Oft finden sich in der Süddeutschen Zeitung wichtige investigativ-journalistische Beiträge, manchmal trieft ihr aber auch der Laissez-faire-Mief von 78 Jahren aus den Zeilen. Heute was das mal wieder der Fall. In einem Meinungsartikel polemisiert Nikolaus Piper, der neoliberale Glaubenswächter des Blatts, gegen die Idee, Kriegsgewinnlern wie der Ölindustrie sog. „Übergewinnsteuern“ für ihre Extraprofite aufzuerlegen. Begründung:

„Man sollte sich gelegentlich daran erinnern, dass Deutschland vom Krieg in der Ukraine betroffen, aber nicht Kriegsteilnehmer ist. In Friedenszeiten eine Branche einfach mal mit einer Sondersteuer zu belegen, ist willkürlich und zerstört Vertrauen.“

Schon der belehrende Studienratsstil, man sollte sich „gelegentlich erinnern“, als ob der Ukrainekrieg nicht jeden Tag in jedes Wohnzimmer kommen würde, also sicher keine Frage nachlassender Erinnerung ist, oder das „einfach mal“, als ob es um Gewinne aufgrund normaler Marktschwankungen ginge, zeigt, dass man hier für dumm verkauft werden soll. Eine Übergewinnsteuer wäre „willkürlich“, erfahren wir noch, also moralisch verwerflich, im Gegensatz zu den Kriegsgewinnen, und zerstöre Vertrauen. Mein Vertrauen wird eher durch solche zynischen Kommentare zerstört.

Direkt daneben erklärt Hubert Wetzel, dass es zwar schön wäre, wenn es anlässlich immer neuer Amokläufe und Morden in den USA mit 40.000 Toten jährlich zu schärferen Waffengesetzen kommen würde, aber:

„In der Theorie wäre es die beste Lösung für Amerikas Waffenproblem, jene Waffen, mit denen tausendfach gemordet wird, zu verbieten und zu beseitigen. In der Praxis ist das allerdings unmöglich. (…) Es gibt keine Lösung. Man kann nur versuchen, mit der Tatsache umzugehen, dass die USA ein gewalttätiges und bis an die Zähne bewaffnetes Land sind.“

Daher solle sich das Land doch mal „die Vorschläge der Waffenlobby anschauen“, vielleicht sei es ja „tatsächlich notwendig, an jeden Schuleingang eine bewaffnete Wache zu stellen oder einzelne Lehrer dafür auszubilden und auszurüsten, sich einem Attentäter in den Weg zu stellen.“

Vermutlich gibt es auch in Deutschland Freunde solcher „Bildungsreformen“. Als Rechtfertigung für seine Sicht der Dinge – Bildungsbürger lieben so etwas – zitiert Wetzel eine angeblich „weise Erkenntnis“ des früheren israelischen Präsidenten Peres, „wonach ein Problem, zu dem es keine Lösung gibt, vielleicht gar kein Problem ist, sondern einfach eine Tatsache.“

So ist das. Gewiss. Da kann man einfach nichts machen. Heute schon gar nicht, und morgen auch nicht, sonst hätte sich ja längst etwas geändert. Mit dem Klima ist es dasselbe, genau wie mit der sozialen Ungleichheit, der Wohnungsnot oder der Pflegemisere, alles keine Probleme, weil es doch sichtlich keine Lösung gibt. Vielleicht sollte man auch die Ukraine ihrem Schicksal überlassen. Putin hätte bestimmt kein Problem, dort vor jeden Schuleingang jemanden mit einer Waffe zu stellen. Und über die Kriegsgewinne der Ölindustrie müsste man sich am Ende auch nicht mehr so viel Gedanken machen.

Alternativ könnten sich Piper und Wetzel natürlich auch mit ihrem Kollegen Ronen Steinke beraten. Sein Kommentar zum Thema Kindesmissbrauch, wiederum auf der gleichen Seite, steht unter der Überschrift „Endlich handeln“, gefolgt von konkreten Vorschlägen.

Kommentare (37)

  1. #1 RPGNo1
    7. Juni 2022

    Nikolaus Piper muss keine Sorgen haben. Finanzminister Lindner hat eine Übergewinnsteuer abgelehnt.

  2. #2 Tina
    7. Juni 2022

    Da kann man einfach nichts machen. Heute schon gar nicht, und morgen auch nicht, sonst hätte sich ja längst etwas geändert.

    Ich denke, dass das Festklammern am Bestehenden und die Weigerung, andere und neue Wege zu gehen, aufgrund von Phantasielosigkeit oder mangelnder Einsicht in die Zusammenhänge geschehen kann. Oder aber aufgrund einer tief sitzenden Angst vor Veränderung. Oder aber auch ganz einfach aufgrund der eigenen finanziellen Interessen und der eigenen Privilegien, die man nicht aufgeben will. Oder der eigenen Macht, die man nicht teilen will. Oder vielleicht auch einfach von allem ein bisschen.

