Heute hat der Bundestag über die Organspende entschieden. Es gab zwei Anträge: eine erweiterte Zustimmungsregelung und eine Widerspruchsregelung. Der erste Antrag sah vor, dass weiterhin eine explizite Entscheidung für die Organspende gegeben sein muss, der zweite Antrag, dass jeder, sich nicht explizit gegen eine Organspende entschieden hat, nach seinem Tod als Spender infrage kommt. Diese Lösung haben Spahn und Lauterbach angestrebt.

Hintergrund des Anlaufs für eine Widerspruchslösung war, dass es in Deutschland weniger Organspender gibt als in manchen anderen Ländern und dass ihre Zahl seit 2010, nicht zuletzt durch Skandale um Organspenden, zudem deutlich zurückgegangen war.

Der Bundestag hat sich heute gegen den Vorschlag von Spahn und Lauterbach entschieden. 379 Abgeordnete waren dagegen, 292 dafür, 3 enthielten sich. Angenommen wurde die Zustimmungslösung mit 432 Ja-Stimmen, 200 Abgeordnete lehnten diese Regelung ab, 37 enthielten sich. Ich persönlich hätte mit der Widerspruchslösung keine Probleme gehabt, aber ich sehe, dass es eine schwierige Diskussion ist, bei der ernstzunehmende Argumente auf beiden Seiten stehen.

Zur Versachlichung der oft sehr emotional geführten Debatte mag vielleicht ein Blick auf den Vergleich des Effekts der beiden Regelungen dienen. Oft hört man, dass die Widerspruchslösung zu deutlich mehr Organspendern führen würde. In der Literatur zum „Nudging“ ist die Widerspruchsregelung ein Klassiker, wie man „sanft“ zu mehr Organspenden hinlenkt. Aber so einfach ist es nicht. Michael Kochen, Professor für Allgemeinmedizin und Mitglied der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, hat in den „DGAM-Benefits“, einem von ihm regemäßig verschickten Rundbrief mit interessanten Studienbefunden, vor ein paar Tagen noch einmal auf eine internationale Vergleichsstudie zu den beiden Regelungen hingewiesen:

„Die DEGAM-Benefits haben sich bereits mehrfach mit dem Thema Organspende auseinandergesetzt, zuletzt am 2. Juli 2019. Damals wurde eine Studie britischer Wissenschaftler aus der renommierten Zeitschrift Kidney International analysiert. Sie verglich die Transplantationsdaten aus 35 sozioökonomisch ähnlichen Mitgliedsländern der OECD mit unterschiedlichen Transplantationssystemen (darunter neben Deutschland weitere 21 Staaten der EU, aber auch Chile, Australien oder die USA). 17 dieser Länder praktizieren eine Widerspruchslösung, 18 eine Zustimmungslösung.

Die Studie zeigte, dass es zwischen den Ländern mit Widerspruchslösung und denen mit Zustimmungslösung keine signifikanten Unterschiede bei der Zahl der gespendeten Organe gibt (und dass die Zahl der Lebendspender in Ländern mit Zustimmungslösung sogar erheblich größer ist als bei solchen mit Widerspruchslösung).
(…)
Eine Steigerung der Organspenden lässt sich demnach nur erzielen
– durch eine Verbesserung der Organisation und der Vergütung in Entnahmekliniken (die seit April 2019 in Deutschland gesetzlich verankert ist),
– vor allem aber durch geduldige Information und Aufklärung der Bevölkerung.

Wie die Verfasser eines Begleitkommentars zu o.g. Studie (von der nationalen spanischen Transplantationsorganisation) betonten, berücksichtigen die Gesetzgeber vieler Länder nicht das komplexe Zusammenspiel vieler Faktoren, das sich eben nicht auf eine „einfache“ formale Gesetzgebung reduzieren lasse.“

Verbunden mit der heutigen Entscheidung zur Zustimmungsregelung sind eine Reihe von Maßnahmen, u.a. für mehr Aufklärung und zur Einrichtung eines Online-Registers für Organspender. Über das Register ist die Bereitschaft zur Organspende besser festzustellen. Die alten Organspender-Ausweise, einfache Papierkärtchen, gelten aber ebenfalls weiter.

Ich bin gespannt, wie sich die Spenderzahlen in den nächsten Jahren entwickeln. Je nachdem wird die Entscheidung über eine Widerspruchsregelung möglicherweise in nicht allzu ferner Zukunft wieder auf die politische Agenda kommen. Dass Menschen sterben müssen, weil andere gedankenlos sind, ist schließlich ethisch auch nicht befriedigend.

Kommentare (67)

  1. #1 Alisier
    16. Januar 2020

    Danke fürs Thema aufgreifen!
    “…vor allem aber durch geduldige Information und Aufklärung der Bevölkerung.”
    Entscheidend, nicht nur aus meiner Sicht, denke ich.
    Und nudging oder Zwang in irgendeiner Form scheint wohl wirklich nicht zu helfen.
    Wenn, wie z.B. in Spanien, ein unumkehrbarer Herzstillstand ausreicht, um dann noch brauchbare Organe entnehmen zu können, scheint das zu Zahlen zu führen, die den Bedarf abdecken.
    Es gibt bestimmt gute Gründe, weswegen die Hirntodregelung in Deutschland eingeführt wurde, und jetzt gibt es gute Gründe sie wieder in Frage zu stelllen.
    Vamos!

  2. #2 noch'n Flo
    Schoggiland
    16. Januar 2020

    @ Alisier:

    …..und ich denke nicht, dass ich der jetzt auch noch erklären muss wieso es viel einfacher ist, wenn es um Organtransplantationen geht, den Herzstillstand als Kriterium festzusetzen. Das ist natürlich auch eine ethische Frage, aber schon rein handlungstechnisch ist eine Hirntodregelung wie sie in Deutschland besteht, eine riesige Hürde.

    Und sie ist notwendig. Herzstillstand kann reversibel sein, Hirntod nicht. Den reversiblen vom irreversiblen Herzstillstand zu unterscheiden, ist sehr schwierig und viel tückischer im Gebrauch als der Hirntod.

    Es gibt bestimmt gute Gründe, weswegen die Hirntodregelung in Deutschland eingeführt wurde, und jetzt gibt es gute Gründe sie wieder in Frage zu stelllen.

    Welche?

