Demnächst erscheint in der Zeitschrift “Public Health Forum“ ein kurzer Artikel von mir zur Frage, ob Blogs zur Demokratisierung der Gesundheitspolitik beitragen. Die Antwort nehme ich hier mal vorweg: Eher nicht. Zumindest nicht direkt. Die Begründung liefere ich nach, wenn der Artikel erschienen ist.

Eine andere Frage verfolgt eine Dissertation von Verena Gliese, 2018 unter dem Titel „Blogger Relations als Teilbereich der Medienarbeit. Unternehmenskommunikation mit neuen Öffentlichkeiten“ im Springer-Verlag erschienen. Ihr geht es darum, ob Blogger eine nützliche Rolle für die Unternehmenskommunikation spielen oder nicht. Dabei kommt es natürlich darauf an, um welche Art von Blogs es jeweils geht, schließlich gibt es solche und solche. Mich stuft die Autorin auf Seite 116 als „Watch Blogger“ ein. Watch Blogger mit ihrem kritischen Blick stellten, so die Autorin, „eher eine Gefahr für die Reputation eines Unternehmens dar“, denn:

„Er regt auf seinem Blog zu einem reflektierten Umgang im Hinblick auf die massenmediale Berichterstattung zu Gesundheitsthemen an und hinterfragt Studienergebnisse aus dem Bereich ‚Gesundheit‘. So thematisiert er z.B. die Gefahren des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat.“

Man könnte nun darüber diskutieren, was damit implizit über das Verhältnis von Studien und Unternehmenskommunikation ausgesagt wird, oder über das Verhältnis von Unternehmenskommunikation zu Gesundheitsgefahren. Oder ob das Beispiel Glyphosat hier gut gewählt ist. Zu dessen Gesundheitsgefahren habe ich mich nämlich gar nicht weiter geäußert, sondern dazu, wie darüber zwischen Behörden und in der Wissenschaft gestritten wird. Richtig ist allerdings, dass Monsanto in meinen Kommentaren nicht gut wegkam. Meine Beiträge über die Tabakindustrie und ihre Lobbyisten oder die über Hevert, den klagefreudigen Homöopathie-Hersteller, wären vielleicht noch bessere Beispiele gewesen.

Aber davon abgesehen: Ist Gesundheits-Check ein „Watch Blog“? Und wäre das eine positive Bewertung oder eher so etwas wie die Etikettierung als Wadlbeißer in Sachen Gesundheit? Was kennzeichnet eigentlich einen „Watch-Blog“?

Kommentare (23)

  1. #1 RPGNo1
    26. August 2020

    Was ist mit Claus Fritzsche, der mehrere sog. “Watch-Blogs” betriebt, die aber eher dazu dienten, Homöopathie zu propagieren und die Kritiker der Homöopathie zu diskreditieren? Was ist mit Beckers homoeopathiewatchblog, der den gleichen Zweck verfolgt?

    Die Titulierung eines Blog als “Watch-Blog” sehe ich daher eher als Warnung vor einem Blog denn als Adelung.

    • #2 Joseph Kuhn
      26. August 2020

      @ RPGNo1:

      Vielleicht sollte ich mehr über Uhren schreiben?

  2. #3 Jürgen Schönstein
    26. August 2020

    Ich weiß nicht, ob es für “Watchblog” eine offizielle Definition gibt, aber was ich über mehr als ein Jahrzehnt in dieser Szene mitbekommen habe, deutet darauf hin, dass es sich dabei um Blogs handelt, die über andere Blogs (wenn man es enger betrachtet), oder über die Medienauftritte von anderen – Fernsehsendungen, Magazinbeiträge, Webseiten etc. – berichten und oft, wenn auch nicht ausschließlich, deren Inhalte streng und kritisch analysieren. Bildblog wäre vielleicht so ein Beispiel…

    All dies vorausgeschickt, würde ich Gesundheits-Check eher NICHT als ein Watchblog einstufen, auch wenn Deine Beiträge nicht selten durch etwas angestoßen werden, das jemand anderer öffentlich verkündet hat. Das ist aber immer nur der Ausgangspunkt, gefolgt von sehr originären (und originellen) Betrachtungen zum Thema; Watchblogs sind da eher “meta-medial”, d.h. sie beschreiben zumeist, was die anderen geschrieben oder eben NICHT geschrieben haben.

