Vor ein paar Tagen ist der neue Pflege-Report 2020 des Wissenschaftlichen Instituts der Ortskrankenkassen (WIdO) erschienen. Im Mittelpunkt stehen diesmal Finanzierungs- und Steuerungsfragen, also überwiegend Themen für Pflegesystemspezialisten. Es gibt aber auch Beiträge, die an die öffentliche Diskussion zur Situation anschließen. So bestätigt der Pflege-Report 2020 beispielsweise einmal mehr, dass viele pflegende Angehörige hochbelastet sind. In einer Befragung der Hauptpflegepersonen in der häuslichen Pflege gab ein Viertel der Befragten an, dass die Pflegesituation für sie „nur noch unter Schwierigkeiten“ oder „eigentlich gar nicht mehr“ zu bewältigen ist. Bei der Pflege von Demenzkranken war es sogar ein Drittel.
Im Schnitt waren die Hauptpflegepersonen 43 Stunden in der Woche mit verschiedenen pflegerischen und pflegenahen Tätigkeiten beansprucht, bei der Pflege von Demenzkranken waren es sogar 56 Stunden – bei großer Streuung unter den Befragten. Mehr Unterstützung wünschten sich die Pflegenden vor allem bei Tätigkeiten wie der Körperpflege, der Alltagsbeschäftigung oder der Unterstützung im Haushalt, bei der Hilfe in der Nacht oder bei der Medikation wurde dagegen weniger Bedarf geäußert.
Es wäre interessant, solche Daten auch einmal im internationalen Vergleich verschiedener Pflegesysteme zu sehen. Der Pflege-Report 2020 enthält zwar ein Kapitel zur Pflege in Schweden, den Niederlanden und Spanien, dort wird aber nur die Systemebene betrachtet, also die Finanzierung und Steuerung von Pflegeleistungen. Darüber wird bekanntlich in Deutschland auch intensiv diskutiert, mit Optionen wie z.B. dem von der SPD favorisierten Übergang zu einem Vollversicherungssystem, der Einführung von Steuerzuschüssen oder ergänzenden privaten Versicherungen.
Wie in jeder Ausgabe gibt es auch im Pflege-Report 2020 einen ausführlichen Statistikteil mit Analysen etwa zur medizinischen Versorgung der Pflegebedürftigen oder zu regionalen Unterschieden. Nachzulesen ist dort auch, dass nach wie vor bei Pflegebedürftigten häufiger als bei anderen älteren Menschen ungeeignete Medikamente der PRISCUS-Liste verordnet werden, vor allem Psychopharmaka. Möglicherweise hat das durch die Coronakrise sogar zugenommen, z.B. weil sich Heime bei Isolierung im Infektionsfall nicht mehr anders zu helfen wussten. In der Ausgabe 2021 wird man es vielleicht nachlesen können.
Der ganze Report ist als Printversion beim Springer-Verlag käuflich zu erwerben – oder kostenfrei beim WIdO downzuloaden. Das ist für solche Werke, die man in der Regel ja nicht am Stück durchliest, sondern im Bedarfsfall zu bestimmten Fragen durchsucht, ein sehr hilfreiches Angebot. Angesichts der vielfach bekundeten Bemühungen der Politik um mehr Gesundheitskompetenz der Bevölkerung sollten gesundheitswissenschaftliche Materialien ohnehin mehr als bisher als öffentliches Gut bereitgestellt werden, Fußball kann man schließlich auch umsonst ansehen.
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Jacobs K, Kuhlmey A, Greß S, Klauber J, Schwinger A (Hrsg.): Pflege-Report 2020. Neuausrichtung von Versorgung und Finanzierung. Berlin 2020.
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