Wer irgendeine Art von Grundbesitz hat, und sei es ein kleines Stück Brachland, muss bis 31.10.2022 gegenüber dem Finanzamt eine Erklärung zur neuen Bemessung der Grundsteuer abgeben.
Angeblich geht es elektronisch über das Portal ELSTER „bequem und einfach“, so lockt zumindest die Finanzverwaltung. Aber schon die Tatsache, dass es Tutorials gibt, die einem durch ELSTER helfen wollen, weist darauf hin, dass „bequem und einfach“ wohl nicht für jedermann gilt. Oder jedefrau. Ja, manche Leute kommen wirklich gut durch. Andere finden sich im „Haus, das Verrückte macht“ wieder. Und die Älteren unter uns können live und online erleben, was Altersdiskriminierung durch Digitalisierung bedeutet. Wer Glück hat, dem helfen Kinder oder Enkel, die dann den Grundbesitz demnächst erben.
Es fängt damit an, dass man einen Account mit besonders sicherer Authentifizierung braucht. Die einfachste Variante ist, sich eine „Zertifikatsdatei“ samt Freischaltcode zu bestellen. Der Code kommt per Post, sicher ist sicher. Die Zertifikatsdatei kommt logischerweise elektronisch, und wird automatisch irgendwohin gespeichert. Merken Sie sich wo, und falls es der Download-Ordner war, leeren Sie ihn nie, oder speichern Sie die Datei um, denn die Zertifikatsdatei brauchen Sie immer wieder. ELSTER hilft später immerhin beim Suchen.
So weit, so „bequem und einfach“. Dann geht es los. Sie haben Grundbuchblatt, Flurstücks-Zähler oder Flurstücks-Nenner nicht parat? Oder die Steuernummer oder die Steuer-Identifikationsnummer eventueller Miteigentümer in einer Erbengemeinschaft nicht zur Hand? Pech gehabt. Dann ist es mit „bequem und einfach“ vorbei. Es hilft auch nicht, sich an die telefonische Hotline zu wenden. Dort kann man bestenfalls in der Warteschleife über die Endlichkeit des Lebens nachdenken, bis man irgendwann rausfliegt. Der alternative Weg, den angeblich existierenden persönlichen Ansprechpartner beim zuständigen Finanzamt zu finden, führt zuverlässig wieder zur Startseite mit den Infos über die Grundsteuer zurück. Alle Wege führen nach Rom, in das Haus, das … na, Sie wissen schon.
Manche Angaben kann man zumindest in Bayern bei der Vermessungsverwaltung online abrufen. Wenn man sich dort durchgeklickt hat, weiß man z.B. die Flurstücksfläche und dass der im ELSTER-Formular erfragte „Flurstücks-Zähler“ mit der im Anschreiben der Steuerverwaltung genannten Flurstücksnummer identisch ist und der ebenfalls erfragte Flurstücks-Nenner eventuell nicht existiert. Warum die Steuerverwaltung solche Daten nicht einfach übernehmen kann? Ein Digitalisierungsloch? Man weiß es nicht, vermutlich wäre es zu „bequem und einfach“. Gnade Ihnen Gott, dass unter den Miteigentümern keine ältere Person mit Wohnsitz weit weg ist. Wenn doch, richten Sie sich auf eine längere telefonische Begleitung einer Recherche in Unterlagen ein, die doch vor 20 Jahren noch in der Schublade da gewesen sein sollen. Aber vielleicht wollten Sie eh mal wieder länger mit Ihrem Opa oder Ihrer alten Tante sprechen, ELSTER hilft auch da.
ELSTER ist an sich nicht böse. Es hilft Ihnen mit Ausfüllhinweisen und am Ende noch mal mit eigens für Sie generierten „Hinweisen“ und „Fehlermeldungen“ zu Ihren Eintragungen. Die Fehler müssen Sie bereinigen, die Hinweise können sie zur Not erst mal unbeachtet lassen. Haben Sie neben der Flurnummer auch eine Straße eingetragen, rügt Sie das Programm, warum auch immer. Ebenso scheint es Probleme zu geben, wenn man das Häkchen für zusätzliche Erläuterungen zum Grundstück setzt und dann auch wirklich eine Erläuterung einträgt. Das Internet ist voll mit Geschichten dieser Art, Sie sind nicht allein. Googeln Sie mal, das hat therapeutische Wirkung, wenn Sie verzweifeln und sich Symptome einer akuten ELSTER-Störung (ICD F 43.0) ankündigen.
Man könnte das Ganze natürlich auch einem Steuerberater überlassen. Das kostet zwar deutlich mehr, als die Grundsteuer für ein kleines Stück Brachland ausmacht, zumal wenn der Steuerberater mit der alten Tante sprechen muss, die ihm vielleicht bei der Gelegenheit noch von ihren Beinschmerzen erzählt, oder gar etwas vergesslich ist. Aber damit verstünde man immerhin die feine Ironie von der Steuererklärung auf dem Bierdeckel etwas besser. Das ist eine Form der Selbsthilfe unter ELSTER-Verzweifelten in der Eckkneipe, die sich die Tipps ihrer Leidensgenossen auf dem Bierdeckel notieren. Vermutlich waren die Steuergeschenke bei den Cum-Ex-Geschäften einfacher zu erledigen. Gut, das ist jetzt etwas polemisch und dafür können die armen Finanzämter auch nichts. Aber etwas Entbürokratisierung im Alltag würde man sich manchmal doch wünschen.
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