    Wobei “man” nicht alle sind, sondern für jedes oben genannte Thema jeweils ganz konkrete Personen, Interessenvertreter oder Organisationen ausgemacht werden können.
    Aber das macht es natürlich auch nicht besser, solange sich Dinge, die sich ändern müssten, nicht ändern.

    • #3 Joseph Kuhn
      8. Juni 2022

      @ Tina:

      Ob Piper und Wetzel aus Angst vor Veränderung so argumentieren, wie sie argumentieren? Ihnen würde ja nichts passieren, wenn die Kriegsgewinne der Ölkonzerne schrumpfen oder die Waffengesetze in den USA verschärft würden. Und dass sie eigenes Geld und eigene Macht verteidigen, ist auch nicht anzunehmen.

      Bei Piper dürfte es eher seine grundsätzliche Einstellung sein, dass die Konzerne im Rahmen der geltenden Gesetze handeln und da für sich herausholen dürfen, was geht, ein Einverständnis mit der Amoral kapitalistischen Handelns. Auch Fleischfabriken dürfen ja osteuropäische Sklaven ausbeuten oder Wohnungskonzerne die Marktlage in Ballungsräumen für immer weiter steigende Mieten ausnutzen. Nieren werden dann eben in Afghanistan gekauft. Der neoliberale Ökonom Peter Oberender, Alice Weidels Doktorvater, fand so etwas ganz normal.

      Manche sagen, wenn die Ölkonzerne abgeschöpft werden, dann müssten auch die hohen Gewinne von BioNTech durch dessen Impfgeschäft abgeschöpft werden, und die Windradbetreiber würden jetzt auch Extragewinne machen. Das sind interessante Vergleiche, Piper spricht explizit von Willkür. Man könnte fortsetzen: Waren demnach auch die Provisionen von Herrn Sauter bei den Maskendeals nicht nur legal, sondern normales Marktgeschehen? Der kapitalistische Markt fragt nicht nach Moral und Anstand, die Gesellschaft schon. Und Herr Piper?

      Und bei Herrn Wetzel spricht vielleicht wirklich die Phantasielosigkeit, vielleicht kann er sich einfach nicht vorstellen, dass, was heute utopisch erscheint, in einigen Jahren möglich sein könnte, wenn man ernsthafte Schritte einleitet. Sein Kommentar hat etwas zutiefst Resignatives.

  3. #4 knorke
    8. Juni 2022

    Leute wie Piper argumentieren nicht konsequent. Im Grunde genommen müssten sie gegen jede Steuer sein,da der Staat ja so eingreift und wegnimmt. Nur trauen sie sich natürlich nicht das zuzugeben, da dann jeder merken würde wie blöde ihre Argumentationen sind.

    Allerdings wäre die bessere Lösung hier natürlich ersteinmal, solche “Übergewinne” gar nicht erst entstehen zu lassen, indem man den Kartellwächtern und Verbraucherschutzbehörden mehr Macht gibt. Ich fürchte aber dass Lindner auch dagegen wäre und mit ihnen noch eine ganze Menge anderer Muff aus den 70ern und 80ern der heute im regierungsfähigen Alter ist.

    Wetzel hat allerdings in gewisser Weise nicht ganz Unrecht. Realistisch betrachtet ist der Waffenbesitz in den USA nahezu unabschaffbar. Die Frage ist nicht nur die der politichen Haltung der Bürger dort, sondern die parlamentarische Durchsetzungsfähigkeit und letztlich auch die praktische Durchsetzung – wie will man die vermutlich 80 Mio. privaten Haushalte in den USA entwaffnen – es gibt 50 verschiedene Waffengesetze und Erwerbsbeschränkungen. Ich glaub es gibt nicht mal in allen Staaten (überhaupt in einem?) ein Register wo legale Waffenbesitzer erfasst sind – ganz zu schweigen von allen Waffen die diese legal erworben haben – ganz zu schweigen von den Waffen die bei Unternehmen in Verwahrung sind (private Sicherheit- und Wachschutzdienste). Ganz zu schweigen davon, dass der illegale Sektor mit Waffen überflutet ist und denen wird man weniger leicht beikommen. Ganz zu schweigen davon dass – so tragsich Amokläufe auch sein mögen – die höhere Zahl an Tötungen durch illegale Waffenbesitzer im kriminellen Millieu stattfinden dürften.
    Ob darauf die Antwort noch rigidere Sicherheitskrontollen sind? Allenfalls als Provisorium. Amokläufe mag man damit erschweren aber Schießereien unter kriminellen nicht. Bei der Bandenkriminalität scheint mir eher die soziale Ungerechtigkeit in den USA und der Mangel an sozialer Absicherung ursächlich. Ich kann gut verstehen, dass sich daran kein Präsident die Finger verbrennt und kaum ein Minister dafür in seinem Wahlkreis ungeschoren davonkäme. Und wenns schon nicht wegen der Waffen ist, dann wegen der praktisch noch unmöglicher durchsetzbaren Einführung eines Sozialsstems das diesen Namen verdient.