  3. #4 Alisier
    26. August 2020

    Wiki zu Watchblog:
    “Es wird häufig von Experten eines bestimmten Themenschwerpunkts betrieben, dient der kritischen Beobachtung und Beurteilung maßgeblicher Entwicklungen und Akteure auf dem jeweiligen Gebiet und hat die Aufklärung der Allgemeinheit zum Ziel.”
    Diese Definition ist wohl doch vor allem positiv gemeint.
    Und ich denke, dass Labeln eh immer problematisch ist.
    Dies ist ein Blog, der sich kritisch, wenn auch nicht immer distanziert, positionniert und äußert.
    Und das öfters überaus kompetent.
    Mir reicht das um ihn mit Gewinn zu lesen und zu empfehlen.

  4. #5 Alisier
    26. August 2020

    @ Joseph Kuhn
    Auf die Begründung (weswegen Blogs eher nicht zur Demokratisierung der Gesundheitspolitik beitragen) bin ich sehr neugierig.

  5. #6 Omnivor
    Am 'Nordpol' von NRW
    27. August 2020

    Vielleicht ein Tippfehler?
    Es sollte Watschen-Blog heissen.

  6. #7 roel
    27. August 2020

    @Joseph Kuhn Also ich kann dich beruhigen. Gesundheits-Check ist ein scienceblog und zwar einer der besten.

  7. #8 foobar407
    27. August 2020

    Wenn ich jetzt einen Watch-Blog zum Gesundheitscheck betreibe ist das dann ein:

    1. Super-Watch-Blog
    2. Watch-Watch-Blog
    3.Watsch-Watsch-Blog

    ?

  8. #9 borstel
    27. August 2020

    Watch Blog klingt doch sehr nach Watchdog – Herr Kuhn, steht Ihr Arbeitsplatz in einer Hundehütte, und liegt immer ein Stück getrocknetes Schweineohr für das Hüngerchen zwischendurch neben der Tastatur? (Ich persönlich bevorzuge ja eher ein Körbchen und einen leckeren Rinderpansen, aber über Geschmack läßt sich ja bekanntlich nicht streiten.)

  9. #10 Sonnenschein
    28. August 2020

    Ich kann die Begründung

    „eher eine Gefahr für die Reputation eines Unternehmens dar“

    der Kommunikationsexpertin nicht nachvollziehen..
    Abgesehen davon finde ich mich hier auf “Scienceblogs” und nicht auf “Watchblogs” wieder. Falls es sich um eine PR Seite wegen der “Reputation eines Unternehmens” handeln würde, würde ich hier nicht lesen.

  10. #11 Wetterwachs
    28. August 2020

    Ein Watch-Blog bietet eine Art Informations-Service zum Schutz von Menschen, die sonst nicht so einfach an diese Informationen herankämen, und dadurch Schaden erleiden könnten. Er beobachtet oder überwacht eine Ware, eine Organisation oder eine Denkrichtung, bewertet die Beobachtungen kritisch in Bezug auf die Selbstdarstellung des Beobachteten und weist Verbraucher oder Nutzer oder Gläubige hin auf die Diskrepanz zwischen (Werbe-)Versprechen und tatsächlicher Leistung oder wirklichem Wert.
    Gesundheits-Check ist vielschichtiger, eine Mischung aus wissenschaftsvermittelnder, philosophischer, sozialkritischer Informationen und Hintergründe, fordert zum selber denken heraus und stellt oft mehr Fragen, als er Antworten gibt. Das implizite ‘trau dich, selber zu denken’ hat oft eine mühsame Kopfgymnastik zur Folge: Links öffnen und lesen, in Wikipedia graben, eigene Standpunkte in Zusammenhang bringen mit neuen angebotenen Sichtweisen und so weiter.
    Oft vermisse ich klare Standpunkte oder hätte gerne eine Empfehlung, was zu tun ist. Das kann ich aber hier vergessen. Gesundheits-Check ist eben nicht bloß ein Watch-Blog.

