Hamburg hat gewählt. Die FDP scheint es mit 5 % gerade noch in die Bürgerschaft geschafft zu haben. Dass ihre Spitzenkandidatin Anna von Treuenfels vorübergehend mit den Stimmen der AfD zur Ersten Bürgermeisterin gewählt wird, ist nicht anzunehmen. Die AfD ist, wie es aussieht, nicht mehr in der Bürgerschaft vertreten und Frau von Treuenfels signalisiert schon mit ihrem Namen, dass sie anders als Herr Kemmerich in Thüringen (der Mann hieß doch so?) keine Polit-Zockerin in Cowboystiefeln ist.

In der „Berliner Runde“, der ARD-Sendung zur Wahl, gab es trotzdem irritierende Gleichschaltungen zwischen den beiden Parteien zu bestaunen. Das Thema Thüringen war natürlich auf der Agenda. Als die Moderatorin Tina Hassel die Generalsekretärin der FDP, Linda Teuteberg, darauf hinwies, dass im ARD-Deutschlandtrend 62 % der FDP-Mitglieder im Unterschied zu den Mitgliedern aller anderen Parteien angaben, eine Zusammenarbeit mit der AfD solle man von Fall zu Fall entscheiden, antwortete Frau Teuteburg: Man schaue nicht auf Umfragen, man sei eine liberale Partei. Das hat sie lächelnd auf Nachfrage der Moderatorin, es sei eine Mitgliederbefragung gewesen, noch einmal wiederholt.
Frau Teuteberg lächelt immer, egal was sie sagt. Ob sie bewusst versucht, alles wegzulächeln, weiß ich nicht. Ich hoffe, sie spricht nicht bei Beerdigungen. Politisch bedeutet ihre Antwort: Uns interessiert nicht, was unsere Mitglieder sagen. In wessen Auftrag agiert die FDP-Führung dann?

Für die AfD saß Dr. Bernd Baumann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, in der Runde. Lächeln kann er nicht. Aber auch er ist ganz offensichtlich der Meinung, dass es egal ist, was die Parteimitglieder wollen. Er wurde gefragt, warum denn die AfD in Thüringen ihren eigenen Kandidaten nicht gewählt habe. Antwort: Wenn der AfD-Kandidat zweimal nicht gewählt wird, dann könnten sich die Abgeordneten doch überlegen, mal einen anderen zu wählen. Schon, aber hätte man dazu nicht den eigenen Kandidaten vorher zurückziehen müssen? Das hätte natürlich das fein eingefädelte Hütchenspiel offengelegt. Da serviert man den eigenen Parteimitgliedern lieber einen Ministerpräsidenten einer Partei aus der „Merkeldiktatur“, obwohl das AfD-Wahlvolk doch aus Protest so fleißig gegen die „Systemparteien“ stimmt.

Frau Teuteburg saß auch dazu lächelnd neben Herrn Baumann, dieser ohne jeden Anflug eines Lächelns. Wie gesagt, kann er nicht. Zu Lachen hat er bei dem Wahlergebnis sowieso nichts, dazu wird Höcke sicher noch ein ganz ernstes Wort sagen. Der muss jetzt verhindern, dass sich der Untergang der AfD durch alle Landesverbände frisst. So wie das Herumeiern in Thüringen die FDP Stimmen gekostet hat, hat das Herumeiern der AfD um den Terrorakt in Hanau seine Partei Stimmen gekostet. Chrupalla und Meuthen haben schon wieder an die Mitglieder geschrieben, fast könnte man ein wenig Kritik an Bernd darin vernehmen.

Und wo bleibt das Positive? Das kommt im Fernsehen und steht morgen in der Zeitung.

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Nachtrag 21:50 Uhr: Die AfD ist wohl doch in der Bürgerschaft. Bei der ersten Hochrechnung lag sie noch bei 4,7 %, jetzt bei 5,2 %. Das Positive bleibt etwas hinter seinen Möglichkeiten zurück.

Kommentare (9)

  1. #1 DH
    23. Februar 2020

    Es scheint mir nicht so sehr das”Herumeiern” zu sein, sondern eher das “Hütchenspiel” in Thüringen. Offenbar hat es auch der AfD-Wähler nicht goutiert, daß die AfD die Kungelei der “Systemparteien” angreift, aber selber zu Tricks greift, die zwar schlitzohrig sind, aber eben auch Kungelei- eine echte Überraschung. “Untergang” ist jedoch Wunschdenken.

    “Frau Teuteberg lächelt immer, egal was sie sagt. ”
    In der Tat, und sie nervt. Selbst die US-Amerikaner, die diese Unart erfunden haben, bevorzugen heute schlecht gelaunte Männer älteren Semesters und widerlegen, sehr zur Überraschung europäischer Journalisten, das Klischhee vom tumben Amerikaner, der den wählt, der am lautesten lächelt.
    Oder diejenige, vielleicht war das sogar ein Grund für die Niederlage Clintons, das offensichtliche Vorbild für die liberale Grinsekatze.