  3. #3 Alisier
    17. Januar 2020

    @ noch’n Flo
    “Den reversiblen vom irreversiblen Herzstillstand zu unterscheiden, ist sehr schwierig und viel tückischer im Gebrauch als der Hirntod.”
    Ja, unbestritten, deswegen gibt es ja die Regelung.
    “Welche”
    Siehe Thema.
    Elementary, my dear Watson

  4. #4 Alisier
    17. Januar 2020

    Und jetzt könnten wir dann, wie so oft, einen guten Statistiker brauchen.
    Wenn die Spanier (und andere ebenfalls) aus pragmatischen Gründen den (nicht einfach festzustellenden) irreversiblen Herzstillstand akzeptieren, um eine Transplantation vornehmen zu können, nehme ich an, dass es Gründe gibt anzunehmen, dass der Vorteil im Gegensatz zur Hirntoddiagnose erheblich ist, wenn es um erfolgreiche Transplantationen geht.
    Die Frage wäre, wievielen Menschen man in Spanien das Weiterleben verwehrt hat, weil man nicht auf einem festgestellten Hirntod bestanden hat, und wievielen man das Leben genau dadurch retten konnte. Lässt sich das irgendwie feststellen?
    Klingt das irgendwie zynisch in deutschen Ohren, so zu fragen?
    Und wenn man das Organspendeproblem dadurch lösen kann, ist es eine Überlegung wert, denke ich.
    Ewiges Geeiere, teilweise aus historischen Gründen, hilft hier konkret kaum weiter, fürchte ich.
    Wenn es in Spanien so gut funktioniert, dann sollte man es nicht ignorieren, und zumindest über eine Änderung nachdenken, ehe man Zwangsmaßnahmen gegenüber Gesunden einleitet.

  5. #5 rolak
    17. Januar 2020

    zynisch

    Nein, wesentlich, Alisier, allerdings zusätzlich OT in einem thread (→Entscheid | Vergleich(Widerspruch,Zustimmung)).

  6. #6 noch'n Flo
    Schoggiland
    17. Januar 2020

    @ Alisier:

    Siehe Thema.
    Elementary, my dear Watson

    Du meinst also, mit dem Wechsel vom Hirntod zum irreversiblen Herzstillstand bekämen wir plötzlich viel mehr Spenderorgane, oder wie soll ich das verstehen?

  7. #7 Alisier
    17. Januar 2020

    @nnF
    Ich meine, dass Spanien viel mehr Spenderorgane HAT!
    Vielmehr meine ich das nicht, sondern das ist eine nachprüfbare Tatsache.
    Einer der Gründe ist die Herzstillstandsregelung. Andere Gründe hängen mit der (besseren?) Organisation, respektive Vernetzung der Krankenhäuser zusammen.
    Warum sich also nicht inspirieren lassen, wenn es woanders funktioniert?

  8. #8 Alisier
    17. Januar 2020

    @ rolak
    Zustimmung.

  9. #9 noch'n Flo
    Schoggiland
    17. Januar 2020

    @ Alisier:

    Einer der Gründe ist die Herzstillstandsregelung.

    Belege?

    Und warum sollte das in Deutschland mehr Spenderorgane liefern?

    Guck Dir mal die Europagrafik in diesem Artikel an:

    https://www.srf.ch/news/international/bundestag-faellt-entscheidung-deutschland-lehnt-widerspruchsloesung-bei-organspende-ab

    Fällt Dir bzgl. Spanien etwas auf?

  10. #10 Alisier
    17. Januar 2020

    @ nnF
    ich habe mir schon vor einiger Zeit vieles dazu angeguckt: eine genaue Bewertung oder Prognosen bezüglich Deutschland sind, zumindest für mich, schwierig.
    Deswegen die Bitte an Joseph Kuhn sich die verfügbaren Statistiken mal genau anzuschauen.

  11. #11 noch'n Flo
    Schoggiland
    17. Januar 2020

    @ Alisier:

    Deswegen die Bitte an Joseph Kuhn sich die verfügbaren Statistiken mal genau anzuschauen.

    Schliesse mich an, das wäre sicherlich hilfreich.

  12. #12 Alisier
    17. Januar 2020

    Nachtrag:
    Luxemburg, Frankreich und Belgien haben ebenfalls eine Widerspruchslösung: Trotzdem funktioniert es schlecht, wie JK schon erwähnte.
    Die genaue Form des Widerspruchs scheint also nicht entscheidend zu sein, sondern was anderes.
    Deswegen mein Fokus auf Spanien.

  13. #13 Joseph Kuhn
    17. Januar 2020

    @ noch‘ Flo, @Alisier:

    „das wäre sicherlich hilfreich.“

    Das Starren auf internationale Statistiken hilft in dem Fall nicht und eine eigene Vergleichsstudie kann ich naheliegenderweise nicht liefern. Warum schaut ihr euch nicht die von Herrn Kochen genannte Studie an, wenn ihr tiefer einsteigen wollt?

  14. #14 Alisier
    17. Januar 2020

    @ Joseph Kuhn
    Ok.
    Hast Du eine Meinung zu Spanien?
    Magst Du sie mitteilen?

  15. #16 knorke
    17. Januar 2020

    Vielen Dank für den Artikel. Ich sehe bei ihm auf der Meta-Ebene eine ähnliche Abwägung schweben wie bei der Impfdiskussion, nämlich ob und wieviel Zwang und wieviel sanfter Zwang und wieviel Motivation man ausübt und ob man zum aktuellen Zeitpunkt schon alles mögliche tut, ohne Zwang auszuüben. Bemerkenswert, dass trotzdem in der einen Sache der Zwang das Rennen macht (Impfpflicht, für die ich sehr lange selbst gewesen bin bis ich hier viele gute Gegenargumente gelesen habe) in der andere die gesteigerte Motivation und Aufklärung – etwas, was auch beim Thema Impfen sicher nicht schaden würde.

    Ich kann mit der erweiterten Zustimmungslösung sehr gut leben, wenngleich ich die Widerspruchslösung bevorzugt hätte, weil ich mich zu der Gruppe Menschen zähle, die schlicht zu faul ist selbst aktiv zu werden ohne auch nur irgendwas dagegen zu haben, die Organe meines ansonsten vergammelnden Körpers anderen zukommen zu lassen. Immerhin aber ist überhaupt einer der Anträge durch die Abstimmung gekommen. Ist ja auch nicht selbstverständlich.

  16. #17 Intensivpfleger
    17. Januar 2020

    Ich mutmaße jetzt mal, dass bereits durch die von Joseph im Artikel zitierte Änderung der Vergütung in Entnahmekliniken die Zahl der Organspenden steigen wird. Ob es seit April 2019 bereits belastbare Zahlen dazu gibt? Wahrscheinlich noch nicht.