    Waffenrechtsänderungen kann ich mir eigentlich nur als jahrelang laufenden schleichenden Prozess vorstellen. Vielleicht wollen die Amis ja mal unsere ehemalige GroKo haben – 16 Jahre wären genug Zeit um einiges zu bewirken. Andererseits: Scheuer und Spahn wünscht man ja nicht mal seinem ärgsten Feind…

    • #5 Joseph Kuhn
      8. Juni 2022

      @ knorke:

      “Realistisch betrachtet ist der Waffenbesitz in den USA nahezu unabschaffbar.”

      Abschaffen ist vielleicht auch zu viel erwartet. Selbst in Bayern sollen ca. 1 Mio. Waffen im Besitz der Bevölkerung sein. Aber vielleicht zeigt das “realistisch betrachtet” trotzdem in die richtige Richtung, vielleicht sitzt man bei solchen “wicked problems” einem Wunschbild der einfachen Umsetzbarkeit evidenzbasierter Politik auf, siehe z.B. Newman/Head (2017) “Wicked tendencies in policy problems: rethinking the distinction between social and technical problems”.

      Viel “vielleicht”, ich weiß, die finalen Antworten folgen morgen, der Lösungsalgorithmus ist noch nicht durchgelaufen 😉

  4. #6 knorke
    8. Juni 2022

    @JK
    Ein Lösungalgorithmus der so komplexe Probleme löst? Nobelpreis incoming 😉

    • #7 Joseph Kuhn
      8. Juni 2022

      @ knorke:

      Ich benutze dafür eine Kaffeemaschine und versuche dann, aus dem Kaffeesatz zu lesen. Die Antwort könnte in Richtung 42 gehen. Dass eine Kaffeemaschine einen Nobelpreis erhält, kann ich mir allerdings nicht vorstellen.

  5. #8 knorke
    8. Juni 2022

    @JK (3) “Manche sagen, wenn die Ölkonzerne abgeschöpft werden, dann müssten auch die hohen Gewinne von BioNTech durch dessen Impfgeschäft abgeschöpft werden, und die Windradbetreiber würden jetzt auch Extragewinne machen.”
    Zumindest könnten sie mit gewissem Recht argumentieren, dass man Biontech dazu hätte verpflichten können, nicht nur nach den eigenen Profitinteressen behandelt zu werden sondern auch nach denen der Allgemeinheit und beipsielsweise kostenlose / subventionierte / überhaupt erst einmal (zeitlich begrenzte) Lizenzen für die Impfstoffproduktion für z.B. Afrika erteilen können.
    Es mag dann in gewisser Weise “Willkür” sein dass der Eine gratis geistiges Eigentum verteilen soll und der Andere Geld genommen bekommt (ich würde es statt Willkür eher als zielorientierten Maßnahmenkatalog staaatlicher Steuerung betrachten, aber das wäre für Piper vielleicht wieder unnötig überkomplex), aber am Ende steht das gesellschaftliche Interesse vor den Interessen eines Betriebs, einer Branche, einer Person. Auch wenn solche Sachen natürlich nie monokausal betrachtet werden können (ist klar!). Und auch wenn man sicher nicht verneinen kann, dass die Politik nicht immer stringent ist (der Vorwurf der Willkür also durchaus nicht völlig aus der Luft gegriffen ist), sondern leider auch wieder danach schaut, was die Lobby/ die Partei/ die Koalition durchsetzen will/kann ohne dabei Machtverluste zu riskieren.

    Demokratie kann einen manchmal echt ankotzen, aber alle anderen Regierungsformen kotzen einen dafür fast immer an.

  6. #9 uwe hauptschueler
    8. Juni 2022

    Und über die Kriegsgewinne der Ölindustrie müsste man sich am Ende auch nicht mehr so viel Gedanken machen.

    Welchen Ölkonzernen sollte denn die Kriegsgewinne besteuert werden? Die wenigsten haben ihren Sitz in Deutschland.
    Die Verstaatlichung von Kriegsgewinnen ausländischer Mineralölkonzerne würde genauso scheitern, wie die Enteignung von Wohnungskonzernen in Berlin.

