Heute ist Tag des Gesundheitsamtes. Das Robert Koch-Institut hatte letztes Jahr zum ersten Mal den 19. März zum Tag des Gesundheitsamtes ausgerufen. Am 19. März 1745 wurde Johann Peter Frank geboren, der „Stammvater“ der Sozialmedizin in Deutschland. Mit dem Tag des Gesundheitsamtes will das RKI auf die Bedeutung des öffentlichen Gesundheitsdienstes aufmerksam machen.
Dem diesjährigen Tag des Gesundheitsamtes hat das RKI das Motto „Gesundheitsmonitoring für evidenzbasiertes Handeln“ mit auf den Weg gegeben. Das ist zu einer Zeit festgelegt worden, als es die Kürzel Sars-Cov-2 und Covid-19 noch nicht gab.
Die Coronakrise lässt die Bedeutung des öffentlichen Gesundheitsdienstes nun für jedermann sichtbar werden. Gesundheitsämter sind ein unverzichtbarer Baustein öffentlicher Gesundheit. Sie leisten im Moment, genau wie die Ärzte in den Praxen und Krankenhäusern, Übermenschliches. Genauso sichtbar werden jetzt die Defizite eines kaputtgesparten öffentlichen Gesundheitsdienstes. Über Jahrzehnte hat man die Gesundheitsämter personell ausbluten lassen, das hat schon die Masernelimination behindert und jetzt rächt sich die staatliche Sparmentalität ganz besonders. In vielen Regionen kommen die Ämter mit dem contact tracing und anderen Maßnahmen zur Eindämmung der Epidemie einfach nicht mehr hinterher.
Auch das Motto des Tags ist ungewollt hochbrisant geworden. Dass man lange nicht wusste, wie viele Menschen in Deutschland getestet werden, keine tagesaktuellen Daten zur Auslastung der Intensivbetten oder der Verfügbarkeit von Beatmungsgeräten hatte, oder dass man sich Daten dazu, wie viele Menschen, die an Covid-19 erkrankt und stationär behandelt werden, mühsam zusammensuchen muss, dass man bei den Sterbefällen nicht sauber zwischen krankenhausbezogener Letalität und anderen Case-Fatality-Rate-Varianten unterscheiden kann, dass man keinen Überblick über die Versorgungssituation in Europa hat, was jenseits aller nationaler Egoismen grenzüberschreitende Hilfen erschwert – all das sind unhaltbare Zustände. Ohne gute Daten gibt es kein evidenzbasiertes Handeln.
Und noch etwas sollte jedem klar geworden sein: Wir leben in einer Welt. Auch eine Infektionskrankheit ist nicht loszulösen davon, wie wir globalisiert wirtschaften und reisen oder wie die Gesundheitssysteme in Ländern wie dem Iran oder in Großbritannien aussehen. In der Pandemie hängt alles mit allem zusammen.
Wer sich dafür interessiert, Öffentliche Gesundheit, Public Health, für die Zukunft zu gestalten, kann gerade an einem Konsultationsprozess eines Strategie-Papiers teilnehmen. Deutschland hat bisher keine Public-Health-Strategie. Das Zukunftsforum Public Health hat einen ersten Entwurf dazu entwickelt. Das Papier „Auf dem Weg zu einer Public-Health-Strategie – Gemeinsam für mehr Gesundheit in Deutschland“ wurde auf dem 4. Symposium des Zukunftsforums Public Health im Januar dieses Jahres intensiv diskutiert. Die Anmerkungen und Kommentare aus den Arbeitsgruppen wurden im Nachgang der Veranstaltung in das Papier eingearbeitet. Die Redaktionsgruppe legt nun eine überarbeitete Version vor, die in einem Konsultationsprozess von der Public-Health-Gemeinschaft weiter kommentiert und bearbeitet werden soll. Auf der Website https://zukunftsforum-public-health.de/aktuelles/konsultation/ ist das Papier als Word-Dokument abrufbar. Änderungen sollen direkt im Dokument vorgenommen und bis zum 19.05.2020 per E-Mail an strategie@zukunftsforum-public-health.de geschickt werden. Die Kommentare werden dann gesichtet und das Papier auf Grundlage der Rückmeldungen überarbeitet. Bis Anfang 2021 wird die überarbeitete Version fertiggestellt und veröffentlicht werden.
Mit etwas Glück ist die Coronakrise dann zumindest als medizinisches Problem überwunden. Wirtschaftlich und gesellschaftlich werden wir an den Folgen noch Jahre zu tragen haben. Es wäre schön, wenn man dabei nicht wieder am Öffentlichen Gesundheitsdienst sparen würde. Die nächste Epidemie kommt bestimmt.
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