Mit dem Wahlkampfmotto „Keine Experimente“ hat Konrad Adenauer 1957 die Bundestagswahl gewonnen. Das Motto haben Adenauers Werbeleute, wie man bei Wikipedia nachlesen kann, von der Zentrumspartei aus dem Wahlkampf 1932 übernommen.
Ständig neue Hitzerekorde, Flutkatastrophen, riesige Waldbrände: Fast meint man, die biblischen „Sieben Plagen der Endzeit“ zu beobachten. Dass die Sonne mit großer Hitze die Menschen versengt, ist übrigens eine der sieben Plagen. Durch den ungehemmten CO2-Ausstoß in die Atmosphäre führen wir gerade ein Großexperiment mit der Natur durch und testen unsere eigene Überlebensfähigkeit.
Die Politik ist nicht mit einem neuen Problem konfrontiert. Nebenan bei den Skeptikern weist Amardeo Sarma darauf hin, dass schon 1965 die amerikanische Wissenschaftsgesellschaft den US-Präsidenten Johnson auf die Folgen des CO2-Anstiegs hingewiesen hat, dass 1979 der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt vor der globalen Erwärmung warnte und im gleichen Jahr der Charney-Report konkrete und weitgehend zutreffende Vorhersagen dazu machte.
In der aktuellen Ausgabe 8/2021 der Blätter für deutsche und internationale Politik ist der Klimawandel – wieder einmal – einer der Schwerpunkte. Susanne Götze kommentiert eingangs, wie die Union diese „Jahrhundertaufgabe“ (Merkel) angeht: ignorant, ausweichend, hilflos. Redaktionsschluss für das Heft war vor der Flutkatastrophe Mitte Juli. Armin Laschet kommt daher erfreulicherweise nicht mit seinem unpassenden Lachen bei der Steinmeier-Rede vor, sondern damit, wie er das Thema Klimawandel grundsätzlich sieht und wie er es ins Wahlprogramm der Union eingebracht hat. Susanne Götze zitiert ihn mit einem Satz bei Anne Will aus dem Jahr 2019:
„Aus irgendeinem Grund ist das Klimathema – ich glaube auch sehr mit Greta verbunden – zu einem weltweiten Thema geworden.“
„Aus irgendeinem Grund“. Sie nimmt diesen Satz aus Zeichen dafür, wie sehr die Union hier aus der Zeit gefallen ist, ein halbes Jahrhundert nach den von Amardeo Sarma genannten Weckrufen. Anschließend listet sie auf, was sich im Wahlprogramm der Union an konkreten Lösungsvorschlägen findet, vom Ausbau der Windenergie bis hin zum Tempolimit – so gut wie nichts. Götzes Kommentar ist bei den Blättern freigeschaltet, man kann es dort nachlesen. Die Union will irgendwie so weiter machen wir bisher und sich gleichzeitig einen grünen Anstrich geben. „Stabilität und Erneuerung“ ist ihr Programm überschrieben. Mit Blick auf die Klimapolitik hätte man auch Konrad Adenauers Motto nehmen können.
Vor ein paar Tagen, am 26. Juli, sagte Dorothee Bär, eine für andere Neulandthemen zuständige CSU-Politikerin, in einem Interview im Berliner Tagesspiegel:
„Die Sorge für nachfolgende Generationen ist heutzutage eine Selbstverständlichkeit und die Bewahrung unserer Schöpfung ein konservatives, urchristliches Thema. Bis auf die AfD haben sich heute alle Parteien auf den Klimaschutz verpflichtet. Deshalb braucht man die Grünen überhaupt nicht mehr.“
Das war fast zwei Wochen nach der Flutkatastrophe. Früher konnte man von Politiker/innen die Floskel hören, „wir haben verstanden“. Manchmal scheint ein ausgeprägter Realitätsverlust selbst solche Lippenbekenntnisse unmöglich zu machen. Die SPD ist bei dem Thema leider auch nicht viel weiter, auch wenn Karl Lauterbach angeblich alle Artikel zum Klimawandel liest, und die FDP hat Christian Lindner, das muss genügen. Man darf gespannt sein, wie das große Experiment weitergeht. Laschets Lachen ist nicht das Problem.
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Zum Kommentieren: Florian Freistetter hat nebenan eine ganze Serie zu „Klimamythen“ geschrieben. Diskussionen zum Klimawandel selbst sind dort besser aufgehoben als hier.
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