In Kürze am Abend des Vatertags zwei Kommentare:
1. Mir war zwar klar, dass Virennachweis-Tests bei niedrigen Infektionsraten in der Allgemeinbevölkerung dann, wenn sie positiv ausfallen, nicht viel aussagen. Wie prekär sie im Hinblick auf die derzeit oft gehörte Maxime „Testen, Testen, Testen“ tatsächlich sind, ist mir allerdings auch erst heute nach einem Leserkommentar klargeworden, obwohl dazu keine großen epidemiologischen Klimmzüge gehören. Bei Tests in der Allgemeinbevölkerung, eine Prävalenz von aktiven Fällen von 0,1 % unterstellt, ist bei gerade mal 7 % der positiven Virennachweis-Tests davon auszugehen, dass auch wirklich eine Infektion vorliegt. Das spricht nicht gegen das Testen in begründeten Fällen, etwa bei Symptomen, wie es das RKI bisher empfiehlt, oder in besonders gefährdeten Populationen. Aber die Forderung „Testen, testen, testen“ kommt mir jetzt noch absurder vor als zuvor.
2. Das Ifo-Institut ist ein renommiertes Institut. Zu einem renommierten Institut gehört auch eine gute Pressearbeit. Den halben Tag gehen schon Meldungen durch die Presse, und zwar querbeet, dass nach einer Studie des Ifo-Instituts die Sterblichkeit in Deutschland im April im Rahmen statistischer Zufallsschwankungen liege. Auf den Seiten des Instituts ist die Studie aber nicht zu finden, oder ich bin zu vatertagsbehindert dazu. Je nachdem, wie man mit den Daten umgeht, welche Zeiträume man betrachtet, wie man die Zufallsschwankungen definiert, welche Vergleichszeiträume man betrachtet, wie man die Baseline des Vergleichs bestimmt und wie sehr man das Thema klassisch statistisch betrachtet, also ausblendet, was man vielleicht a priori in Rechnung stellen sollte, je nachdem kann man zu ganz unterschiedlichen Befunden kommen. Bei zeitabhängigen Kurven hilft ein einfaches Konfidenzintervall jedenfalls nicht viel. Aber auf dem Niveau wird das Ifo-Institut vermutlich nicht argumentieren. Daher würde ich schon gerne sehen, was das Ifo-Institut gemacht hat. Ich hoffe, die Medien, die so fleißig berichten, habe es gesehen. Ich habe erst mal Zweifel an der Aussage, man sähe nichts. Aber Irrtum gehört zu meinem Verhaltensrepertoire, und was die vermisste Studie angeht, vielleicht steht sie so groß vor meinen Augen im Internet wie die die Prävalenz aktiver Infektionen. Die Diskussion dazu ist auf jeden Fall lohnend.
3. Ich sprach von zwei Kommentaren. Es werden zweieinhalb. Bei Corona gibt es nicht nur immer neue wissenschaftliche Erkenntnisse, es formen sich auch in den Medien, in der Politik und im eigenen Kopf immer neue Bilder von der Situation, in der wir uns befinden. Es ist also nicht verkehrt, sich vor Augen zu halten, dass die Dinge anders sein könnten, als man denkt, und dass man dazu den Käfig der eigenen Überzeugungen immer wieder mal auf der Suche nach neuen Informationen verlassen sollte. Ob einem beim Umgang mit der damit einhergehenden Unsicherheit „Philosophie in Echtzeit“ hilft, so der Untertitel eines gerade erschienen Buches zur Coronakrise von Nikil Mukerji und Adriano Mannino, erzähle ich, wenn ich es gelesen habe. Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Wir leben in unsicheren Zeiten.
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