Wer bin ich, was macht eigentlich mich selbst aus, woran erkennen mich meine Freunde, hätte ich auch jemand anders werden können, könnte ich jemand anders werden, was würde das für das Vertrauen meiner Freunde in mich bedeuten, kenne ich mein Gegenüber so gut, dass ich ihm vertrauen kann, was rechtfertigt eigentlich mein Vertrauen in mich selbst, wie frei bin ich überhaupt, ein Anderer zu werden, muss ich ein Anderer werden, um frei zu sein, und werde ich dann unberechenbar?
Das sind Fragen, die bekanntlich nicht nur in der Philosophie hin und her bewegt werden. Das Verhältnis von Identität und Freiheit hat beispielsweise Pascal Mercier in Romanform in „Nachtzug nach Lissabon“ durchdekliniert. Pascal Mercier ist das Pseudonym des Philosophen Peter Bieri, der sich intensiv mit der Möglichkeit der Freiheit in einer Welt, die materiell grundiert ist, also kausalen Gesetzmäßigkeiten folgt, beschäftigt hat.
Ich habe in den letzten Wochen ein paar Folgen der Serie „Dark Matter“ gesehen. Auf der erzählerischen Ebene geht es dabei darum, dass fünf Menschen auf einem Raumschiff erwachen und ihr Gedächtnis verloren haben. Sie wissen nicht, wer sie sind und wer die Anderen sind. Sie stellen sich selbst infrage, ebenso die Anderen, und müssen sich doch gegenseitig vertrauen, um den Gefahren, die ihnen begegnen, zu widerstehen. Zur Seite steht ihnen ein Android, der das Raumschiff steuert und der nach der ersten, gewalttätigen Begegnung neu gebootet wurde, sozusagen ähnlich wie die fünf Menschen sein Gedächtnis verlor. Hinter dem Weltraum-Abenteuer geht es ständig um die oben genannten Fragen, um das Entdecken dessen, was einen Menschen ausmacht und wie Identität mit Vertrauen und mit Freiheit zusammenhängt. Auch der Android nimmt an diesem Spiel teil. Seine Programmierung scheint ihn nicht immer deterministisch zu steuern, er ist sozusagen nicht ganz fest verdrahtet – ein Defekt seiner Programmierung, oder Offenheit hin zur menschlichen Freiheit? Aber wie sollte das gehen, bei einem Roboter? Oder ist der Unterschied zu uns, der Spezies homo sapiens in der Reihe der Primaten, gar nicht so kategorischer Natur?
Die Serie hat drei Staffeln und endet unabgeschlossen, mit einem Cliffhanger. Ob das auch für ihre philosophische Metaebene gilt? Ich bin gespannt. Heute Abend schaue ich Staffel 2 weiter.
Wer meint, jetzt diskutiert er endlich mal wieder ein Thema, das nichts mit Corona zu tun hat: So einfach ist das nicht. Kennen wir nicht inzwischen alle Leute, von denen wir nicht erwartet hätten, dass sie sich in Bezug auf Corona so verhalten, wie sie es tun? Leute, die wir sozusagen „nicht wiedererkennen“, obwohl sie doch dieselben geblieben sind? Oder doch nicht? Und von denen wir nicht wissen, ob es ihre Freiheit war, so zu werden, und ob sie frei sind, auch wieder „normal“ zu werden? Jedenfalls werde ich, wenn Corona vorbei ist, wieder mehr über andere Themen schreiben. So frei bin ich.
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Zum Weiterlesen:
• Blogbeitrag Verhaltenssteuerung, Vertrauen und Autonomie
• Blogbeitrag Was ist Bewusstsein?
• Blogbeitrag Roboter-Ökonomie: technizistische Kapitalismuskritik?
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