    Den irreversiblen Herztod will ich in Deutschland niemals als Kriterium sehen, das eine Organentnahme rechtfertigen würde. Ich kann mir auch kein Szenario vorstellen, wo das ethisch vertretbar oder medizinisch sinnvoll wäre.
    Für den irreversiblen Herztod gibt es in aller Regel konkrete Ursachen, die dann auch bereits relevante Auswirkungen auf andere Organe hatten (Gefäßverengung spielt sich selten nur isoliert am Herzen ab), so dass es kaum verwertbare Organe geben wird. Und ist als auslösendes Ereignis zB eine Herzrhythmusstörung und prolongierter Sauerstoffmangel am Herzmuskel die Ursache für den irreversiblen Herztod, dann darf man zum einen annehmen, dass der Sauerstoffmangel auch eine irreversible Hirnschädigung verursacht hat und somit das Kriterium des Hirntodes greifen kann, oder, im günstigsten Fall ist die Versorgung der betreffenden Person so schnell und zügig erfolgt, dass außer dem Herzen alle anderen Organe noch “gesund” sind, dann ist dieser Patient eher ein Organempfängerkandidat und kann mit entsprechender Technik problemlos am Leben gehalten werden (vaECMO) bis ein Eingriff möglich wäre. Auf jeden Fall ist ein Mensch ohne diagnostizierten Hirntod empfindungsfähig und nicht als Organspender zu definieren.
    Ich kann mich in meiner fast 23jährigen Zeit als Intensivpfleger auf einer high-urgent-ITS einer Uniklinik jedenfalls an keinen Fall erinnern, bei dem ein irreversibler Herztod nicht auch mit dem Versagen anderer wichtiger Organe vergesellschaftet gewesen wäre. Wer will solche Organe empfangen?
    Also, falls hier jemand konkrete Informationen hat, welche Organe/Gewebe bei solcherart definierter Organspender in Spanien entnommen werden, würde mich das sehr interessieren. Mglw. handelt es sich dort ja dann nur noch um Gewebestrukturen, die nicht unbedingt auf der Organmangelliste stehen (Hornhaut, Gelenke,…).

    Tatsächlich kann ich mit der jetzt getroffenen Regelung sehr gut leben.

    Gruß vom Intensivpfleger

  17. #18 Gerald Fix
    17. Januar 2020

    Spricht gegen die Widerspruchslösung nicht, dass der Organ-Entnehmende häufig nicht ganz sicher sein kann, ob überall nach einem Widerspruch gesucht wurde? Ich stelle mir vor, dass ein Norarztteam oft nicht an den Geldbeutel kommt. Was wäre, wenn Organe entnommen werden und anschließend stellt sich heraus, der Widerspruch lag vor, man hatte nur nicht die Zeit, gründlich danach zu suchen?

  18. #19 Alisier
    17. Januar 2020

    Ein weiterer Artikel zum Nachdenken und Diskutieren:

    https://www.transplant-campus.de/nierentransplantation-lebertransplantation-herztransplantation-highlights/nierentransplantation-und-nierenlebendspende/wissen-kompakt-zur-nierentransplantation-und-nierenlebendspende/organtransplantation-und-nierentransplantation-spanisches-system/

    “Ich denke nicht, dass in Deutschland die Einführung der Widerspruchslösung an allererster Stelle stehen muss, um die Spenderzahlen zu erhöhen.” meint der Interviewte. Und nach Lektüre vieler Berichte und einiger Studien möchte ich ihm zustimmen.

  19. #20 Solarius
    17. Januar 2020

    So mancher würde sich sicher Sorgen machen das er bei lebendigem Leibe ausgeweidet wird, wenn der irreversiblen Herzstillstand als Kriterium angewendet würde.

    Darüber hinaus sind Organspenden auch für die Empfänger zuweilen der reinste Horror. Sie ermöglichen zwar ein überleben. Sie erhöhen manchmal sogar die Lebenssqualität, etwa wenn der Empfänger nicht mehr zur Dialyse muss, aber es ist trotzdem ein Horror. Der menschliche Körper versucht das fremde Organ abzustoßen. Diese Abstoßungsreaktion muß mit Medikamenten unterbunden werden. Dabei wird das Immunsystem unterdrückt, was weitere Folgen hat.

    In Zukunft wird man hoffentlich Organe züchten können. Hier macht man ja große Fortschritte:

    http://www.planet-wissen.de/gesellschaft/medizin/organverpflanzung/pwieorganezuechten100.html

    oder hier:

    http://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2019-07/mischwesen-japan-mensch-tier-organzuechtung-organspende-tierembryo

    Viele Probleme ließen sich auf diese Weise lösen.

  20. #21 René
    17. Januar 2020

    Was mich an der Debatte stört, ist die fast immer fehlende Klarheit, ob man gerade über tatsächlich erfolgte Spenden oder über bereitwillige (also potentiell zur Verfügung stehende) Spender redet.

    Wenn irgendwo der Anteil der tatsächlich erfolgten Spenden höher ist als in Deutschland, dann kann das entweder daran liegen,

    – dass in Deutschland weniger Personen dafür der Spende zustimmen als woanders,
    – dass aus anderen Gründen weniger Personen (die zugestimmt haben) zur Verfügung stehen, weil sich weniger in einer entsprechend todesnahen Situation befinden,
    – oder dass hier zuwenigen tatsächlich “bereitliegenden” Personen Organe entnommen werden (können).

    Der letzte Punkt wiederum kann daran liegen,

    – dass in Deutschland regulatorische Gründe dem widersprechen (Hirntod nötig, statt “nur” Herzstillstand),
    – dass in Deutschland die flächendeckende technische Ausstattung und oder das flächendeckend ad hoc verfügbare Personal fehlt, um die tatsächliche Spendenfähigkeit sicher zu diagnostizieren.

    Lauter Details, die in den teils hochemotionalen Diskussionen durcheinandergewürfelt werden, statt sich jedes Mal zu verständigen, ob man wirklich dasselbe meint.

    • #22 René
      17. Januar 2020

      Nachtrag: Ist denn in Deutschland eigentlich das tatsächlich erfolgte Spendenaufkommen geringer als (zum Beispiel) in Spanien, oder der Anteil der zustimmenden (und somit potentiellen) Spender? Diese Klarheit konnte ich noch nirgends nachlesen. Im Gegenteil widersprechen sich die Behauptungen zuweilen. Ich frage mich, ob die medial gepushte Gesetzesinitiative nur ein politisches Schauspiel ist oder wirklich eine Stellschraube, mit der man erwartet, die entsprechenden Fallzahlen zu ändern.