    • #10 Joseph Kuhn
      8. Juni 2022

      @ uwe hauptschueler:

      Tja. Da kann man entweder sagen, wie es die SZ-Autoren nahelegen, dass man da wohl nichts machen kann, ist halt so. Oder man lässt sich etwas einfallen. In Italien geht man z.B. über den Umsatz. Das wird aber hier wohl nicht kommen. Das wäre ja ungerecht, oder, siehe Piper: “Willkür”. Ein Argument Christian Lindners: “Die Konzerne sollten hohe Investitionen in erneuerbare Energien tätigen. Da dürfe man ihnen jetzt nicht die Gewinne wegnehmen” (Quelle: https://www.capital.de/wirtschaft-politik/uebergewinnsteuer–warum-es-sie-in-deutschland-nicht-gibt-31900178.html).

      Wo bleiben bei solchen Themen eigentlich unsere regierungskritischen Querdenker?

  7. #11 Tina
    8. Juni 2022

    @Joseph

    Dass eine grundsätzliche Einstellung vorliegt, fehlt in meiner kleinen Auflistung möglicher Ursachen in der Tat. Wahrscheinlich weil das so selbstverständlich ist. Man kann sich natürlich immer fragen, wie es zu solch grundsätzlichen Einstellungen kommt und dann ist man wieder bei den genannten Gründen und Motiven.
    Vielleicht könnte man noch hinzufügen, dass es einigen auch generell eher schwer fällt, sich selbst und die eigenen Überzeugungen kritisch zu hinterfragen, was vor allem bei ausgewiesenen Ideologen und Propagandisten auffällt, insbesondere wenn sie Überzeugungstäter sind und nicht bloß Opportunisten, die ihren eigenen Vorteil suchen.
    Wie Herr Piper und Herr Wetzel genau ticken und was ihre Motive sind, kann ich nicht sagen, weil ich mich bisher nicht weiter mit ihnen beschäftigt habe.

    Woran es vielleicht allgemein mangelt, ist eine frische und positive Zukunftsvorstellung und auch mehr Pragmatismus bei der Umsetzung von Projekten. Oft hat man ja den Eindruck, dass immer nur etwas getan wird, um noch Schlimmeres zu verhindern und dass das, was getan wird, dann auch noch mit Unbill verbunden ist und mit irgendeiner Form von Verzicht einhergeht, was ja nicht so wirklich attraktiv klingt.

    Erschreckend viele Menschen glauben ja inzwischen, dass in Zukunft alles immer schlechter werden wird und viele, auch junge Menschen, würden laut einer neulich veröffentlichten Untersuchung lieber in der Vergangenheit leben(!). Das ist natürlich ein Problem, denn zurück in die Vergangenheit kann man sich ja nicht beamen (und ob es da besser wäre ist sowieso mehr als fraglich) und die Zukunft muss so oder so immer bewältigt werden, täglich. Man kann sie aber auch gestalten, zumindest ein bisschen. Wer resigniert, hat sicher nicht die bessere Lebensqualität.

  8. #12 Kerberos
    8. Juni 2022

    “” „wonach ein Problem, zu dem es keine Lösung gibt, vielleicht gar kein Problem ist, sondern einfach eine Tatsache.“ “”

    Siehe Chamisso,
    ” Der Szekler Landtag”
    https://gedichte.xbib.de/Chamisso_gedicht_Der+Szekler+Landtag..htm

  9. #13 Jolly
    8. Juni 2022

    Vielleicht klappt es so besser mit den 2 Punkten vor htm: Der Szekeler Landtag

  10. #14 RainerO
    8. Juni 2022

    @ Jolly

    Vielleicht klappt es so besser…

    Anscheinend nicht. Aber vielleicht so: Der Szekler* Landtag

    ———————————————
    * ohne zweites “e”, meine Frau ist Szeklerin 😉

  11. #15 Jolly
    8. Juni 2022

    @RainerO

    ohne zweites “e”

    Ich bin und bleibe halt ein Patzr.

    (aber der Link funzt zumindest bei mir)

  12. #16 rolak
    8. Juni 2022

    der Link funzt

    Hier ist bunte Mischung:
     -  von #12: nope/404
     -  von #13: äußerst geschmeidig, wohlformatiert
     -  von #14: stolpert bei ‘kein https‘, aber dann ok, wenn auch strukturloser Fließtext. Dafür im Anker die passende Anzahl ‘e’ – doch bedenke, RainerO: irgendwoher müsse die ganzen Vokale ja auch kommen, die später beim Glücksrad gekauft werden können.

