Heute hat das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) Daten zur Lebenserwartung 2019 bis 2021 veröffentlicht – mit der Feststellung eines deutlichen Rückgangs in Deutschland. Die Zahlen haben erwartungsgemäß ein breites Medienecho gefunden. Es gab zwar schon vorher einige internationale Publikationen zum Rückgang der Lebenserwartung in der Pandemie, etwa Aburto et al. (2022), auch das Statistische Bundesamt hatte vor kurzem bereits Daten für Ost- und Westdeutschland veröffentlicht, aber jetzt gibt es auch Verlaufsdaten für die deutschen Bundesländer.
In Deutschland ist demnach die Lebenserwartung 2021 gegenüber 2019 um ca. ein halbes Jahr zurückgegangen, bei Männern mehr als bei Frauen. Besonders deutlich war der Rückgang in Thüringen (ca. 1,5 Jahre) sowie Sachsen-Anhalt und Sachsen (je ca. 1 ¼ Jahre).
Impfgegner werden womöglich sagen, das liegt an den Impfungen. Aber das Bundesinstitut hat die Lebenserwartung für die Jahre 2019, 2020 und 2021 getrennt berechnet, was für Bremen und das Saarland vielleicht etwas wacklig ist, aber dafür sieht man, dass die Lebenserwartung auch schon 2020, also vor Beginn des Impfens, rückläufig war. Die Daten sind in einer schön aufbereiteten Tabelle verfügbar.
Im internationalen Vergleich weisen bei den vom BiB einbezogenen Staaten die USA und Polen mit einem Rückgang von deutlich mehr als 2 Jahren die auffälligsten Werte auf. Bei den USA muss man allerdings berücksichtigen, dass hier auch Faktoren zum Tragen kommen, die schon lange vor der Pandemie eingesetzt haben, wie man z.B. in „Deaths of Despair“ von Anne Case und Angus Deaton nachlesen kann.
Die Grafik mag die Frage aufwerfen, warum Italien, Spanien und Frankreich besser abschneiden als Deutschland, oder ob Schweden doch alles besser gemacht hat als Deutschland: In diesen Ländern war die Lebenserwartung 2020 erheblich stärker zurückgegangen als hierzulande, aber sie haben diese Verluste zum Teil wieder aufgeholt, Deutschland nicht.
Ob der Rückgang der Lebenserwartung in Deutschland in Gänze dem Virus zuzurechnen ist, oder ob ein gewisser Anteil auf andere Faktoren zurückgeht, darüber mag man diskutieren, oder abwarten, bis auch das besser untersucht ist.
Disclaimer, damit es nicht zu Missverständnissen kommt: Das BiB hat die Lebenserwartung auf der Basis von Periodensterbetafeln berechnet, d.h. die Daten geben die Sterbeverhältnisse in den Jahren 2019 bis 2021 wieder, sie machen keine Prognose über die künftige Entwicklung.
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Nachtrag 20.8.2022: Im ersten Absatz habe ich noch einen Hinweis auf die kürzlich erfolgte Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes zum Rückgang der Lebenserwartung in Ost- und Westdeutschland eingefügt.
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