Hayek und verwandte Geister haben dem Glauben, makroökonomisch regle auch sonst der Markt alles am besten, neuen Schwung verliehen. Mit Reagan und Thatcher haben sich ihre Ansichten, als Neoliberalismus, global durchgesetzt. Und mikroökonomisch? Mehr oder weniger „handelt“ oder funktioniert hier eben der homo oeconomicus, und was dabei herauskommt, fügt der Markt zum Guten.
Nur, was ist das? Der Schweizer Ökonom Peter Ulrich sagt zu Recht: „Wirtschaften ist ja nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck des guten Lebens“ (Ulrich 2005). Für so was gibt es übrigens keinen Nobelpreis. Roboter mögen den homo oeconomicus gut verkörpern, aber was wäre ein gutes Leben aus der Sicht eines Roboters? Stets gut geölt zu sein? Was wären die mikro- und makroökonomisch treibenden Kräfte in einer Roboter-Ökonomie? Gewinnmaximierung als betriebswirtschaftliches Kalkül einer kapitalistischen Volkswirtschaft? Warum sollten Roboter Gewinne erzielen und ihr Kapital vermehren wollen? Das ist doch ein recht menschliches Interesse. Gewinn vielleicht im Sinne der Neoklassik als Indikator auf dem Weg zum effizienten Ressourceneinsatz? Aber Ressourceneinsatz für welche Ziele? Für länger haltbare Bauteile? Für schönere Roboterhäuser, weil auch Roboter nicht im Regen stehen wollen? Für ein Gleichgewicht zwischen Reproduktion und Erhaltung der Umwelt, weil auch Roboterwelten nicht im luftleeren Raum existieren? Hätten die Zylonen überhaupt individuelle Präferenzen? Wie würden sich so etwas bei ihnen ontogenetisch herausbilden? Und was mir nach wie vor nicht klar ist: Würden hier bei der volkswirtschaftlichen Aggregation individueller Präferenzen doch auch wieder Rangordnungsprobleme entstehen, wie sie Kenneth Arrow beschrieben hat? Oder wären ihre individuellen Präferenzen Teil einer prästabilisierten Harmonie? Vielleicht erfahren wir es mit den Fortschritten der künstlichen Intelligenz, aber vorerst werden wir noch unsere eigene bemühen müssen. Arrow, um das noch anzumerken, hatte den Wirtschafts-Nobelpreis erhalten.
Adolf Wagner hatte anlässlich des Jugoslawienkonflikts die unsichtbare Hand des Marktes, das „Gespenst des Kapitals“ (Joseph Vogl), in tradierter Weise als heilende Hand vorgestellt. Dieses Bild hat allerdings seit Jahren wieder an Leuchtkraft verloren, der Neoliberalismus hat seine hohe Zeit hinter sich. Der Ukrainekrieg gibt keinen Anlass mehr, dem Markt zu huldigen. Vielmehr werden lautstark Zweifel angemeldet, ob Handel zu Wandel führt und die unsichtbare Hand die Dinge auch zwischen Staaten zum Guten wendet. Wobei natürlich kaufen und verkaufen besser sind als schießen und erschießen. Aber vielleicht wird der Mensch doch nicht von der Ökonomie erlöst, zumindest nicht von einer Ökonomie, die nicht dem guten Leben dient, die nicht für bezahlbares Wohnen sorgt, nicht für eine menschenwürdige Pflege, die auf Ausbeutung hierzulande in den Fleischfabriken oder in den Sweatshops in der Dritten Welt beruht oder auf der Zerstörung der Umwelt. Daher werden wir wohl selbst mehr Rücksicht auf unsere menschlichen Bedürfnisse nehmen müssen, sowohl in der Politik als auch in der Ökonomie, für eine Ökonomie mit weniger „Entfremdung“ sorgen müssen, um einen alten Begriff zu bemühen. Wir sind keine Zylonen.
———————————-
Zu Weiterlesen:
• Arrow K (1951/2012) Social Choice and Individual Values. Yale.
• Frank J (1976) Kritische Ökonomie. Frankfurt.
• Hayek FA (1944/1976) Der Weg zur Knechtschaft. München.
• Holzkamp K (1985) Grundlegung der Psychologie. Frankfurt/New York.
• Sen A (2020): Rationale Dummköpfe. Ditzingen.
• Tomasello M (2009) Die Ursprünge der menschlichen Kommunikation. Frankfurt.
• Ulrich P (2005) Zivilisierte Marktwirtschaft, Freiburg.
• Vogl J (2010) Das Gespenst des Kapitals. Zürich.
• Wagner A (1992) Volkswirtschaft für jedermann. München.
Nachtrag 22.5.2022:
Eine Literaturempfehlung, die natürlich gar nicht fehlen darf: Wie konnte ich nur Jonathan Aldreds Buch vergessen, der nicht nur alle hier angesprochenen Aspekte kommentiert, sondern sogar mit dem Roboterbild arbeitet?
• Aldred J (2020) Der korrumpierte Mensch. Stuttgart.
Kommentare (29)