  13. #17 lioninoil
    8. Juni 2022

    „Der kapitalistische Markt fragt nicht nach Moral und Anstand, die Gesellschaft schon.“
    An diesem Punkt muss man ansetzen. Ein Konzern hat auch einen Firmenwert und wenn der geschädigt wird, dann leidet der Aktienkurs mit einem ungewissen Ausgang.

    Wir haben zum Glück ein Finanzministerium und zusätzlich ein Wirtschaftsministerium . Und wenn Herr Lindner eher die Interessen der Wirtschaft vertritt, dann sollte Herr Habeck auch mal § 14 GG zitieren, oder ist dieser Artikel schon vergessen worden.

  14. #18 Trottelreiner
    9. Juni 2022

    Naja, ich frage mich ja eher, wo diese Wirtschafts-“Experten” gelernt haben.

    a) sollte langsam beim letzten BWL-Hinterbänkler angekommen sein, dass funktionierende Märkte nicht etwas sind, was natürlich entsteht, sondern dass durch externe Eingriffe ständig gehegt und gepflegt werden muss. Alleine schon, weil sonst Partner A die Ware liefert, Partner B aber nicht bezahlt.

    b) Gibt es auf dem Mineralölmarkt wahrscheinlich ein Oligopol. Die entsprechenden Firmen besteuern würde diese schwächen, Quereinsteigern Chancen geben, mithin, den Wettbewerb erhöhen.

    c) Die Tatsache, dass es eine klare, logische Begründung für das Erhöhen der Steuern bei Anzeichen von Marktmanipulation gibt ist eine merkwürdige Definition von Willkür.

    Aber was doll’s, Neoliberale, mein innerer Wladimir[1] merkt nur an, wenn dein Gegner Fehler macht sollst du ihn nicht daran hindern.

    [1] Nein, nicht Wladimir Wladimirowitsch, eher Wladimir Ilyi…

  15. #19 lioninoil
    9. Juni 2022

    Die Einflussmöglichkeiten der deutschen Politik gegenüber dem Marktgeschehen sind beschränkt.
    Frau Christine Lagarde bestimmt die Höhe des Leitzinses. Der wird sich nicht ändern, auch nicht bei steigender Inflation, denn die Staatsverschuldung hat schon wieder eine bedenkliche Höhe erreicht.
    Was bleibt sind die Steuern, wenn man die erhöht, dann besteht die Gefahr , dass die internationalen Konzerne ihren Sitz ins Ausland verlagern und dann die Besteuerung ganz entfällt. Diesen Vertrauensverlust darf man nicht unterschätzen. Daimler hatte schon mal damit gedroht den Firmensitz zu verlegen, weil es sich nicht mit den Finanzbehörden einigen konnte.

    Zu wünschen wäre ein konzertiertes Vorgehen aller Staaten mit dem Euro als Währung. Zur gemeinsamen Währung gehört auch eine abgestimmte Steuerpolitik. Ein klägliches Bild, was die EU da gerade bietet.

  16. #20 Trottelreiner
    9. Juni 2022

    Das Problem ist, dass “Verlegung der Firmenstandorte” tendenziell ähnlich ist wie Russlands Drohung mit der Atombombe. Die Türken haben sogar einen russischen Jet abgeschossen, Ankara steht immer noch…

    Wenn Steuern wirklich das Problem wären und Umzüge so einfach, hätten alle diese Firmen ihre Standorte gemäß Marktlogik schon längst auf irgendwelche Kanalinseln gelegt. Das Wichtigste ist der Zugang zu den Märkten, siehe Brexit; und da denke ich, das wir die Freerider, äh, Steuersparmodelle in der EU endlich genauso unter Druck setzen sollten wie Griechenland.

    Alleine schon, um diese Marktverzerrung zugunsten größer Konzerne zu beheben.

    Ansonsten:
    a) bei den vielen Politikern in den Chefetage von VW, Daimler etc. frage ich mich ja, ob das mit Korruption ähnlich ist wie mit Prostitution, e.g. “eigentlich nicht mein Typ, aber er/sie hat ein Auto und zahlt die Ausgaben, also mach ich manchmal Handarbeit…”
    b) “Freie” Marktwirtschaft hat Patriotismus als letzte Zuflucht der Halunken abgelöst, aber Patriotismus mach ein Comeback…

  17. #21 lioninoil
    9. Juni 2022

    Die Verlagerung eines Firmensitzes war nur bildhaft genannt um die Grenzen der Politik aufzuzeigen.
    Tatsächlich sind die Zusammenhänge beim Benzinpreis viel komplexer und selbst ein Lindner hat Schwierigkeiten diese Zusammenhänge der Öffentlichkeit zu erklären.

