Die Welt ist voller politisch verursachter Tragödien. Manches, z.B. das Sterben im Jemen oder in Syrien, ist schon wieder aus den Medien verschwunden. Aber es ist dort nichts besser geworden. Jetzt schaut die Welt auf Afghanistan und man vergleicht die Situation mit der Flucht der Amerikaner aus Vietnam. Dass nach Vietnam, nach dem Irak, nach Syrien wieder ein Kriegseinsatz der USA im Desaster endet, mag man als „vergleichbar“ ansehen. Ob man damit eine politisch gestaltbare Zukunftsperspektive erkennbar macht, glaube ich allerdings nicht.
Eher scheint mir, dass der Westen selbst mehr Perspektive bei seinen eigenen gesellschaftlichen Herausforderungen nötig hätte. In Deutschland wird in sechs Wochen gewählt. Wie wahrscheinlich ist es, dass eine neue Bundesregierung für bezahlbaren Wohnraum sorgt, für eine menschenwürdige Pflege, für ein Zurückdrängen prekärer Arbeit?
Was hat das mit Afghanistan zu tun? Vielleicht, dass Gesellschaften, die ihre eigenen Probleme nicht lösen können, sich auch schwer tun, wenn es um internationale Probleme geht. Das gilt für die Armut in der Welt („Hunger ist Mord“, sagte zu Recht der resignierte CSU-Entwicklungshilfeminister Müller) ebenso wie für den Klimawandel („Entschuldigen Sie, junge Frau. Nur weil jetzt ein solcher Tag ist, ändert man nicht die Politik“ – was für unsäglicher Satz des Kanzlerkandidaten Laschet nach der Flutkatastrophe im Juli).
Jetzt hat man bei uns vor allem Angst, dass sich „2015“ wiederholen könnte. „2015 darf sich nicht wiederholen“, sagt eben jener Kanzlerkandidat, der die Politik nicht ändern will. Die Regierung lässt eine Bundeswehrmaschine, die zur Evakuierung von Menschen nach Kabul geschickt wurde, mit 7 (!) Personen an Bord zurückfliegen. Außenminister Maas droht, „keinen Cent“ gebe es für die Taliban, wenn sie sich nicht benähmen. Aber die haben die Cents von Maas auch bisher nicht gebraucht. Bestimmt ist es eine komplizierte und sich schnell verändernde Situation, wie bei einer Flutkatastrophe, aber bei solchen Meldungen wird man sprachlos. Hätte die NATO in den letzten Wochen nicht wenigstens eine Schutzzone am Rande Afghanistans einrichten können? Das gab es im Irak und in Syrien.
Damit die vielbemühten „Werte des Westens“ jenseits der Sonntagsreden und der Drohung mit den Cents wieder attraktiv werden, ist einiges zu tun. Jeder Tag, Herr Laschet, bietet derzeit Anlass, die Politik zu ändern.
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