„Wie t-online.de am 21.02.2020 meldete, lag ihrer Behörde bereits im November 2019 eine offenbar nur leicht gekürzte Version des späteren Täter-Manifests vor. Warum hat ihre Behörde damals nicht den zuständigen Sozialpsychiatrischen Dienst des Gesundheitsamts informiert, etwa mit der Bitte, zu prüfen, ob der Verfasser bereits aktenkundig ist und ob der Dienst die Notwendigkeit für eine Einbestellung oder einen (angemeldeten) Hausbesuch sieht? Und, ob die Person vielleicht gar einen Waffenschein besitzt.“
Wenn man einmal davon absieht, dass Meins hier die Schuld vom strafrechtlich unschuldigen Rassisten an den Staat weiterreicht, ist das eine durchaus berechtigte Frage. Aufeinander acht zu geben, sich umeinander zu kümmern, kann nicht nur ein Appell an Familie, Freunde und Nachbarn sein. Wir müssen auch unsere sozialen Hilfesysteme handlungsfähig halten und den gesellschaftlichen Entwicklungen entsprechend weiterentwickeln. Dazu gehört, ich habe es auf Gesundheits-Check oft wiederholt, meist im Zusammenhang mit der Masernimpfung, auch der öffentliche Gesundheitsdienst, hier der sozialpsychiatrische Dienst. Fehlende Unterstützung und Repression sind kommunizierende Röhren, in den USA ist das an den vollen Gefängnissen gut zu sehen. Wenn man fordert, Leute wie den Täter von Hanau schon vor der Tat präventiv in der Psychiatrie wegzusperren, die Frage wie lange und mit welchem Ziel einmal dahingestellt, kann man sich nicht auf § 20 StGB berufen. Die Vorschrift hebt auf eine Tat ab, nicht auf eine Person. Eine präventive Einweisung aufgrund einer akuten Selbst- oder Fremdgefährdung wäre nach den Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzen der Länder möglich, aber auch auf diesem Wege nicht ohne Richter und nicht ohne psychiatrische Begutachtung. Aus gutem Grund, bevor aus einer auf konkrete Einzelfälle zielenden Möglichkeit eine präventive politische Psychiatrie wird.
Mit den Brandmauern nach rechts ist das sowieso so eine Sache. Sie sind notwendig, um das Leben der Menschen in unserem Land zu schützen. Dass die AfD-Strategen doch noch einmal innehalten, sich besinnen, dass ihre Hetze Teil des Funkenflugs ist, der in „normalen“ wie in psychisch kranken Hirnen irgendwas an den Synapsen durchbrennen lässt, ist schließlich nicht zu erwarten. Aber schützen die Brandmauern vielleicht ganz unausgesprochen auch das politische Weiter so? Es ist überfällig, auch die soziale Brandgefahr zu verringern. Das wäre präventiv zudem wirksamer als das präventive Wegsperren von Verdachtsfällen in der Psychiatrie. Wir brauchen eine Politik, die den Chancen der Menschen auf ein gutes Leben – Wohnen, Arbeit, Rente – gegenüber den Chancen der Unternehmen auf gute Gewinne wieder mehr Gewicht gibt. Eine Gesellschaft wird nicht erst durch rechte Hetze gespalten, sie wird schon gespalten, wenn sie zulässt, dass sie immer mehr in Gewinner und Verlierer zerfällt.
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