    Also praktisch gedacht hat Lindner Recht, wenn er Sondersteuern ablehnt.
    Er hat ja auf den Spotmarkt verwiesen, wo der Rohölpreis entsteht. Selbst ein Mineralölkonzern hat nur begrenzten Einfluss.
    Also, wie entsteht der Preis ? Durch Angebot und Nachfrage.
    Und jetzt kommt die erste unbekannte Käufer und der erste unbekannte Verkäufer.
    Das sind die Finanzgesellschaften die auf dem Weltmarkt Warentermingeschäfte tätigen.
    Die kaufen Erdöl zu einem fixen Preis für einen späteren Zeitpunkt, üblich 3 oder 6 Monate.
    Immer in der Hoffnung , dass der Weltmarktpreis für Erdöl in 3 Monaten höher ist als zum Zeitpunkt des Kaufes.
    Die Finanzgesellschaft hat keine einzige Raffinerie und auch kein Öldepot. Sie wird das gekaufte Öl nämlich in 3 Monaten zu einem höheren Preis verkaufen, als sie eingekauft hat.

    Und jetzt kommt der Denkfehler in der deutschen Politik. Wenn die Politik eine Reduzierung der Mineralölsteuer ankündigt, dann befeuert sie geradezu Gewinnaussichten der Finanzgesellschaften, die dann noch mehr Kaufoptionen tätigen.

    Und da auf dem Spotmarkt mit Dollar bezahlt wird, legen die Kapitalgesellschaften ihr Geld in Dollar an. Sie verkaufen die Euro und der Wert des Euro gegenüber dem Dollar sinkt.
    Leute, schaut euch mal die Devisenkurse an, allein der Wertverlust des Euro begründet schon die steigenden Benzinpreise.

    Also marktpsychologisch gesehen ist die Reduzierung der Mineralölsteuer eine Dummheit.
    Aber es geht ja um die Sondersteuer.
    Man will ja die Konzerne veranlassen, den Benzinpreis zu senken.
    Wird das funktionieren ?
    Werden die sich darauf einlassen, wenn gleichzeitig die EU ankündigt, dass in 15 Jahren Schluss ist mit den Tankstellen. Dies ist noch so eine politische Dummheit, jedenfalls war der Zeitpunkt der Ankündigung dumm gewählt.
    Nur mal zum Nachdenken, Volkswirtschaft ist nicht Planwirtschaft.

    • #22 Joseph Kuhn
      9. Juni 2022

      @ lioninoil:

      Sie sollten weniger schreiben und mehr nachdenken, bevor Sie schreiben.

      Mit Dingen, die nicht stimmen, kann man auch „bildhaft“ nichts erklären.

  18. #23 lioninoil
    9. Juni 2022

    Die Zusammenhänge bei der Preisgestaltung lernt ein Student der Betriebswirtschaftslehre schon im 1. Semester.
    Und es ist auch bekannt, dass es Preisabsprachen zwischen den Konzernen gibt.
    Und letztlich ist auch bekannt, dass unsere Regierung den Mineralölkonzernen den Verkaufspreis nicht vorschreiben kann.
    Dann muss man wissen, dass der Anteil der Steuer am Benzinpreis etwa 60 % beträgt, die restlichen 40 % gehen an die Ölkonzerne bzw. dem Zwischenhandel.

    Also was bleibt ist der Verdacht, dass bei Reduzierung der Steuer und gleichzeitigem Wiedersteigen des Benzinpreises die Mineralölkonzerne die Steuermäßigung nicht an den Verbraucher weitergeben.
    Das ist nur ein Verdacht, weil eben die Zusammenhänge etwas komplizierter sind.
    Die Steuerermäßigung kommt einer Bezuschussung gleich, weil sie die Spekulanten ermuntert in das Warentermingeschäft mit Rohöl einzusteigen.
    Für die Monetaristen unter den Wirtschaftswissenschaftlern ist das ein grober Fehler. Und Sie werden es erleben, der Benzinpreis wird mindestens für die nächsten 3 Monate auf dem hohen Niveau bleiben.

  19. #24 DH
    9. Juni 2022

    Ist Piper wirklich so resigniert? Mir klingt er eher wie einer der zahlreichen Vertreter eines status quo , dem es recht gut zu gehen scheint, sonst könnte er sich soviel “Resignation” gar nicht leisten.
    Im Speckgürtel sagt es sich leicht, daß Veränderung nicht möglich- Subtext: “nicht erwünscht”- ist.
    @Trottelreiner #18
    zu a) Zustimmung, Piper ist gar kein Kapitalist, eigentlich muß man den Kapitalismus sogar retten vor Leuten wie ihm.
    Hat irgendwer gesprochen von einer 100-prozentigen Abschöpfung? 25 sind in der Debatte, eine eher zahme Regulierung des Marktes, mehr nicht.

