahr vorliegen.
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