  21. #23 DocCarlos
    17. Januar 2020

    Wer mehr dazu lesen will, sei auf Stefan Sell
    https://aktuelle-sozialpolitik.de/2020/01/16/zustimmung-bleibt-und-widerspruch-wird-abgelehnt/
    verwiesen (mit Überschneidungen zum obigen Artikel von JK). Er nennt ebenfalls einige Statistiken, u.a. diese: 2018 gab es in Deutschland 932 postmortale Organspender. 3.133 Organe wurden entnommen. Dem standen 2018 7.239 Personen auf der Eurotransplant-Warteliste gegenüber, die eine neue Niere brauchen, sowie weitere 2.164 Personen auf der Warteliste bezüglich anderer Organe oder Organkombinationen.
    Nicht erwähnt werden in dieser Statistik Gewebespenden. Z.B. zum Thema Hornhautspende war am 28.12.2019 in der taz ein interessanter Artikel: https://taz.de/Transplantationen-in-den-neuen-20ern/!5648616/

  22. #24 Alisier
    17. Januar 2020

    @ Intensivpfleger
    Danke für die Rückmeldung und den Kommentar!
    Ich verlinke kurz wiki, damit ein paar Dinge klarer werden:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Herztodkriterium
    Es scheint zumindest mir so, dass wir es in Deutschland mit einem ethischen Dilemma zu tun haben, und hier Widerstände auftauchen, die in anderen Ländern nicht unbedingt zu erwarten sind.

  23. #25 gnaddrig
    17. Januar 2020

    @ Solarius (#19):

    So mancher würde sich sicher Sorgen machen das er bei lebendigem Leibe ausgeweidet wird, wenn der irreversiblen Herzstillstand als Kriterium angewendet würde.

    Zumal es ja genug Leute gibt, die die Angst davor nach Kräften schüren. Teils wird ja sogar behauptet, schon beim jetzigen Verfahren riskiere man als Organspender, bei lebendigem Leib und ohne Narkose ausgeweidet zu werden. Wenn man da unvoreingenommen auf die falschen Texte stört, kann man da schon nachhaltig abgeschreckt werden.

    Das kann dann fast schon was Verschwörungsidelogisches haben, und wer einmal in der Verschwörungsblase gelandet ist, nimmt Gegenargumente ja allzuleicht nur als Beweise für die eigene Sicht wahr.

  24. #26 Alisier
    17. Januar 2020

    @ gnaddrig
    In der Tat: “the German angst” nimmt zuweilen bizarre Formen an. Und die Blase verstärkt es dann.

  25. #27 Alisier
    17. Januar 2020

    @ noch’n Flo #9
    “Belege?”
    Zitat aus dem unter #15 von Joseph verlinkten Bericht des Deutschlandfunks:

    “Aber da ist noch ein großer Unterschied: In Deutschland darf ein Organ erst nach dem Hirntod entnommen werden – in Spanien bereits nach dem Herztod. Seit diese Regelung vor sieben Jahren eingeführt wurde, hat das stetig zu einer größeren Zahl von Spenderorganen geführt. Im vergangenen Jahr stammte rund ein Drittel der Organe von Spendern, bei denen der Herztod festgestellt wurde. Das ist ein Zuwachs von 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr.”

    Und das wird auch von anderen Quellen mehrfach bestätigt.

  26. #28 noch'n Flo
    Schoggiland
    17. Januar 2020

    @ Alisier:

    Vor 7 Jahren wurde es eingeführt und jetzt wird ein aktueller Zuwachs gegenüber dem Vorjahr darauf zurückgeführt? Gewagt…

    Oder liegt der nicht vielleicht doch anders begründet?

  27. #29 Alisier
    17. Januar 2020

    @ nnF
    Ich denke, dass es, wie immer, ein Mosaik von Gründen ist. Das “stetig” hast Du aber wahrgenommen?
    Es dauert ja zudem immer etwas, bis eine neue Regelung greift.
    Der Vorteil der Herzstillstandsregelung, so wie sie in Spanien ausgelegt wird, liegt aber wohl auf der Hand.

    • #30 René
      17. Januar 2020

      Der Vorteil der Herzstillstandsregelung, so wie sie in Spanien ausgelegt wird, liegt aber wohl auf der Hand.

      Nein, eigentlich nicht wirklich. Siehe Kommentar von Intensivpfleger.

  28. #31 Alisier
    17. Januar 2020

    @ René
    Intensivpfleger bezieht sich auf Kategorie I des Links unter #24.
    Es gibt aber eben auch Kategorie III.
    Bitte nachlesen.

    • #32 René
      17. Januar 2020

      Intensivpfleger bezieht sich auf Kategorie I des Links unter #24.

      Das glaube ich eher nicht. Allerdings kann das nur Intensivpfleger mit Sicherheit sagen. Abgesehen davon finde ich auch unabhängig von Intensivpflegers Kommentar nicht, dass die Vorteile einer Herzstillstandsregelung “auf der Hand” lägen.

      Es müsste meines Erachtens außerdem, wie ich weiter oben bereits zu hinterfragen versuchte, erstmal geklärt werden,

      – worin denn tatsächlich der Flaschenhals bei den Organspenden-Fallzahlen liegt und
      – ob wirklich in Deutschland die Organspendebereitschaft korrigiert werden muss, um mehr Menschen ein längeres Leben zu ermöglichen.

  29. #33 Uli Schoppe
    17. Januar 2020

    Also erst mal: Die Leute automatisch zu Organspendern zu machen wird mit Sicherheit eine Welle von Verweigerern auslösen.
    Ich halte mich eigentlich für einen eher besonnen und vernünftigen Menschen. Meine Reaktion darauf das der lokalpolitische Klünkel dazu geführt hat das ich l Restmüll in obwohl ich nur zwischen 50 und 70l Restmüll in 14 Tagen mit vier Personen erzeugt habe vor der “Müllreform” jetzt die 160l alle 14 Tage abliefere die man mir auch in Rechnung stellt. Und ich bin da nicht wirklich alleine. Keiner gibt damit an ^^
    Sowas kommt immer heraus wenn man unberechtigt Zwang ausübt.

    Den Aussagen von Intensivpfleger kann ich mich nur vollumfänglich anschließen. @Alisier, den utilitaristischen Unsinn den Du im Bezug auf die Feststellung der “Eignung” als Organspender von Dir gegeben hast, der überrascht mich gerade bei Dir jetzt wirklich. Abtreibung bis zum sechsten Monat nach der Geburt ist ethisch vertretbar hat mal der Chefutilitarist gesagt. Ich verzichte dankend auf Utilitarismus.