  20. #25 DH
    9. Juni 2022

    “Es gibt keine Lösung. Man kann nur versuchen, mit der Tatsache umzugehen, dass die USA ein gewalttätiges und bis an die Zähne bewaffnetes Land sind.“”
    Eben. Indem man die Waffengesetze verschärft.
    Interessant, was Piper nicht sagt.
    Weder versucht er, auf mögliche Ursachen von Amokläufen hinzuweisen, noch erwähnt er den Umstand, daß es lediglich ein Drittel der Amerikaner ist, auf den der gesamte Waffenbesitz zurückgeht.
    Hat “der Rest” etwa verdient, daß überall irgendwelche selbsternannten Rambos rumlaufen, um sie zu “schützen”?

    • #26 Joseph Kuhn
      9. Juni 2022

      @ DH:

      Der mit den Waffen und der Resignation war Hubert Wetzel. Nikolaus Piper war der mit der Übergewinnsteuer. Zwei Kommentare, zwei Personen.

  21. #27 lioninoil
    10. Juni 2022

    Analysen und Meinungsartikel,
    Entscheidend sollte die Zielgruppe sein, an die das Geschriebene gerichtet ist.
    Ein Meinungsartikel für die Zeitungsleserschaft sollte positiv formuliert werden und darf den moralischen Anspruch deutlich hervorheben.
    Das ist doch ihre Meinung Herr Kuhn. Das ist auch meine Meinung.

    Eine Meinung , die analytisch begründet ist und als Zielgruppe hier die wissenschaftlich ausgerichtete Community hat, die darf auch nüchtern bis zynisch polemisch sein.
    Was Herr Lindner sagt stimmt, aber eben nur zur Hälfte. Mit moralischem Anspruch allein ist die Wirtschaft nicht zu steuern.
    Es braucht das Verständnis für die Zusammenhänge.
    Herr Piper hat das Verständnis, die Gabe zum Seelsorger fehlt ihm ganz.
    DH
    Es geht um Marktregulierung die funktioniert.

  22. #28 DH
    10. Juni 2022

    @Joseph Kuhn
    Oha , das hatte ich übersehen, sorry.

  23. #29 DH
    10. Juni 2022

    @lioninoil
    “Es geht um Marktregulierung die funktioniert.”
    Klar, und das kann man ja diskutieren. Aber nicht zum ersten Mal wird in Teilen der öffentlichen Debatte so getan, als wenn der Sozialismus eingeführt werden soll.

  24. #30 lioninoil
    vor dem Mittagessen
    11. Juni 2022

    Kleine Schritte
    Nach der Spritpreisverordnung in Österreich dürfen die Preise für Benzin nur 1x am Tag erhöht werden und zwar um 12 Uhr.
    In Deutschland können die Tankstellen innerhalb eines Tages den Benzinpreis mehrmals erhöhen.
    Es ist also möglich, dass man 11 Uhr morgens 2,11 € für E 10 bezahlt, um 14 Uhr 2, 19 € und um 23 Uhr wieder 2,11 €.
    Allein hier sollte man tätig werden und die österreichische Lösung anstreben.

    Was die absolute Höhe des Benzipreises angeht, da ist keine Lösung in Sicht.
    Hoffentlich bekommen wir keine Lösung wie bei dem Speiseöl, der Preis liegt bei etwa 5 € pro Liter.
    Und wer öfters ins Ausland fährt weiß, dass dort die Preise noch bei 2 €/l liegen. Hier wird also künstlich verknappt um den Preis hoch zu halten.
    Vielleicht wird das Angebot am Spotmarkt auch künstlich verknappt um den Preis hochzuhalten. Das geht ganz einfach indem der Tanker etwas später in Rotterdam anlegt.

  25. #31 uwe hauptschueler
    12. Juni 2022

    Das Thema wird auch beim SPIEGEL verhackstückt. An kritischen Kommentaren mangelt es nicht. z.B.

    Weil Lindner in Folge der erbärmlichen FDP-performance bei den letzten Landtagswahlen einen erkennbar nutzlosen Geldsegen erzwang der ganz logisch bei den Falschen hängen bleibt dreht Habeck die deutsche Wirtschaft jetzt in Richtung Verstaatlichung und Planwirtschaft.

    “Kartelle” werden dann nach Volkes Laune auch ohne Nachweis zerschlagen und nach “den frei definierbaren Über-Gewinnen kommen als nächstes natürlich die Über-Reichen dran.

    Venezuela lässt grüßen, das Land war mal ganz gut situiert bevor es in einem Todestanz aus Clientel-Geschenken und Neokommunismus in die Totalpleite regiert wurde.

