Unser Handeln hat immer auch unbeabsichtigte Folgen. Exemplarisch dafür mag der versehentliche Abschuss eines Passagierflugzeugs durch das iranische Militär nach der Tötung des iranischen Generals Soleimani durch die USA und dem Raketenangriff Irans auf amerikanische Militärbasen sein. Ohne die Tötung Soleimanis wäre das Flugzeug nicht abgeschossen worden. Aber natürlich hat Trump den Abschuss auch nicht veranlasst. Wie weit reicht also seine moralische Verantwortung für diese Tragödie, wie weit seine politische Verantwortung? Und dürfen die Toten des Abschusses in irgendeiner Art von „Menschenlebenkalkül“ mit den Toten aufgerechnet werden, die möglicherweise in Zukunft noch auf Soleimanis Konto gegangen wären? Was unterscheidet – unter diesem Aspekt der Aufrechnung von Menschenleben – den Fall von dem, den das Bundesverfassungsgericht in seinem berühmten Urteil zum Luftsicherheitsgesetz behandelt hat?
Kant hat aus der Unabsehbarkeit der Folgen unseres Handelns die Schlussfolgerung gezogen, dass wir unabdingbar moralischen Pflichten folgen müssen, also zur Rechtfertigung unseres Handelns nicht mit den möglichen Konsequenzen unseres Tuns spekulieren dürfen. Wäre Trump demnach in gewisser Weise „deontologisch gerechtfertigt“, weil er Soleimani aus dem Verkehr gezogen hat? Oder wäre er, wenn man anderen ethischen Ansätzen folgt, „konsequentialistisch verantwortlich“ für die Tragödie? Oder könnte sich Trump gar nicht auf Kant berufen, weil er keiner moralischen Pflicht gefolgt ist?
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