Tiefgreifende gesellschaftliche Krisen sind stets mit größeren psychosozialen Folgen verbunden. Das gilt auch für die Corona-Pandemie. Studien wie die “Copsy-Studie” zeigen beispielsweise hohe psychische Belastungen für Kinder und Jugendliche, es gibt inzwischen auch Berichte, dass Suizidversuche bei Heranwachsenden zunehmen, auch wenn die Zahl der Suizide selbst bisher noch unauffällig ist. Auch familiäre Gewalt scheint vermehrt aufzutreten bzw. in den Lockdownphasen aufgetreten zu sein. Die Politik ist somit gut beraten, wenn sie nicht nur auf Infektionszahlen schaut, sondern auch die psychosoziale Entwicklung im Auge behält.
Seit kurzem liegen Daten zur Geburtenentwicklung für die ersten Monate 2022 vor. Im Jahr 2021 hatte die Geburtenzahl in Deutschland mit 795.715 Lebendgeborenen einen neuen Rekord nach dem Tiefststand 2011 mit 662.685 Lebendgeborenen erreicht.
Im Jahresverlauf folgen die Geburten einem Muster mit einem Tief zum Jahresanfang und einem Hoch im Spätsommer.
Im Winter 2021 gab es im Vergleich zu den Wintern zuvor noch hohe Geburtenzahlen, im ersten Quartal 2022 sind die Zahlen dagegen besonders niedrig ausgefallen. Es sind zwar noch vorläufige Daten, aber es scheint kein Dokumentationsdefizit zu sein. Gegenüber dem Durchschnitt der ersten Quartale in den letzten 5 Jahren sind es 2022 gut 20.000 Geburten weniger. Seit 2013 gab es kein Jahr mit weniger Geburten im ersten Quartal.
Woran könnte das liegen? Der Zeitraum 9 Monate zurück sind die Monate März bis Juni 2021, ein Frühling im Lockdown. Hatte das, verbunden mit der damit einhergehenden wirtschaftlichen Unsicherheit, der Angst um Arbeitsplatzverlust, den eingeschränkten Kontaktmöglichkeiten und andere sozialen Rahmenbedingungen für niedrige Geburtenzahlen im ersten Quartal 2022 gesorgt? Und wird es einen Nachholeffekt geben, so dass die Folgemonate wieder mit höheren Geburtenzahlen aufwarten? Auf letzteres deuten noch unveröffentlichte Daten aus dem bayerischen Neugeborenenscreening hin.
Die kommenden Monate werden hier sicher interessant werden, ein Beispiel mehr, dass ein Monitoring der psychosozialen Situation genauso wichtig ist wie das der Infektions- oder Krankenhauszahlen.
Ausschließen kann man wohl eine Geschichte, die in Querdenkerkreisen umgeht. Demnach seien die Impfungen Ursache der niedrigen Geburtenzahlen im ersten Quartal 2022, wie z.B. ein „Andreas Zimmermann“ auf der sog. „Achse des Guten“ meint behaupten zu müssen. Aber zum einen wurde die Priorisierung der Impfungen erst im Juni 2021 aufgehoben, d.h. erst danach wurden die jüngeren, für die Geburten ausschlaggebenden Jahrgänge im großen Stil geimpft, und zum anderen gibt es keine valide Studie, die biologisch unplausible Effekte dieser Art belegt. Eher lässt sich der Anstieg der Durchschnittstemperaturen mit den Impfzahlen in Verbindung bringen – korrelativ geht da sicher einiges.
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