  11. #12 RPGNo1
    28. August 2020

    @Wetterwachs

    Oft vermisse ich klare Standpunkte oder hätte gerne eine Empfehlung, was zu tun ist.

    Siehst du das als Nachteil von Gesundheits-Check? Hättest du gerne (zumindest gelegentlich) klare Anweisungen oder Empfehlungen?

  12. #13 Alisier
    28. August 2020

    “Sag mir, wo du stehst
    Sag mir, wo du stehst
    Sag mir, wo du stehst
    Und welchen Weg du gehst!”

    Und natürlich was ich tun soll….
    Schön war bei diesem Lied der stramm sozialistischen DDR-Band “Oktober” vor allem, dass die Texte kaum oder gar nicht von Kirchentagsliedern zu unterscheiden waren. Eine echte Watchband also, mit klarer Richtungsempfehlung.

  13. #14 Joseph Kuhn
    28. August 2020

    “was zu tun ist”

    Hatte nicht schon Lenin gefragt, was tun? Eine Antwort darauf war mal “Tunix”.

    Ansonsten könnte ich noch das alte Lied “Im Presssack sind die Würmer drin” empfehlen. Aber so viel weiter kommt Wetterwachs damit vermutlich auch nicht.

  14. #15 rolak
    28. August 2020

    Presssack + Würmer

    ParasitenPogo? you Made me newgreedy, there4 ‘citation needed’!

  15. #17 DH
    28. August 2020

    Stimme den Definitionen von Jürgen Schönstein und Wetterwachs zu, ein watchblog ist wohl eher spezialisiert, manchmal auch monothematisch (foodwatch). Eine Wertung ist damit nicht verbunden.
    Wäre jeder blog ein watchblog, der sich mal kritisch zum ein oder anderen Thema äußert, würde das für die meisten blogs gelten.
    Und “watschblog” (foobar407) ist auch keine schlechte Bezeichnung…

  16. #18 Wetterwachs
    29. August 2020

    @RPG #12

    Siehst du das als Nachteil von Gesundheits-Check? Hättest du gerne (zumindest gelegentlich) klare Anweisungen oder Empfehlungen?

    Nein, ich wollte keine Kritik an Gesundheits-Check üben. Wenn ich was vermisse, ist das nicht als anmaßende Forderung im Sinne von “jetzt mach schon voran und gib mir, was ich will” zu interpretieren.

    Nein, Anweisungen schon gar nicht. Einschätzungen vielleicht eher, Strategien wie und hauptsächlich wo ich das, was ich an Erkenntnis gewonnen habe, sinnvoll umsetzen, weitervermitteln kann. Tipps zur Entprivatisierung oder Entverinnerlichung von Erkenntnissen sozusagen. Unter anderem auch eine Überprüfungsmöglichkeit, ob ich mir ein Quale herangezüchtet habe (oder dazu beitrage, Gruppenqualia à la „Tu nix“ (#14) zu generieren).

  17. #19 rolak
    29. August 2020

    nur mündlich überliefert

    Mund-zu-Mund-Tradierung, soso. Wahrscheinlich nur korrekt, wenn mit vollem Munde kauend intoniert, analog zur 3imWeckla-Ballade…
    Ich werde dann gestern mal eben vorbeikommen und hör mir das an.

    btt: die Bedeutung von ‘WatchBlog’ scheint unter anderem durch die Kommunikations­Richtung moduliert zu werden:
    -über sich selber: meist monothematisch motivierend
    -über andere, die über sich selber: zutreffend
    -über andere, die nicht über sich selber: pejorativ

    • #20 Joseph Kuhn
      29. August 2020

      @ rolak:

      Die berühmte “3imWeckla-Ballade” muss natürlich, wie du schreibst, mit vollem Mund vorgetragen werden, wobei sich die beiden Künstler vis a vis gegenüberstehen. “Im Presssack sind die Würmer drin” ist das aus ästhetischen Gründen nicht so. Wobei auch bei der 3imWeckla-Ballade derzeit zur Verringerung des Tröpfenausstoßes auf die tradierte Vortragsweise verzichtet werden soll.

