In den letzten Tagen ging es ziemlich stürmisch zu um Hubert Aiwanger, den Chef der Freien Wähler. Mit Markus Söder hat er sich einen handfesten Schlagabtausch geliefert, der alles andere als schmerzfrei war. Das hat ihn auf die große politische Bühne gebracht und von den Medien wird der kauzige Niederbayer daher auch genauer unter die Lupe genommen. Man erinnert sich wieder an seine hemdsärmligen Beschaffungen von Matrazen und Wischmops zu Beginn der Epidemie, man interpretiert sein bockiges Changieren zwischen persönlichem „Ich lasse mich jetzt nicht impfen“ und der liberalen Ansage „Impfen ist wichtig, aber der Bürger muss frei entscheiden können“ als hilfloses Suchen nach einem Ausweg aus der Defensive beim Impfstreit, seine Rhetorik hat nicht nur Söder in die Nähe der Querdenker gerückt und manche seiner Reden gehen inzwischen als kabarettistische Kleinkunst analog zu Stoibers Flughafenrede herum. Auf der großen politischen Bühne weht ein rauher Wind, das mussten vor kurzem auch Baerbock und Laschet erfahren. Scholz steht es vielleicht noch bevor.
Aiwanger setzt das sichtlich zu. Gestern in der Sendung „Maischberger“ wirkte er regelrecht verunsichert, bis in die Mimik hinein. Dadurch scheint er die Wirkung seiner Aussagen nicht mehr gut einschätzen zu können. Auf Maischbergers etwas kindisches Drängen, er möge doch endlich sagen, warum er sich nicht impfen lässt, hat er sich bockig verweigert: Man würde ja seine Begründungen nur zerlegen. So kann man als Politiker eigentlich nicht antworten.
Jetzt lässt er sich bei einer Almbegehung im Chiemgau mit Blick auf einen eventuellen Einzug der Freien Wähler in den Bundestag im September so zitieren:
„Ich würde mein Ministeramt in Bayern aufgeben und nach Berlin gehen. Ich will für die Freien Wähler in den Bundestag einziehen, um dort für unsere Heimat etwas zu bewegen. In Berlin hätte ich vielleicht mehr Einfluss als ich jetzt habe. (…) Man muss nicht Minister sein, um seine Heimat zu achten und genießen zu können. Auch als Bundestags-Abgeordneter wäre ich nicht weg vom Schuss, dann würde ich eben statt nach München nach Berlin fahren. (…). Kurzum: So viel würde sich für mich nicht ändern.“
Ob ihm selbst klar ist, was er da sagt? Will er nicht mehr? Sein Statement hört sich jedenfalls nicht gerade an wie eine Liebeserklärung ans Amt des bayerischen Wirtschaftsministers. Wenn es bei der Bundestagswahl nichts wird als Abgeordneter in Berlin, kann er ja kaum sagen, ich wäre zwar lieber nach Berlin, aber jetzt bleibe ich halt notgedrungen hier. Hat ihn der Wirbel der letzten Tage zermürbt und geht er nach der Bundestagswahl so oder so?
Die FDP in Bayern ist schon einen Schritt weiter. Ihr Chef Martin Hagen möchte die Freien Wähler in der Koalition mit der CSU ablösen und phantasiert davon, dass dazu reihenweise Abgeordnete der Freien Wähler zur FDP wechseln sollten. Aber wie heißt es so schön: Das Fell des Bären soll man erst verteilen, wenn er erlegt ist. Dieser Bär ist jedoch, wenn ich das richtig sehe, ziemlich munter. Die Freien Wähler als Partei sind auf der kommunalen Ebene gut verankert und die Partei wird kaum zerfallen. Vielleicht sollte die FDP es lieber damit versuchen, die Wähler durch einen modernen, zeitgemäßen Liberalismus zu überzeugen, der Freiheit glaubwürdig mit sozialer Verantwortung verbindet? Hubert Aiwanger könnte ihr dabei sicher mit Rat zu Seite stehen, er probiert schließlich beim Impfen gerade, zwischen diesen beiden Polen nicht die Balance zu verlieren.
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