    Hat jemand gestern auf Phoenix die Gesprächsrunde zu dem Thema gesehen? WO der Cheffliegenträger von sich gegeben hat das wer selber nicht spenden will auf eine Spende zu verzichten habe? Wo die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU sich erst mal verschluckt hat als ihr klar wurde das sie gerade fordern wollte man solle dafür sorgen das man für mehr anerkannte Hirntote sorgen müsse und das dann schnell relativiert hat? DAS hatte die Qualität der Herztodnummer. DAS ist das vor dem alle Angst haben: DAS ist die spanische Spendewelt.

    Im Gegensatz zu meinem Starrsinn beim Müll hätte ich auch bei einem anderen Ergebnis meinen Organspendeausweis allerdings nicht entsorgt und Widerspruch eingelegt. Das hat schon eine andere Qualität. Der Lauterbach hat es sich bei mir da übrigens jetzt ganz verscherzt. “Er als Arzt”… Ich weiß nicht ob ich da lachen oder weinen soll.

  30. #34 Alisier
    17. Januar 2020

    @ Uli Schoppe
    Mir ist klar, dass es als Provokation ankommen kann. Vielleicht sogar muss.
    Aber wenn man nicht zuspitzt kommt man oft nicht weiter bei dieser Diskussion.
    Ich erinnere mich auch sehr gut an einen notorischen Gegner eines wie auch immer gearteten Nudgings beim Organspenden, der sich irgendwann bitter beschwert hat, dass es keinen Spender gab, als er eine neue Leber dringend brauchte. Er stand mir familiär sehr nahe, weswegen ich mir erst das Geschimpfe über den Zwang und dann das Gejammere anhören musste.
    Meine Methode so in Diskussionen einzusteigen mag fragwürdig sein, aber um eine Diskussion kommen wir dennoch nicht herum.
    Vielleicht kannst Du noch mal genau erklären wo das genaue Problem beim Link#24, eben auch für die Ethikkommission und die Kirchen, mit der DCD ist.
    Wie gesagt: nicht darüber zu reden lehne ich ab.
    Aber sehr viele Positionen sind möglich, eben auch solche, die Du als utilitaristisch ablehnst.
    Emotionen sind bei der Diskussion sowieso nicht zu vermeiden, aber ein bisschen Distanz könnte dennoch nützlich sein.
    Eine Letzte Frage noch: was würdest Du tun, wenn du eine Leber oder Nieren zum Überleben bräuchtest? Glaubst Du, Du würdest Deine hohen Standards um jeden Preis halten wollen?
    Kannst du das als Gesunder vollumfänglich einschätzen. Was glaubst Du?

  31. #35 Alisier
    17. Januar 2020

    @ René #32
    Die Vorteile der Herzstillstandsregel sind dann offensichtlich, wenn man mehr brauchbare Organe haben möchte. Die ethischen Implikationen sind aber noch was anderes.
    Und nur wenn Intensivpfleger sich auf Kategorie I bezieht ergeben seine Aussagen bezüglich Brauchbarkeit der Organe einen Sinn.

  32. #36 noch'n Flo
    Schoggiland
    17. Januar 2020

    @ Alisier:

    Eine Letzte Frage noch: was würdest Du tun, wenn du eine Leber oder Nieren zum Überleben bräuchtest? Glaubst Du, Du würdest Deine hohen Standards um jeden Preis halten wollen?

    Und wenn Du dringend ein Spenderorgan bräuchtest? Wärest Du dann immer noch gegen die Widerspruchslösung?

    Nebenbei: für Leber und Niere braucht man keinen Totspender. Ist beides auch als Lebendspende möglich.

  33. #37 Alisier
    17. Januar 2020

    @ noch’n Flo
    Ich kann mich nicht erinnern, die Widerspruchslösung abgelehnt zu haben.
    Aber ich akzeptiere, dass es das Parlament getan hat! Das ist ein riesiger Unterschied.
    Und kannst Du eine Methode vorschlagen, wie man an genug Lebendspenden kommt? Wieso glaubst Du, hat das vorher noch niemand vorgeschlagen?

  34. #38 Alisier
    17. Januar 2020

    Nachtrag: es geht ums Machbare, und darum, was politisch überhaupt durchsetzbar ist.
    Mit Luftschlössern kommt man im allgemeinen nicht sehr weit.

  35. #39 Intensivpfleger
    17. Januar 2020

    Ok, weil jetzt hier mehrfach auf meinen post Bezug genommen wurde, möchte ich hier meine persönliche (!) Meinung und meine Erfahrungen aus dem klinischen Alltag noch einmal klar stellen:
    Was ich in meinem ersten Kommentar zu Beginn geschrieben habe, halte ich nach wie vor für den in Deutschland wichtigsten Aspekt: die Entnahmekliniken hatten bislang einen wirtschaftlichen Nachteil wenn sie Organspender gemeldet haben, einfach dadurch, dass sie die personelle und maschinelle/materielle Ausstattung vorhalten mussten (ein komplettes OP/Anästhesie-Team mit entsprechender Ausstattung), ohne dafür entsprechend vergütet zu werden. Es gab also bis April letzten Jahres keinen guten Grund, warum man sich als kleines Krankenhaus überhaupt mit dem Thema auseinandersetzen sollte, da man im Falle eines potentiellen Organspenders auf den entstehenden Kosten sitzen geblieben ist.
    Was sich in Zukunft ändern muss ist, dass in allen relevanten Klinken entsprechend
    geschulte Transplantationsbeauftragte vorgehalten werden, die mögliche Organspender identifizieren können und auch die Kompetenz besitzen, um die Gesprächsführung mit Angehörigen im Sinne der Organspende führen zu können.
    Sind erst mal diese beiden Voraussetzungen wirklich gegeben, und auch wirklich die nötigen Personalressourcen vorhanden, dann wird es möglicherweise auch im Rahmen der Zustimmungslösung eine Steigerung der verfügbaren Organe geben können.
    Wenn man nun noch die Informationskampagne bzgl. Hirntod/Organentnahme so weit ausbaut, dass der Großteil der Bevölkerung tatsächlich in der Lage ist eine informierte Entscheidung zu treffen, dann wird die Frage nach einer Ausweitung des Todesbegriffes auf den irreversiblen Herzstillstand gar nicht mehr notwendig sein.
    Ich halte auch eine Ausweitung des Todesbegriffes im Hinblick auf das ethische Dilemma, in das man die Beteiligten im Organspendeprozeß stoßen würde (Ärzte, Pflegekräfte und Angehörige) für so gravierend, dass das die ganze Diskussion nur weiter verkomplizieren würde und – zumindest für unsere aktuelle Situation in Deutschland – dadurch keine Verbesserung der Organverfügbarkeit erreicht werden könnte.
    Und meine persönliche Meinung als Intensivpfleger lautet: ich muss sicher sein, dass ein Organspendekandidat tasächlich frei von Empfindung, Schmerz und Stress ist. Das ist bei dem hierzulande üblichen Hirntodkriterium tatsächlich erfüllt, das wäre aber bei einem (lediglich) irreversiblen Herztodtkriterium bei noch erhaltener Hirnaktivität nicht gegeben.