  2. #2 rolak
    24. Februar 2020

    Clinton(..) offensichtlich

    Ich erhöhe auf Carter :•)

    Kemmerich (..) so?

    Selbstverständlich nicht, das ist doch ganz klar eine Anspielung auf das übliche Gegrummel mit nachtverklebten Augen morgens vor dem Spiegel: ‘Kenn ich nich, kämm ich nich’, vielleicht mit einer unterstützenden Reprise aus der Gebetsmühle ‘Bernd H…
    Oha, doch, so.

    Untergang der AfD

    Nona, imho ein wenig zu forsch positiverwartend extrapoliert, das immer noch deutlich optimistische ‘Trendwende’ wäre wohl passender.

  3. #3 noch'n Flo
    Schoggiland
    24. Februar 2020

    Anscheinend wurden bei der Übermittlung der Stimmen aus dem Stadtteil Langenhorn Grüne und FDP vertauscht. Sollte sich das bestätigen, wäre die FDP raus.

    • #4 Joseph Kuhn
      24. Februar 2020

      @ noch’n Flo:

      Gut, wie gesagt, Frau von Treuenfels tritt eh nicht als Bürgermeisterkandidatin an. Aber für Frau Teuteburg wäre die Mitteilung des Ausscheidens der FDP mit situativ angemessener Mimik eine echte Herausforderung, das wünscht man ihr nicht.

  4. #5 DH
    24. Februar 2020

    @rolak
    “Carter”
    Widerspreche nicht, da lassen sich wahrscheinlich noch säckeweise weiter finden…

  5. #6 noch'n Flo
    Schoggiland
    25. Februar 2020

    @ JK:

    Aber für Frau Teuteburg wäre die Mitteilung des Ausscheidens der FDP mit situativ angemessener Mimik eine echte Herausforderung, das wünscht man ihr nicht.

    Also gerade eben im “RTL Nachtjournal” hat sie es recht gut hinbekommen.

  6. #7 noch'n Flo
    Schoggiland
    25. Februar 2020

    Nächste Panne in HH: in Eimsbüttel ist ein grösserer Posten unausgezählter Stimmzettel im Altpapier gelandet. Bis auf 18 Stimmzettel (à 5 Stimmen) konnte allerdings alles im Wertstoffhof sichergestellt werden. Laut Landeswahlleiter Oliver Rudolf seien die fehlenden 90 Stimmen “nicht mandatsrelevant”.

    Sorry, aber aus meiner Sicht sollte Herr Rudolf dringend die Konsequenzen aus den Pannen ziehen und umgehend zurücktreten.

  7. #8 Dr. Webbaer
    26. Februar 2020

    Die FDP scheint es mit 5 % gerade noch in die Bürgerschaft geschafft zu haben. […] Die AfD ist, wie es aussieht, nicht mehr in der Bürgerschaft vertreten […]

    Dr. W hat, mit einer gewissen Ahnung, auch zeitnah Zwischenwahlergebnisse der Behörden, die zeitnah veröffentlicht worden sind, zK genommen, die bereits von Anfang an von denjenigen der von der ARD und des ZDF prognostizierten abwichen, die auf Wählerbefragungen basierten.

    Es fällt nicht einfach Wähler zu befragen, wenn ihre avisierte Wahl öffentlich herabgesetzt wird.
    Kann zu Ungenauigkeiten führen.
    So gesehen hatte Donald J. Trump seine Wahl ebenfalls verloren bevor er sie gewonnen hat.

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

  8. #9 Dr. Webbaer
    27. Februar 2020

    Schon, aber hätte man dazu nicht den eigenen Kandidaten vorher zurückziehen müssen?

    ‘Müssen’ offensichtlich nicht, eine moralische Verpflichtung könnte diskutiert werden, allerdings lohnt es sich womöglich nicht dies näher zu erörtern, wenn doch andernorts ein so nicht von den Vätern und Müttern des Grundgesetzes vorgesehener Fraktionszwang vorliegt.

    BTW, danke für das Freischalten des obigen Kommentars, das so hier nicht erwartet worden ist, und, wie geht’s Ihnen so, werter Herr Dr. Joseph Kuhn, alles im grünen Bereich, alles steif i.p. Agit-Prop im politisch linken Bereich und den hiesigen wissenschaftsnahen WebLog-Bereich meinend (Dr. W hat meist allerdings nur die Überschriften Ihrer letzten Benachrichtigungen gelesen)? Gut ins neue Jahrzehnt gekommen?

    “Thüringen” war nun wirklich so eine Sache, was wäre passiert, wenn sich Mutti aus Südafrika nicht gemeldet hätte mit lokalpolitischer Ansicht, was auf Auslandsreisen von Amtsträgern früher mal als unschicklich galt?

    MFG – Wb