    Weitere Antworten anzeigen
    vor 9 Minuten
    Firmensitze:
    BP/Aral: London
    Shell: London
    Jet: GB
    Agip/eni: Rom, IT

    Alle diese Unternehmen haben ausgezeichnete Steuerabteilungen und werden dafür Sorge tragen, dass die Übergewinne dort anfallen, wo es diese Steuer nicht gibt.
    Bleiben ein paar freie Tankstellen. Die müssen aber teuer einkaufen. Auch dort gibrt es also nichts zu holen.
    Und jetzt?

    2
    vor 4 Minuten
    Übrigens schafft es das deutsche Steuerrecht doch nicht einmal, Unternehmen wie Starbucks, Apple oder Google ganz normal zu besteuern.
    Fangen wir doch erst mal da an, bevor wir an das Thema “Übergewinne” gehen.
    In der Grundschule wird ja auch nicht mit Kurvendiskussion angefangen sondern mit dem kleinen Einmaleins

    Q.:
    [https://www.spiegel.de/wirtschaft/service/robert-habeck-plant-schnellere-gewinnabschoepfung-bei-mineraloelkonzernen-a-46e3409e-f052-4f35-9a46-2ab1a66e778d

  26. #32 lioninoil
    12. Juni 2022

    uwe hauptschüler,
    Der Witz bleibt, dass weder Lindner noch Habeck Wirtschaftswissenschaften studiert haben.
    Da ist eine Gesetzeslücke, von einem Minister kann man verlangen, dass er vom Fach ist.

    • #33 Joseph Kuhn
      12. Juni 2022

      Bitte, lassen Sie mal wieder Gnade walten. Sonst muss ich helfen und Sie auf Stumm schalten.

  27. #34 lioninoil
    12. Juni 2022

    XXX

    [Kommentar gelöscht. Schweigehilfe. JK]

  28. #35 DH
    12. Juni 2022

    Könnte es sein, daß Wetzel sich auch inhaltlich irrt, und zwar krachend. Ist nur ein Bauchgefühl, aber die Zeichen in den USA scheinen mir eher auf Sturm zu stehen, als auf Sturmgewehr, nicht erst mit den aktuellen Demos in New York.
    Die NRA und ihre Lobbies könnten überzogen haben mit ihrer völlig starren Haltung, kleines Indiz in diese Richtung.

  29. #36 knorke
    13. Juni 2022

    @35 Was dort möglich oder nicht möglich ist und inwiefern dies im übergordneten Sinn erfolgreich und im gesellschaftlichen Sinn wirkungsvoll ist bleibt erneut abzuwarten. Bisher bleibt unabänderlich, dass in der Verfassung das Waffenbesitzrecht verankert ist. Wenn jetzt einige Bundestaaten bestehende Regeln verschärfen halte ich das bereits für viel, gemessen daran was politisch überhaupt möglich ist.

    Was mich gelegentlich überrascht wie drastisch die USA zumindest punktuell in der Lage ist, ihren Kurs zu ändern, ich wäre angenehm überrascht, wenn dies hier gelänge, bezweifle es aber.

    Zumal die Ursachen weiterhin eher unterberücksichtigt bleiben dürften. Eine von diesen ist mit Sicherheit soziale Ungleichheit (um nicht zusagen Verelendung). Sicherlich nicht die Einzige Ursache, aber sie führt zu Kriminalitätsspiralen (in Kombi mit der merkwürdigen Linie was Haftstrafen und Haftbedingungen anbelangt) die wiederum zu größerem Unsicherheitsemfpinden in der Bevölkerung führen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass, wenn man z.B. in Chicago (selbst im Beschaulichen Providence konnte ich persönlich mich dieses Gefühls nicht erwehren) um die falsche Ecke biegt, man plötzlich sein Risiko Opfer eines Gewaltverbrechens zu werden überproportional zunimmt. Und das gilt für die USA viel viel mehr als in Deutschland. In einer solchen Lage wird auch der Eine oder andere US Bürger der kein Waffennarr ist (auch davon gibt es ja einige), den Revolver im Schrank als ein notwendiges Mittel sehen.

  30. #37 DH
    14. Juni 2022

    @knorke
    Die USA werden natürlich ein waffenaffines Land bleiben, aber es gibt da schon große Spielräume, sie sollen in den 60ern ein viel schärferes Waffenrecht gehabt haben als heute.
    “Was mich gelegentlich überrascht wie drastisch die USA zumindest punktuell in der Lage ist, ihren Kurs zu ändern, ”
    In der Tat, wer denkt schon an die USA bei einem Spitzensteuersatz von 90 Prozent (new deal)…
    Glaub auch, daß man das teilweise Totalversagen der Exekutive oft übersieht bei der Verurteilung des Amerikaners im Verhältnis zu seinen Waffen.