    Gruß vom Intensivpfleger

  36. #40 noch'n Flo
    Schoggiland
    17. Januar 2020

    @ Alisier:

    Und kannst Du eine Methode vorschlagen, wie man an genug Lebendspenden kommt? Wieso glaubst Du, hat das vorher noch niemand vorgeschlagen?

    Du brauchst mich nicht absichtlich falsch zu verstehen; ich habe das nur angemerkt, weil Du in Deiner Frage an Uli Schoppe genau diese beiden Organe genannt hast.

    Ich bin übrigens selber als Lebend-Leberspender für meine Schwester angemeldet, falls ihre primär skelrosierende Cholangitis einmal so weit voranschreitet, dass sie eine neue Leber braucht. Ihr wäre zwar eine Totspende lieber, weil sie mich nicht dem OP-Risiko für die Entnahme aussetzen möchte, aber wenn es nicht anders geht, wird es wohl irgendwann so passieren.

  37. #41 Uli Schoppe
    17. Januar 2020

    Alisier
    17. Januar 2020

    @ René #32
    Die Vorteile der Herzstillstandsregel sind dann offensichtlich, wenn man mehr brauchbare Organe haben möchte. Die ethischen Implikationen sind aber noch was anderes.
    Und nur wenn Intensivpfleger sich auf Kategorie I bezieht ergeben seine Aussagen bezüglich Brauchbarkeit der Organe einen Sinn.

    Möchtest Du mehr brauchbare Organe?

  38. #42 noch'n Flo
    Schoggiland
    17. Januar 2020

    @ Intensivpfleger:

    Und meine persönliche Meinung als Intensivpfleger lautet: ich muss sicher sein, dass ein Organspendekandidat tasächlich frei von Empfindung, Schmerz und Stress ist. Das ist bei dem hierzulande üblichen Hirntodkriterium tatsächlich erfüllt, das wäre aber bei einem (lediglich) irreversiblen Herztodtkriterium bei noch erhaltener Hirnaktivität nicht gegeben.

    Sehr schön erklärt, da bin ich 100% bei Dir.

  39. #43 Intensivpfleger
    17. Januar 2020

    Ich habe schon oft Patienten im Rahmen der Hirntoddiagnostik betreut, und ich kann zumindest aus meinem Erfahrungsalltag bestätigen, dass sowohl die Ärzte von der DSO, die die Hirntoddiagnostik vorgenommen haben, als auch das Stationsteam von Ärzten und Pflegekräften die sich im Sterbeprozeß befindlichen Patienten stets einfühlsam, fachlich korrekt und respektvoll betreut haben.

  40. #44 Alisier
    17. Januar 2020

    @ Uli Schoppe
    Nochmal:
    Ich möchte gar nichts, außer einer Diskussion.
    Und ich persönlich brauche auch keine Organspende.
    Es gibt Menschen in Deutschland, die auf Organe angewiesen sind, um zu überleben, und diese nicht bekommen.
    Es gibt also einen Bedarf, und es geht für diese Menschen um Leben und Tod.
    Das ist alles. Deswegen finde ich, dass man versuchen sollte, das Problem anzugehen, und auf mögliche Lösungen hinzuarbeiten.
    Was ist daran falsch? Und auch nochmal: dass es da unterschiedliche Ansichten und Empfindlichkeiten gibt ist ebenfalls völlig normal und verständlich.
    Bei Tabus in einer Diskussion habe ich aber bei einem solchen Thema Probleme.

  41. #45 Alisier
    17. Januar 2020

    @ Intensivpfleger
    Den Standpunkt kann ich gut nachvollziehen, und ich finde ihn auch gut begründet.
    Ich habe dennoch einen anderen, weil mir wichtig ist, dass man den Leuten möglichst hilft, bevor sie tot sind
    Und wenn es Konzepte gibt, die lediglich das ethische Empfinden stören, aber echte Hilfe versprechen, dann kann man solche Konzepte(Stichwort Spanien) aus meiner Sicht in Erwägung ziehen.

  42. #46 noch'n Flo
    Schoggiland
    17. Januar 2020

    @ Alisier:

    Und ich persönlich brauche auch keine Organspende.

    Meinst Du damit, dass Du im Moment so gesund bist, dass Du keine benötigst, oder dass Du im Fall, dass sich das ändern, keine würdest haben wollen?

  43. #47 noch'n Flo
    stinkig unterwegs zur Sonnenuhr auf dem Aussichtsdeck
    17. Januar 2020

    ändern = ändert

  44. #48 Alisier
    17. Januar 2020

    @ noch’n Flo
    Ich meinte, dass ich Moment keine benötige, und gerade auch keiner in meiner Familie oder von meinen Freunden. Ok, ja, soweit ich weiß, klar. Kann morgen natürlich schon anders aussehen.
    Wie ich reagiere, wenn ich plötzlich auf eine Spende angewiesen sein sollte, weiß ich aber nicht. Keine Ahnung.

  45. #49 noch'n Flo
    Schoggiland
    17. Januar 2020

    @ Alisier:

    Wie ich reagiere, wenn ich plötzlich auf eine Spende angewiesen sein sollte, weiß ich aber nicht. Keine Ahnung.

    Genau das ist das Problem. Bei der Abstimmung im Bundestag waren auf den Zuschauerrängen eine Reihe von Bürgern, denen es ganz anders geht. Und die vom Abstimmungsergebnis sehr enttäuscht waren.

    Wir haben eine ähnliche Diskussion hier in der Schweiz auch schon seit Jahren. In meinem ehemaligen Ärztenetz war die Haltung eindeutig pro Widerspruchslösung. In unserem regionalen Ärzteverein sieht es bis heute auch nicht anders aus.

    Wir sehen die Fälle, die warten und dann am Ende doch versterben. Ich habe in den 9 Jahren, seit ich meine Praxis übernommen habe, diese frustrierende Situation auch schon erleben müssen.

    Es müssen Lösungen her. Tag für Tag versterben in D/A/CH Menschen, denen ein Spenderorgan hätte helfen können. Warum müssen diese Patienten sterben, nur weil die verantwortlichen Politiker nicht die Eier haben, eine zwar unbequeme, aber nichtsdestotrotz notwendige Entscheidung zu treffen?