  18. #21 Joseph Kuhn
    14. September 2020

    Pflichtgemäßer Nachtrag:

    Oben im Blog habe ich geschrieben, dass ich noch eine Begründung nachliefere, warum meiner Meinung nach ein Blog wie dieser hier, auch wenn breit und kontrover diskutiert wird, nicht einfach als Beitrag zur Demokratisierung im Gesundheitswesen gesehen werden kann. Gerade ist in der Zeitschrift “Public Health Forum” dazu ein ganz kurzer (aber im Download trotzdem irrsinnig teurer) Beitrag von mir unter dem Titel “Technologische Demokratisierung?” erschienen. Meine Begründung dort:

    “Demokratisierung zielt auf Partizipation an Entscheidungen. Ein Blog eröffnet aber keine Entscheidungsräume. Er kann (…) im besten Fall die digitale Gesundheitskompetenz seiner Nutzer unterstützen, also die Evidenzbasierung von Meinungen befördern und damit indirekt zur Demokratisierung von Entscheidungen beitragen, die woanders zu treffen sind. Die entsprechenden Entscheidungsmöglichkeiten müssen dann aber auch eröffnet werden, sonst stellen Blogdiskussionen unter diesem Gesichtspunkt bestenfalls eine Spielart sozialtechnologischer Pseudopartizipation und Gouvernementalität dar”.

    “Auf der anderen Seite besteht allerdings auch die Gefahr, dass soziale Medien und Blogdebatten für antidemokratische Ziele genutzt werden, etwa wenn Verschwörungstheorien über gesundheitspolitische Absichten verbreitet oder befördert werden. (…). Damit wird Gesundheitskompetenz zerstört und eine demokratische Diskussionskultur unterminiert.”

    Zugegeben keine besonders tiefschürfende Analyse, mehr ist mir dazu eben nicht eingefallen. Wer Klügeres beizutragen hat, darf seine Gedanken gerne “teilen”, wie es in Social Media-Deutsch so schön heißt.

  19. #22 foobar407
    15. September 2020

    Auf der anderen Seite besteht allerdings auch die Gefahr, dass soziale Medien und Blogdebatten für antidemokratische Ziele genutzt werden, etwa wenn Verschwörungstheorien über gesundheitspolitische Absichten verbreitet oder befördert werden

    Gibt es denn irgendwelche seriösen Untersuchungen wie groß die Gefahr denn überhaupt ist?
    Man liest so viel über diese angeblichen Gefahren von Verschwörungstheorien und Fake News. Gefordert wird dann häufig ein Filter der Social Media Plattformen. Aber wenn man sich das mal im Detail anschaut, welche Auswirkungen vermeintliche Misinformation (oder auch Hate Speech) haben kann, ist das meiste entweder substanzlos, die Wirkung irrelevant, oder teilweise selbst sogar eine Falschinformation (z.B. Social Bots).

    Klar, im Internet kann man alles mögliche finden. Aber ist es nicht eine viel größere Gefahr für die Demokratie wenn man versucht, solche Inhalte zu blocken?

    • #23 Joseph Kuhn
      15. September 2020

      @ foobar407:

      Für die Aussage, dass soziale Medien für die Verbreitung von antidemokratischen Inhalten und Verschwörungstheorien genutzt werden, braucht man keine Studien. Da reicht der Blick ins Netz. Schwieriger ist sicher zu beurteilen, welche Folgen das hat. Dazu müssten Sie in die medienwissenschaftliche Literatur schauen.