Eigentlich ist alles ganz einfach. Die Gesundheitspolitik müsste sich nur an fünf Leitgedanken halten:

1. Daseinsfürsorge statt Kommerzialisierung

2. Gesundheitsforschung fokussieren und Forschungskultur reformieren für ein ständig besser und evidenzbasierter werdendes Gesundheitssystem

3. Prävention evidenzbasiert weiterentwickeln und konsequent ausbauen

4. Kritische Gesundheitskompetenz und informierte Entscheidungen stärken

5. Aus-/Fort-/Weiterbildung auf zentrale Werte ausrichten

Die vollständige Stellungnahme des EBM-Netzwerks ist online abrufbar. Bald wird man den Koalitionsvertrag der Ampel zu Gesicht bekommen. Man wird sehen, wie viel Geist dieser fünf Forderungen sich dort widerspiegelt.

Kommentare (5)

  1. #1 Ludger
    19. November 2021

    zu 1.) Das klingt nach viel bürokratischer Steuerung . . .
    folgende Zitate aus dem verlinkten Paper)

    Weg von einem erlösgesteuerten System, in dem das Patientenwohl durch unnötige Leistungen gefährdet wird, hin zu einem evidenzbasierten, patientenzentrierten Gesundheitswesen.

    . . . oder nach einem staatlichen Gesundheitssystem.
    zu 2.) Da braucht es noch viel Überzeugung für die Bevölkerung. Viele Leute wollen die beste Behandlung aber kein Versuchskaninchen sein. Wenn ich dann noch an die nötigen Einverständniserklärungen denke: ja, die Forderung ist ambitioniert.
    zu 3.) Präventionsforschung ist mehr, als den Tabakkonsum auf Null zu fahren. Ich erinnere an das Problem, beim Mamma-Ca-Screening einen Überlebensvorteil der gesceenten Frauen zu beweisen, einfach weil die statistische Power bei den Teilnahmezahlen immer etwas knapp war. Die neuesten Zahlen kenne ich allerdings nicht.
    zu 4.)

    Die Basis für Gesundheitskompetenz muss bereits viel früher gelegt werden – durch entsprechende
    Lehrinhalte an allen allgemeinbildenden Schulen.

    Das ist ein großes Ziel. Ich schlage vor, mal mit der Coronaproblematik zu beginnen.
    zu 5.)
    Eine Forderung, die mit der Forderung des Hippokrates wiedergegeben werden kann: “primum nil nocere”. Dem ist alles andere unterzuordnen.
    Mir ist das Paper zu unkonkret und bleibt hinsichtlich der Konsequenzen im Ungefähren.

  2. #2 BBr
    Niedersachsen
    20. November 2021

    Wenn man „primum nil nocere“ alles andere unterordnet, kann man den größten Teil der Medizin gleich einstellen. Darum geht es bei der evidenzbasierten Medizin gerade nicht. Es geht um den statistischen Nachweis, dass eine konkrete Therapie im Mittel mehr nutzt als schadet. Und natürlich, dass sie überhaupt nutzt. Dass im Einzelfall ein Schaden entsteht, muss man in Kauf nehmen. Chemotherapie z.B. verursacht in einigen Fällen eine sekundäre Leukämie. Das nimmt man in Kauf, wenn die Überlebensrate mit Chemotherapie trotzdem höher ist.

  3. #3 Ludger
    20. November 2021

    @BBR
    Das Paper beschreibt eine wünschenswerte Utopie (wie auch die Forderung des Hippokrates „primum nil nocere“ eine ist. Leider fehlen Vorschläge, wie man sich dieser Utopie annähern will.
    Zum Beispiel: Wie sollen Krankenhäuser finanziert werden, weiter über DRG? Wie sollen Kassenärzte gerecht entlohnt werden, weiter mit dem EBM? Gerecht und schön wollen wir alle. Das Problem ist der Weg dahin und der kommt im Paper nicht vor.

    • #4 Joseph Kuhn
      20. November 2021

      @ Ludger:

      “Das Problem ist der Weg dahin und der kommt im Paper nicht vor.”

      Das wäre auch eine Überforderung des Papiers. Eine gute Reform der Krankenhausfinanzierung ist etwas, was unter Berücksichtigung sehr vieler Aspekte durchgerechnet und politisch verhandelt werden muss. Auch das Grundgesetz regelt bekanntlich nicht alle Details unseres Zusammenlebens.

      Eher wäre die Frage nach dem konkreten Weg mit Blick auf den Koalitionsvertrag angebracht. Im Papier der AG Gesundheit und Pflege der Ampel-Verhandler steht dazu aber auch nur recht wenig drin.

  4. #5 BPR
    20. November 2021

    @ Koalitionsvereinbarung: Das Deutsche Ärzteblatt bachte am 19.11.2021 Auszüge daraus.

    Im Übrigen hat das BMG bis zum Ende der Legislaturperiode zwar die Approbationsordnung für Ärzte nicht gründlich überarbeitet (Erinnerung: 2017 wurde der Masterplan 2020 verabschiedet). Doch in der ab Oktober 2021 geltenden Fassung der ÄApprO wurde unter den Zielen der Medizinerausbildung (§ 1) und dann später im Prüfungsstoffkatalog (§ 30) ergänzt, worüber jeder Studierende verfügen soll:
    – Grundkenntnisse des Gesundheitssystems,
    – Grundkenntnisse über die Tätigkeitsfelder des öffentlichen Gesundheitswesens und die bevölkerungsmedizinischen Aspekte von Krankheit und Gesundheit.“
    Das wurde wohl Zeit.