    Wie würdest Du als Politikexperte einem todkranken Schulkind den Entscheid des Deutschen Bundestages erklären? Oder wie würdest Du das einem Deiner Kinder erklären, wenn es in dieser Lage wäre?

  46. #50 Alisier
    17. Januar 2020

    @ noch’n Flo
    Darum geht es doch auch mir: eine praktikable Lösung zu finden.
    Das solltest Du schon verstanden haben, denke ich.
    Es geht aber nicht um Eier oder nicht Eier, sondern um Gesetze. Und deren demokratische Legitimierung.
    Eine Diktatur mit einem Typen mit Eiern wünscht sich zudem hoffentlich keiner.
    Unbequeme, aber notwendige Entscheidungen? Per ordre de Mufti, oder wie?
    Nicht mit mir, da würde ich mich immer querstellen, und hoffentlich nicht nur ich.
    Aber Lösungen brauchen wir, klar. Deswegen sollten wir diskutieren, auf allen Ebenen.

  47. #51 noch'n Flo
    Schoggiland
    17. Januar 2020

    @ Alisier:

    Eine Diktatur mit einem Typen mit Eiern wünscht sich zudem hoffentlich keiner.

    Hat hier irgendjemand von einer Diktatur gesprochen?

    Unbequeme, aber notwendige Entscheidungen? Per ordre de Mufti, oder wie?

    Für das Wohl der Allgemeinheit. Und vor allem für die, die unsere Hilfe benötigen.

    Aber Lösungen brauchen wir, klar. Deswegen sollten wir diskutieren, auf allen Ebenen.

    Schön, dass wir uns da einig sind. Aber ich hätte dennoch gerne eine Antwort auf meine Frage:

    Wie würdest Du als Politikexperte einem todkranken Schulkind den Entscheid des Deutschen Bundestages erklären? Oder wie würdest Du das einem Deiner Kinder erklären, wenn es in dieser Lage wäre?

    Ich bin sehr gespannt…

  48. #52 Alisier
    17. Januar 2020

    @ nnF
    Ich reagiere absolut allergisch auf den Missbrauch der Gefühle, die die meisten gegenüber Kindern haben.
    Die Frage habe ich zudem längst beantwortet. Längst.
    Und wenn Du mit demokratischer Entscheidungsfindung nichts anfangen kannst ist das nicht mein Bier.
    So, jetzt aber: Gute Nacht.

  49. #53 noch'n Flo
    Schoggiland
    17. Januar 2020

    @ Alisier:

    Ich reagiere absolut allergisch auf den Missbrauch der Gefühle, die die meisten gegenüber Kindern haben.

    Wo und wie missbrauche ich diese denn?

    Die Frage habe ich zudem längst beantwortet. Längst.

    Bitte entschuldige meine Blödheit, aber wo und wie? (kurzer Link reicht)

    Und wenn Du mit demokratischer Entscheidungsfindung nichts anfangen kannst ist das nicht mein Bier.

    Wie kommst Du darauf, dass ich das nicht könnte? Ich nehme mir nur das demokratische Recht heraus, die Entscheidung zu hinterfragen.

    So, jetzt aber: Gute Nacht.

    Dir auch. Und von Muddi und mir liebe Grüsse an Deine Familie.

  50. #54 Uli Schoppe
    18. Januar 2020

    Einen schönen guten Morgen 🙂

    Genau das ist das Problem. Bei der Abstimmung im Bundestag waren auf den Zuschauerrängen eine Reihe von Bürgern, denen es ganz anders geht. Und die vom Abstimmungsergebnis sehr enttäuscht waren.

    Nun gerade die wollen wir doch nicht entscheiden lassen, oder? Man zieht ja auch keine Betroffenen heran um den Hirntod festzustellen. Was soll das?
    Wenn jemand auf die Idee kommt die Todesstrafe einzuführen und zwar so das die Toten gute Organspender abgeben, fragen wir dann auch die Betroffenen? Nachdem wir Ihnen erklärt haben die hätten es ja verdient?

    Die Lösung so wie se jetzt ist ist wirklich nicht schlecht, meine anekdotische Evidenz zeigt mir das es bei den meisten Menschen vollkommen ausreicht wenn man sie aktiv anspricht. Und mal erklärt was mit Hirntod bei uns eigentlich gemeint ist und wie der festgestellt wird. Mit dem irreversiblen Herztod wird man da aber keine Punkte machen. Die Menschen gehen damit ähnlich um wie mit dem Impfen: Man verschlampt das denn man hat andere Probleme ^^ Warum muss man den Leuten das von hinten aufdrücken? Aus meinem persönlichen Umfeld kenne ich wirklich niemanden der sich einem Spenderausweis, also dieses Kärtchen in der Brieftasche 😉 verweigert hätte nachdem man mal vernünftig drüber geredet hat. Die Entscheidung ist wirklich gut so wie sie jetzt ist…

  51. #55 Solarius
    18. Januar 2020

    Andreas Lob-Hüdepohl ist Mitglied des deutschen Ethikrates. Er wurde zum Beschluß des deutschen Bundestages interviewt:

    http://www.domradio.de/themen/ethik-und-moral/2020-01-16/moralisches-gut-fuer-das-man-zwangsbehelligt-werden-darf-sozialethiker-ueber-die

    Daraus ein Zitat:

    …Wir haben eine hohe faktische Zustimmung zu Organspenden in der bundesdeutschen Bevölkerung.

    Knapp 40 Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung verfügen über einen Spenderausweis. Stattdessen ist Kern des Problems, dass Krankenhäuser Spendenbereite zu selten erfassen und Organe nicht entnommen werden. Solange das im Sterbeprozess zu wenig in den Blick genommen wird, solange das nicht vergütet wird, solange muss man sich nicht wundern, dass mögliche Spenderinnen und Spender nicht identifiziert werden…

    Krankenhäuser erfassen Spendenbereite zu selten und Organe werden nicht entnommen…

  52. #56 Omnivor
    Am 'Nordpol' von NRW
    18. Januar 2020

    @Uli Schoppe

    Warum muss man den Leuten das von hinten aufdrücken?

    Komisch – wieso von hinten? Bei der Widerspruchslösung hast Du ein Formular vor dir, in dem Du JA oder NEIN ankreuzt. Du hast die Freiheit dich zu entscheiden.
    In deinem ersten Post führst Du Horrorerlebnisse von Transplantierten an. Aber die haben sich entschieden, sich ein fremdes Organ einsetzen zu lassen.

  53. #57 Sonnenschein
    18. Januar 2020

    In Österreich scheint die Widerspruchslösung unaufgeregt zu funkionieren.

  54. #58 Uli Schoppe
    18. Januar 2020

    @Omnivor
    Bei der Widerspruchslösung nach Spahn wirst Du aufgeklärt. Wenn du dann nichts widersprichst wird für dich ja angekreuzt. Imho ist es auch völlig legitim sich gar nicht zu entscheiden. Bei der Widerspruchslösung wird das Recht sich so zu entscheiden wie man es für richtig hält beschnitten. —> Zwang

    Und die Horrorerlebnisse das war nicht Ich sondern Solarius in #20 🙂

    Bevor man sich mit Unsinn von „Ich als Arzt“ Lauterbach beschäftigt gäbs noch soviel anderes sinnvolles.

    Was mir so spontan einfällt wegen meiner natürlichen Schlampigkeit:
    Ich hab nicht immer alle meine Papiere bei mir. Kann gut sein dass alle oder auch nur ein Teil,unter anderem auch mein Spenderausweis zu Hause im Schrank liegen.

    Ich hab einen Autounfall, bin hirntod und meine Frau liegt auch schon sechs Wochen im Koma.
    Dann geht man meinen Töchtern auf den Sack weil wir kein vernünftiges zentrales Register hin bekommen? Ich würde gerne mal wissen wie viele Organspenden ausfallen weil wir nicht in der Lage sind sowas vernünftig zu regeln…

  55. #59 Uli Schoppe
    18. Januar 2020

    @Sonnenschein

    Das wäre dann das gute Recht der Österreicher:)

    Die verlinkte Studie von Kidney International hat sich mal jemand angeschaut?

  56. #60 Tanta Tulli
    18. Januar 2020

    Was machen Leute, die nicht spenden dürfen bei einer Widerspruchslösung?
    Muß ich extra ein Widerspruchskärtchen mit mir herumtragen? Wie lästig.

  57. #61 Uli Schoppe
    19. Januar 2020

    @Tanta Tulli

    Die Eignung als Spender wird eh geprüft. Alles grün.

  58. #62 schorsch
    20. Januar 2020

    Menschen müssen nicht sterben, weil ‘andere gedankenlos sind’, sondern weil sie einen Unfall hatten, einen Herzstillstand, Organversagen…

    Hier den Nichtspendern eine Schuld zuzuweisen, ist m. E. genauso widerwärtig wie die Schlachthofphantasien der Herren Lauterbach und Spahn.

  59. #63 Adent
    20. Januar 2020

    @nFlo
    Hab ich irgendwas verpasst? Die Widerspruchslösung scheint mir auf Grund der vorliegenden Daten nicht zu einer erhöhten Anzahl an Spender/organen zu führen, warum sind dann die auf Organe wartenden Zuhörer in der Debatte von der Entscheidung des Bundestages enttäuscht?
    Das ergibt logisch keinen Sinn, egal was der Bundestag mit oder ohne Eier entschieden hat oder hätte, die Widerspruchslösung ist offensichtlich nicht das Mittel der Wahl.
    Was hingegen sinnvoller erscheint (auf Grund der Studien) ist die Vergütung des Vorhaltens der Ausstattung in den Kliniken und eine zielgerechte Aufklärung der Bevölkerung, beides wurde doch entschieden, oder?

  60. #64 Alisier
    20. Januar 2020

    @ Adent
    Danke für das Einbringen des Begriffs “Logik”.
    Wenn diese Beachtung findet hat sich vieles erledigt.
    Und erst dann sind Diskussionen auch machbar.

  61. #65 gnaddrig
    21. Januar 2020

    @ schorsch (#62): Wenn es denn gar so einfach wäre. Man muss schon zwischen Krankheit/Unfall als zugrundeliegender Ursache und einem Mangel an geeigneten Medikamenten/medizinischen Behandlungsmöglichkeiten unterscheiden.

    Natürlich, Menschen sterben an Krankheiten oder Unfallfolgen. Aber bei entsprechender Behandlung müssten sie ganz oft nicht daran sterben. Starke Blutungen stillt man z.B. durch geeignete Verbände. Entgleisenden Blutzucker behandelt man durch Insulin. Leberversagen o.ä. behandelt man durch Transplantation eines Spenderorgans. Wenn Verbandsmaterial/Insulin/Spenderorgane oder das zur Anwendung befähigte Personal fehlen, sterben die betreffenden Patienten natürlich immer noch an Unfall oder Krankheit, aber eben auch an der fehlenden Behandlung, oder?

    “Menschen sterben, weil Spenderorgane fehlen” ist zunächst nur eine sachliche Feststellung, und es ist legitim, Überlegungen anzustellen, warum Spenderorgane fehlen und wie man mehr Organspenden kriegen kann. Da ist ja hier schon einiges genannt worden, die von der grundsätzlichen Spendenbereitschaft abweichende Umsetzung in Form von Organspenderausweisen ist nur ein Aspekt, die mangelnde Bereitschaft von Kliniken, mögliche Spenderorgane wegen hoher Kosten und mangelnder Vergütung gar nicht erst zu entnehmen, ein anderer.

    Ich sehe nicht, dass hier irgendwer einfach den Nichtspendern die Schuld gibt. Allerdings trägt jeder, der spenden könnte, aber aus Bequemlichkeit keinen Organspenderausweis ausfüllt und dann im Ernstfall auch keine Spenderorgane “liefert”, tatsächlich zur Knappheit an Spenderorganen bei. Ist einfach so, egal wem das missfällt.

  62. #66 RPGNo1
    9. Februar 2020

    “Die politische Debatte über neue gesetzliche Rahmenbedingungen für die Registrierung von Organspendern hat offenbar die Spendenbereitschaft deutlich erhöht. ”

    https://www.welt.de/newsticker/news1/article205718137/Organspende-Bericht-Zahl-der-Bestellungen-von-Organspende-Ausweisen-verdoppelt.html

  63. #67 René
    11. Februar 2020

    “Die politische Debatte über neue gesetzliche Rahmenbedingungen für die Registrierung von Organspendern hat offenbar die Spendenbereitschaft deutlich erhöht. ”

    Na sofas! Ich dachte, das wäre prinzipiell nur bei einer Widerspruchslösung möglich. ;o)

    Ob das nun aber auch automatisch zu mehr (tatsächlich durchgeführten!) Spendvorgängen führt, darf noch immer bezweifelt werden. Das setzt ja zum einen voraus, dass die ganzen spendebereiten Menschen – nun ja – “zur Verfügung stehen”, und zum anderen dann auch entnahmefähiges Personal und technische Ausstattung vor Ort sind.